Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Vorträge

Historische Putztechniken

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

Mauerwerk, Ausfugungen, auch Pietra rasa genannt, und Verputze können ein sehr verschiedenartiges Aussehen haben, das von Baumaterialien, vom handwerklichen Können sowie vom Zweck und der gewünschten Wirkung bestimmt wird. Da in den einzelnen Epochen der Architekturgeschichte an Mauerwerk und Verputzen gewisse feststehende Charakteristika zu beobachten sind, lassen sich mit vorsichtiger Beurteilung Stilelemente unterscheiden.

Erst seitdem die Denkmalpflege und die Restauratoren historische Bauten vor der Restaurierung eingehend untersucht haben und Restaurierungen mit wissenschaftlichen Methoden begleitet werden, unterscheidet man zwischen historischen und modernen Putzapplikationen. Der Unterschied fällt vor allem dort auf, wo sich innerhalb von historischem Putzbestand moderne Ausbesserungen befinden. Diese Feststellung gab den Anstoss, putztechnische Eigenheiten und länderspezifische Methoden zu sammeln und zu studieren. In der Literatur über Putz findet man meist nur die technologischen Voraussetzungen wie Siebkurve, Bindemittel, Füllstoffe, Mischverhältnisse, etc. Dass in historischer Zeit ein Verputz nicht einfach nur appliziert wurde, sondern meistens eine bewusst gestaltete Oberflächenstruktur erhielt, ist heutzutage nicht mehr genügend bekannt. Historische Bauten werden heute mehr denn je nach den für Neubauten gültigen Normen verputzt. Man geht bereits soweit, die Zusammensetzung, den Aufbau und die Struktur eines historischen Verputztes nach DIN-Vorschriften auszuführen. Welche Art von Malereien wären wohl entstanden, wenn man diese Kunst nach DIN normiert hätte ? Solche Vorschriften erlauben die Produktion von Fertigputzen und dienen dem Kommerz, nicht aber dem historischen Bau, der von individuellen Auffassungen bestimmt wird. Fassaden, nach dem modernen DIN-Normenprinzip verputzt, z.B. ein Fertigprodukt mit dem Aufbau Spritzwurf, Ausgleichsputz, Grundputz (Arriccio) und Deck- oder Sichtputz (Intonaco) mit einer Abriebstruktur, wirken monoton und spannungslos. Diese Erscheinung ist nicht dem Nichtkönnen oder der Gleichgültigkeit der Maurer und Gipser zuzuschreiben, sondern der Rationalisierung und eher der heutigen Berufsauffassung, die das Applizieren eines Mörtels im Lot fordert. Die handwerkliche Ausführung muss von oben bis unten in der Struktur des Abriebes gleichmässig und homogen sein, weder Pontate und andere Putznähte, wie die Handschrift des Maurers, dürfen abzulesen sein. Besonders bedauerlich ist, dass die modernen, überhand nehmenden Baumaterialien, die Kenntnisse, die Verwendung und Verbreitung der seit Jahrtausenden bekannten Werkstoffe verdrängten und dem Handwerker das Denken abnehmen und ihn zum wertlosen Applizierer degradieren.

Generell kann man festhalten:

Das Aussehen eines Verputzes ist in hohem Masse auch abhängig von der Mauerwerktechnik. Der Verputz ist bis zum Ende der Gotik weitgehend vom handwerklich Zweckmässigen her bestimmt, wo er zudem oft gänzlich als Träger für die Wandmalereien unterstellt ist. Seit der Spätgotik, vor allem aber der Renaissance, gewinnt der Verputz eine gewisse Selbständigkeit als Ausdrucksform und wird auf eine gewollte Wirkung hin gestaltet. Er ist historisch, nicht nur, wie es das 20. Jahrhundert gerne auslegt, Schutzhaut für das Mauerwerk, sondern wird gestaltendes Element einer Fassade, oder auch einer Innenwand.

