Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Vorträge

Fassaden, Befund, Interpretation und Umgang

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

Noch vor 20 bis 30 Jahren wurde Architekturstudenten an Akademien beigebracht: "Nur eine schlechte Architektur braucht Wandmalerei". Etwas ehrlicher hört sich später der Grundsatz an: "Eine schlechte Architektur kann auch mit malerischen Mitteln nicht mehr gerettet werden". Ist es nicht eher die Tatsache, dass man vor allem seit dem frühen 20. Jahrhundert die Architektur als eine eigenständige Kunstrichtung propagierte, an der zum räumlichen dreidimensionalen Gestalten, die Plastik vorgezogen wurde ? Man verbannte die Malerei als zweidimensionales, illusionistisches Kunstwerk auf die Staffelei. Hat nicht die Rationalisierung und reines Zweckdenken alles unnützlich scheinende verdrängt ? Hat nicht materialgerechtes Denken mitgewirkt wie Holz ist Holz, Stein ist Stein, oder auf das 20. Jahrhundert übertragen, Beton ist Beton ? Sicher sind die Wurzeln solcher Überlegungen und Empfindungen weit zurück zu suchen.

Der Bruch mit der Tradition Fassaden farbig zu gestalten, liess nicht nur viel vorhandenes an historischen Bauten zerstören. Es geschah schlimmeres:

  1. Das Angebot an Flächen welche Wandmalerei zulassen, ist entsprechend dem heutigen Baustil und Bautechnik weder gegeben noch erwünscht.
  2. Die Beziehung der Maler zur Architektur ging verloren, wie auch bei vielen Architekten das Empfinden, Architektur und Malerei als ein harmonisches, durchdachtes Ganzes und nicht nur als ein Detail zu sehen.
  3. Die künstlerischen Voraussetzungen für jedes Gestalten wie auch die maltechnischen Kenntnisse, gingen verloren. Was übrig blieb sind Quellenschriften die wohl zur Orientierung helfen, aber die verlorene Erfahrung und das Können nicht ersetzen. Die daraus resultierenden Garantieschäden infolge Ausführungsmängel, zerstören schlussendlich den letzten Mut von Auftraggeber wie Auftragnehmer, Historisches zu restaurieren und Schöpferisches in Form von Wandmalerei zu entwickeln.
  4. Der Rest an gutem Willen wird nochmals geschmälert durch die Euphorie zu isolieren. Nicht nur die durch Isolierung anzustrebenden K-Werte werden meist bevorzugt, wenn es um die Frage sein oder nicht sein von Wandmalerei geht. Farbstarke Neugestaltungen sind nicht erwünscht, denn viele isolierende Baustoffe zerfallen leicht durch Temperaturverwitterung. Gelbe, rote, braune und schwarze Farben zum Beispiel, wovon eine Malerei lebt, übertragen viel Wärme in die Tiefe.

1982 verkündete lautstark ein Fachlehrer für Malerei an einem Symposium für künstlerische Fassadengestaltung in Luzern: "Es ist unmöglich, dass bei der heutigen Umweltbelastung Malereien an Fassaden bestehen können, diese Kunstgattung ist gestorben." Man steht zur Wandmalerei und verwirft sie im gleichen Zuge. Es ist daher ein schwacher Trost, wenn man an den staatlichen Akademien der bildenden Künste in Stuttgart und Wien in der Ausbildung das Thema farbige Architekturoberfläche wieder berücksichtigt, wenn auf der anderen Seite die Bautechnologie sich gegen Ausführungen stellt. Auch ein neuer Slogan "Die umweltfreundliche Farbe" wirbt gegen eine bunte Gestaltung. Gemeint sind nämlich Farbgebungen die in der Landschaft weniger auffallen. Die Frage ist nur, was in der Landschaft unangenehmer auffällt: Ein Ardüser, der locker und mit erzählerischen Mitteln Fassaden schmückte, oder eine der Baustil missachtende, umweltfreundliche Fassadengestaltung.

Sind farbige Gestaltungen von Fassaden nun nur einfache Farbgebungen und Dekorationen ? Sind Dekorationen nur erhaltene Einzelaktionen oder lokale bis regionale Eigenarten ? Sicher darf man von Volkskunst sprechen, doch die Wiege jedes künstlerischen Schaffens liegt in der Volkskunst und hat seine Basis im handwerklichen Können. Können bildet den Grundstock für die Weiterbildung und öffnet den Weg zur hohen Kunst. Wollen wir die farbige Fassadengestaltung verstehen, zählen nicht die Wandbilder mit repräsentativen Darstellungen die in Felder und Register aufgeteilt der Architektur nur zugefügt worden sind, ohne sich mit ihr zu einem neuen Ganzen zu verbinden. Vielmehr gilt es, einfache Dekorationen zu beachten deren Rahmenwerk Übergänge zur Architektur schafft oder sich einordnend und verschmelzend an der Aussage einer Architektur mitbeteiligt. Verstehen lehren muss man die Illusionsmalereien des 18. und 19. Jahrhunderts, welche die höchste Steigerung des Architektonischen den Künsten des Pinsels überlassen.

Was wäre Werdenberg ohne seine bemalten Holzhäuser, was wäre die Region Albula, Domleschg und deren nähere Umgebungen ohne den volkstümlichen Maler Ardüser ? Was wäre der Kanton Tessin oder das Veltlin ohne seine Fassadengestaltungen vom Mittelalter bis zum Barock oder das Oberwallis ohne seine Quaderimitationen des frühen 17. Jahrhunderts ? Kann man sich Graubünden ohne Sgraffiti, Poschiavo ohne die im 19. Jahrhundert entstandenen Fassadenmalereien im Spaniolenviertel überhaupt vorstellen; oder die Stadt Luzern ohne die vielen grossartigen Fassadengestaltungen des Seraphim Weingartner die am Anfang unseres Jahrhunderts entstanden. Würde Stein am Rhein so stark besucht ohne seine geschlossen erhaltenen  geschmückten Fassaden ? Oder was hätte nördlich der Alpen uns das 19. Jahrhundert und das frühe 20. Jahrhundert beschert ohne Jakob Burckhardt und Gottfried Semper als Verbreiter der Neurenaissance ? Oft wird man gefragt, warum gerade der Alpenraum und Regionen der Voralpen so reich an Wanddekorationen sind. Ist es nur provinzielle Rückständigkeit und damit verbundene finanzielle Engpässe womit sich viele Fragen entschuldigen ? Ist es nicht auch ein angeborenes, natürliches Bedürfnis und ein gesundes Traditionsbewusstsein, schmucke Fassaden zu besitzen? Nicht nur Fassadenuntersuchungen sind Lieferanten für Analysen, das wäre zu materiell, nein auch das Erfassen der lokalen Eigenarten und Mitfühlen der Denkweise deren Einwohner gehört hinzu, will man das Einfache und Volkstümliche erhalten sehen. Es braucht daher nicht nur die finanzielle Unterstützung und Beratung der Denkmalpflege, sondern auch das Wachhalten des Verständnisses zum Einfachen und dass nicht nur die hohe Kunst gewürdigt wird.

Maltechnik

Grundsätzlich wurde in der Schweiz, für Fassadengestaltung unumstritten, über alle Epochen bis Anfang des 20. Jahrhunders, fast ausschliesslich das mineralische Bindemittel Sumpfkalk benutzt. Es diente zugleich auch als das wichtigste Weiss. Die Farben wurden entweder à Fresko oder in der Technik der Kalkmalerei aufgetragen. Die Wahl der Maltechnik für historische Dekorationen, ob Fresko oder Kalkmalerei, ist stark auf Regionen  bedingt. Am Alpensüdfuss wie im Alpenraum, vor allem in den Kantonen Graubünden und Tessin, wie auch vereinzelt in den Gebieten am Alpennordfuss hat man die Freskotechnik vorgezogen, sofern es sich um die Erstfassung handelt. In den übrigen Regionen benutzte man eher die labilere Technik - die Kalkmalerei. Zusätzlich lässt sich anhand von Untersuchungen belegen, dass im Mittelalter die Freskotechnik bevorzugt wurde. Während der Renaissance und vor allem im 18. und 19. Jahrhundert, finden sich im Norden der Alpen vorwiegend Kalkmalereien. Da man noch bis zum 19. Jahrhundert alte Putze, unbemalte wie bemalte, selten entfernte sondern meist nur ausbesserte und oft mit neuen Dekorationen versah, blieb zu deren Ausführung keine andere Wahl als die Kalkmalerei. Nicht selten finden wir drei bis vier und mehr Dekorationen übereinander.