Die folgenden Erläuterungen sind die Erkenntnisse systematischer Studien, die direkt an den Objekten während der letzten 25 Jahre vorgenommen worden sind. Viele dieser untersuchten Objekte haben inzwischen ihre historisch wertvollen Fassadengestaltungen verloren und eingetauscht mit einem monotonen Fertigputz, wie er überall in Europa, gleich einem Eintopfgericht, vorgefunden wird. Die bis jetzt festgestellten 28 verschiedenen Putzarten mögen zeigen, wie individuell die Oberfläche einer Fassade gestaltet sein kann. Sie dürfen aber kein Anlass sein, dass historische Fassadenverputze nun geopfert und ersetzt werden können, nur weil man weiss, wie sie zu rekonstruieren sind. Vielmehr soll dieser Beitrag helfen, historisch wertvolle Substanz von nicht brauchbarer zu unterscheiden, um sie durch eine sinnvolle Konservierung erhalten zu können.

Mauerwerk

Ein Mauerwerk kann je nach Epoche, nach handwerklichem Können, nach vorhandenem Material und den finanziellen Möglichkeiten ein unterschiedliches Aussehen haben. Gewöhnlich wurden Baumaterialien aus der nächsten Umgebung des Bauwerks gewonnen. Je nach Transportmöglichkeiten, beziehungsweise der Finanzkraft des Bauherrn, konnte das Einzugsgebiet erweitert werden, was im Allgemeinen nur zur Heranführung von besonders kostbaren Materialien geschah, welche zu wichtigen Werkstücken verarbeitet wurden. Waren speziell gewünschte Materialien nicht erschwinglich, sorgte die illusionistische Vorstellung eines Malers oder Maurers für Ersatz. Gemalter Marmor oder mit Mörtel gestalteter Tuff, perfekt imitiert, sollten das Originalmaterial vortäuschen. Nicht selten liess sich mit gemalten Materialimitaitionen weit mehr künstlerischer Reiz erzielen, als mit dem oft nur bescheidenen Farbenspiel des natürlichen Baumaterials.

Vom Material und der Bearbeitung her unterscheidet man zwischen Bruchstein-, Lesestein-, Haustein- und Ziegelmauerwerk, um nur die gebräuchlichsten aufzuzählen.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit besteht in den Mauerverbänden, dem Läufer-, Binderverband, dem Lagerechten- und Ährenverband und für die Antike z.B. das Zyklopen- und Megalitmauerwerk. Ferner ist die Art der Mauer zu unterscheiden, wie das Voll-, Schal- und Trockenmauerwerk. Unter einem Trockenmauerwerk verstehen wir eine Mauer, die vorsichtig und exakt ohne Bindemittel geschaffen worden ist, z.B. sind solche die Zyklopen- und Megalitmauern, oder solche, wie sie im südlichen Alpenraum an Ökonomiegebäuden oder Bauernhäusern vorkommen.

Grob zusammengefasst lassen sich folgende zeitliche Phasen der Entwicklung und der Dekadenz ausmachen:

  • Die früh- und hochmittelalterlichen Mauerwerktechniken, wie die der Rennaissance, gehen in diversen Kulturzentren auf die Handwerkstradition der Antike zurück. Sie sind von der Frühzeit bis zur Romanik geprägt durch eine qualitätsvolle, äusserst seriöse Bauweise. Sie sind gekennzeichnet durch Mauerwerke, die in gleichmässigen Lagen geschichtet sind, das sogenannte lagerechte Mauerwerk. Dies wurde vor allem erreicht durch die sorgfältige Auswahl der Steingrössen. Im Gegensatz zu Werk- und Ziegelsteinen, konnte die Erstellung eines Mauerwerk mit Bruch- und Lesesteinen recht mühsam und aufwendig werden.
  • Seit Beginn des 13. Jahrhunderts wird diese Mauertechnik, ausser in einigen Kulturzentren, oder dort, wo beispielsweise der Ziegelsteinbau üblich war, immer mehr vernachlässigt. Für die einzelnen Schichtlagen wurden vermehrt unregelmässig grosse Steine verwendet. Die zunehmend unsorgfältiger ausgeführten Mauerverbände verlangten immer mehr nach statischen Verankerungen, beispielsweise durch massive Eckverbände. Diese Entwicklung ist vor allem dort zu beobachten, wo mit Bruch- und Lesesteinmaterial gearbeitet wurde, so z.B. im Alpen- und Voralpenraum. Zu grosse Unregelmässigkeiten wurden mit Ausgleichsschichten einigermassen ausgeglichen.
  • Ab der Spätgotik und vor allem ab der Renaissance nimmt die Qualität der Mauerwerke weiter ab. Die Steine wurden nur mehr einfach geschichtet mit dem Material, das gerade vorlag.
  • In barocker Zeit findet sich, wo nicht Quader oder Ziegelmauerwerke üblich waren, oft nur noch nachlässig gestapeltes Mauerwerk zwischen Eckverbänden. Nicht selten wurden in dieser Zeit über den Schwachstellen, wie Fenster- und Türöffnungen, Entlastungsbogen eingemauert.

Ausfugungen oder Pietra rasa mit oder ohne Kellenstrich

Als Pietra rasa bezeichnet man den Verputz, der an die Steinköpfe des Mauerwerks auslaufend verteilt ist. Beim Errichten eines Mauerwerks werden die Bausteine in Mörtel gesetzt und leicht festgeklopft. Überschüssiger Mauer- oder Setzmörtel quillt dabei aus den Stoss- und Lagerfugen. Dieser überschüssige Mörtel wird nun nicht weggekratzt, sondern über die Ränder der Mauersteinin dieser Zeit über den Schwachstellen, wie Fenster- und Türöffnungen, Entlastungsbogen eingemauert.

Ausfugungen oder Pietra rasa mit oder ohne Kellenstrich

Als Pietra rasa bezeichnet man den Verputz, der an die Steinköpfe des Mauerwerks auslaufend verteilt ist. Beim Errichten eines Mauerwerks werden die Bausteine in Mörtel gesetzt und leicht, gegen deren Mitte hin auslaufend, verteilt und geglättet. Die Steinköpfe bleiben dabei mehr oder weniger sichtbar, flache Steinoberflächen mehr, gerundete weniger, zudem werden stark gerundete Steinköpfe meistens geflacht, weil sie sonst zu stark aus der Maueroberfläche hinausragen würden. Wo die Maueroberfläche durch ungleich grosse Steine, wie zum Beispiel bei Bruch- und Lesestein, Unebenheiten und Löcher aufweist, wird nochmals ausgleichend Mörtel aufgetragen und, analog dem Fugen- oder Setzmörtel, verteilt und geglättet. Die Pietra rasa wird häufig durch Linien betont, die mit der Kellenkante sofort in den frischen Mörtel gezogen werden. Diese Linien werden Kellenstriche oder Kellenzüge genannt. Es gibt Mauerwerke mit Kellenstrichen, die horizontal und vertikal, beziehungsweise beim Ährenverband diagonal verlaufen. Spätromanische Beispiele zeigen oft nur noch horizontal liegende Kellenstriche, und selten finden sich solche mit Dreieck- und Rombusformen. Oft finden wir Beispiele, wo die Kellenstriche mit Sumpfkalk weiss, gelegentlich solche, die mit rotem Ocker nachgezogen und betont worden sind. Der Verlauf von Kellenstrichen wird von den Mauerfugen und somit vor allem von der Art der verwendeten Bausteine bestimmt. Bauten aus Werk- und Ziegelsteinen ergeben einen regelmässigen Linienverlauf, Bruch- und Lesesteine zeigen wellig verlaufende Pietra rasa mit Kellenstrich, der den Formen der benutzten Mauersteine entspricht. Mit anderen Worten, je regelmässigere Bausteine verwendet werden, desto präziser, schöner und einheitlicher wirkt eine Pietra rasa mit Kellenstrich innerhalb eines Mauerwerks. Meistens sind die Kellenzüge handwerklich so sauber und schön ausgeführt, dass sie Steinformen, beziehungsweise Quadermauerwerk imitieren und vortäuschen. Es gibt daher immer wieder endlose Diskussionen über die Frage, waren Kellerstriche auf Sicht bestimmt und warum wurden sie mit Verputz überdeckt? Welche Funktion steht den Kellenzügen zu, wenn sie anschliessend ohnehin mit Verputz zugedeckt werden? Anhand vieler untersuchter Objekte konnten wir feststellen, dass die grössere Anzahl noch während der Bauphase, sofort mit Verputz zugedeckt worden ist.