Was verstehen wir nun unter Fresko-, Kalk- und Seccomalereien ? Eine Freskotechnik liegt vor, wenn die Farben auf den noch frischen bis feuchten Verputz gemalt sind, wobei die Farben mit der Karbonatisation des Kalkmörtels zusammen wetterbeständig abbinden. Oft wird behauptet, wenn durch Analysen in der Malschicht zum Beispiel trocknende Öle oder Eiweiss gefunden wird, sei es keine Freskomalerei. Es gibt sogar Restauratoren die glauben, wenn eine Farbe viel Kalk enthalte müsse man von Kalkmalerei sprechen. Wäre dies der Fall, müsste man jede Dekoration die Grautöne enthält, als Kalkmalerei bezeichnen. Diese Restauratoren vergessen wohl, dass Kalk nicht nur Bindemittel sondern auch Farbe ist und dass Kalk auch zum Aufhellen von Lokaltönen benutzt wurde. Zu den Zusätzen von Öl oder Eiweiss sei erwähnt, dass sie als Verzögerer den Abbindeprozess einer Fresko- oder Kalkmalerei begünstigen. Diesen Effekt kennen alle Maler die mit Kalk umgehen können und geben deshalb zum Beispiel dem dick aus der Grube gestochenen Kalk oft pro Eimer einen bis zwei Esslöffel Leinöl dazu.

Eine Abart von Fresko ist die Stucco lustro-Technik, die im 17./18. Jahrhundert aufkam und unter anderem im 19. Jahrhundert in Poschiavo auch an Aussenfassaden sehr beliebt war. Die Farben mit einem Zusatz von Kalk und verseiftem Olivenöl, werden a fresco auf den frischen Putz gemalt. Wenn der Putz druckfest ist wird er mit einer heissen Kelle, heute mit dem Bügeleisen, geglättet.

Von einer Kalkmalerei sprechen wir, wenn sie auf einen trockenen, schon längst abgebundenen Putz ausgeführt wird. Doch vor dem Farbauftrag muss dieser Verputz gut genetzt werden. Auf den angefeuchteten Putz folgen nun Partienweise ein bis zwei Kalkanstriche auf die nass in nass die Malausführung folgt. Die Malerei bindet mit der Karbonatisation des Kalkanstriches ab. Theophilus schreibt im Kap. XV unter anderem: "Wenn Bildnisse oder Abbilder anderer Dinge auf der trocknen Wand entworfen werden, soll sie sogleich mit Wasser besprengt werden, so lange, bis sie durchaus feucht ist. Und auf die Feuchte werden alle Farben aufgetragen, welche angebracht werden sollen. Sie sollen mit der Mauer selber trocknen auf dass sie haften."

Historische dekorative Malereien in Öl oder Tempera sind nicht belegt. Vergleiche mit erhaltener figürlicher Malerei in Seccotechnik erlauben jedoch den Schluss wenn es solche gab, dass sie wohl durch die Verwitterung zerstört sind. Ende des 19. Jahrhunderts beginnt die fabrikmässige Herstellung von Bindemittelsystemen für Anstriche und Malereien, insbesondere für Aussenfassaden, zum Beispiel die Silikattechnik. Zugunsten der neuen Seccotechniken wird zum erstenmal ein Aufbau auf einen hierzu einwandfreien Verputz oder präparierten Untergrund verlangt. Somit war zugleich auch der Anfang gegeben alles Vorherige zu zerstören, um den Garantievorschriften dieser neuen Malsysteme zu entsprechen. Gleiches gilt für die vielen, oft kurzlebigen, nach 1950 entwickelten Seccotechniken, die alle einen einwandfreien, wenn möglich einen neuen Unter-grund verlangen. Empfiehlt man solche am richtigen Ort durchaus guten Malsysteme, auch die viel bewährte Silikattechnik, bedeutet das zugleich das Todesurteil für historische Verputze und Malereien, weil sie abgeräumt werden müssen.

Die Auswertungen der vielen durchgeführten Untersuchungen beweisen, dass der Verputz nicht nur Träger gemalter Dekorationen ist. Mit seinen oft sehr unterschiedlichen Strukturen, die bewusst reich differenziert angewendet worden sind, wird er selbst zu einem gestalterischen Element. Ich erinnere hier an den Besenwurf, den Kieselwurf, die Nagelbrettstruktur oder geglättete und abgekellte Oberflächen. Viel zuwenig bis gar nicht hat man bis jetzt die verschiedensten Oberflächenstrukturen der Putze in das Gestaltungsbild der Malerei mit einbezogen, sondern zu oft wurde er gefühl- und gedankenlosen geopfert und durch einen stereotypen abgeriebenen Putz ersetzt.

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