Diese Fragen lassen sich leider überhaupt nicht schlüssig beantworten. Möglicherweise dient der Kellenstrich als Haftbrücke, als eine Art Vorbereitungsschicht für den nachfolgenden Verputz. Die Pietra rasa mit Kellenstrich findet sich in ganz Europa und den angrenzenden Einflussgebieten Kleinasien und Nordafrika. Seit der Antike bis heute ist die Pietra rasa ein ganz normaler, notwendiger Arbeitsgang. Der Kellenstrich hingegen ist von der Antike bis in das Frühmittelalter nur gelegentlich, in der Romanik regelmässig, belegt. Im Laufe der Spätromanik verschwindet der Kellenstrich und findet sich erst wieder im 19. und 20. Jahrhundert an Garten- und Stützmauern. Auffallend ist, dass ab dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts und im 13. Jahrhundert vermehrt nur noch horizontal verlaufende Kellenstriche zu finden sind. Die Analyse, ob am Mauerwerk die Pietra rasa mit Kellenstrich von Anfang an auf Sicht bestimmt war, verlangt grosse Erfahrung und ist nicht selten nur mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen eindeutig belegbar.

Folgende Kriterien entscheiden mit, ob so behandelte Maueroberflächen bewusst auf Sicht hin geschaffen worden sind, oder nicht:

  • Der Verputz der Pietra rasa zeigt eine Patina und Verwitterungsschäden, wie sie nur entstehen können, wenn er über lange Zeit eine eigentliche Oberfläche war. Zum Beispiel: Natürliche Vorkommen von eisenschüssigem Material im Kalk und Sand der Mörtelmischung verfärbt den Verputz an der Oberfläche. Sie erhält eine leicht rötlich gelbliche Farbe durch die Bildung von Eisenhydroxid. Irreführend könnte allerdings der Umstand sein, dass man Fehlstellen untersucht hat, weil der originale Deckputz durch Abwitterung partiell verloren ging und das Mauerwerk daher längere Zeit offen blieb.
  • Der Kellenstrich der Pietra rasa ist zusätzlich noch mit Farbe hervorgehoben worden, wofür Beispiele aus römischer und romanischer Zeit erhalten sind.
  • Die Pietra rasa wird mit dickem Mörtelauftrag ausgeführt, so dass aufmodellierte Quader entstehen, wenn horizontale und senkrechte Kellenstriche hinzugefügt werden. Nicht bestimmbar, ausser durch Archivalien, wäre die Situation, wenn bereits das Gebäude benutzt wurde, bevor es verputzt worden ist, z.B. aus finanziellen oder anderen Gründen. Ebenso schwer lässt sich die Situation beurteilen, wenn während späterer Epochen, vor allem im 19. Jahrhundert, durch euphorische, romantische Auffassungen an einem Gebäude sämtliche vorhandene Verputze und Farbfassungen geopfert worden sind, um das Mauerwerk zu zeigen.

Von den vielen bekannten Beispielen sollen hier in zeitlicher Reihenfolge nur einige typische vorgestellt werden. Besonders eindrücklich sind die Befunde an den 1.2 bis 1.6 m hoch erhaltenen Umfassungsmauern, die sich an den römischen Thermen des 1./2. Jahrhunderts in Badenweiler (BRD) finden. Es handelt sich um ein aus kleinen Kalksteinquadern errichtetes Mauerwerk, auf dem zwei zeitgleiche Pietra rasa mit Kellenstrichen übereinander liegen. Die exakt ausgeführten horizontalen und vertikalen Kellenstriche liegen genau über den wirklichen Stoss- und Lagerfugen. Die erste Lage greift nur wenig von den Fugen über die Steinränder und bildet die Haftbrücke für die zweite Lage, die auf Sicht bestimmt ist. Die sichtbaren horizontalen und vertikalen Kellenstriche sind mit rotem Ocker in Fresco-Technik nachgezogen und setzen über einem 70 cm hohen, rot bemalten Putzsockel an. Der Mörtel des Sockels enthält 4 bis 8 mm grosse Ziegelschrot-Körner und ist sorgfältig im Lot aufgetragen und dicht abgeglättet. Nicht auf Sicht bestimmt ist ein weiteres Beispiel in Martigny (CH), im römischen Octodurus, das 1978 im Gebiet Aux Morasse ausgegraben worden ist. Hier liegt ein, in mehr oder weniger regelmässigen Abständen, nur horizontal gezogener Kellenstrich auf einer Pietra rasa, die die Steinköpfe nahezu vollständig zudeckt. Hermann Phleps erwähnt in "Die farbige Architektur bei den Römern und im Mittelalter" ebenfalls römische Beispiele, u.a. in Köln an Wachtürmen des rechtsrheinischen Grenzwalles, eine auf Sicht bestimmte Pietra rasa mit Kellenstrich, die mit Ocker rot nachgezogen worden ist.

An der karolingischen Klosterkirche St. Johann in Müstair (CH), befinden sich nicht auf Sicht bestimmte, horizontale Kellenstriche über den Lagerfugen, bei den Eckquadern und entlang der Bogenabschlüsse der Fenster.

Einige Beispiele seien vertretend für das 11. Jahrhundert aufgeführt. In der Vorhalle der Kirche Oberzell, auf der Insel Reichenau (BRD), liegt auf dem Mauerwerk aus Feld- und Lesesteinen eine Pietra rasa, deren Verputz weit gegen die Mitte der Steinköpfe verteilt ist. In die frische, gut geglättete Pietra rasa hat man sofort Kellenstriche mit horizontalem, senkrechtem und diagonalem Verlauf gezogen. Das zweite, ähnliche Beispiel befindet sich in der Hospizkapelle San Romerio, nahe von Poschiavo (CH). Bei diesen beiden Objekten gibt es keine Anhaltspunkte, ob die Pietra rasa auf Sicht bestimmt war, oder nicht.

Das dritte Beispiel, das sich im Treppenschacht zum Norbertsaal im Kloster Müstair befindet, zeigt durchschnittlich 16x10 cm grosse, mit Kellenstrichen zurechtgeschnittene Mörtelquader, die auf Sicht bestimmt sind. Die Steinköpfe sind nahezu total mit Verputz zugedeckt. Eines der eindrücklichsten Beispiele des 11. Jahrhunderts dürfte die Stadtkirche von Stein am Rhein (CH) bieten. Dort sind an der äusseren, südlichen Obergadenwand unter Dekorationen des 14., 17. und 18. Jahrhunderts grosse Bestände der ursprünglichen Fassadengestaltung erhalten. Sie zeigt ein Sichtmauerwerk aus Lesesteinen mit Pietra rasa und Kellenstrich, das präzise den Stoss- und Lagerfugen folgt. Den Fensterbögen entlang, die mit zurechtgehauenen Tuffsteinen geschaffen sind, hat man die Kellenstriche mit Kalk weiss nachgezogen. Der Bogenfries, mit Tuffsteinen geformt, wie die dazugehörenden Konsolen aus Ziegelsteinen, erhielten ein rot gefasstes Intonaco. Die Bogenfläche des Frieses ziert eine ebenfalls rote Dekoration, dicht bestimmt sind. Die Steinköpfe sind nahezu total mit Verputz zugedeckt. Eines der eindrücklichsten Beispiele des 11. Jahrhunderts dürfte die Stadtkirche von Stein am Rhein (CH) bieten. Dort sind an der äusseren, südlichen Obergadenwand unter Dekorationen des 14., 17. und 18. Jie nur lesbar wäre, wenn man die darüberliegende Malerei des 14. Jahrhunderts opfern würde, was aber nicht zu verantworten ist.

Stellvertretend für das 12. Jahrhundert sei hier die Ulrichkapelle im Kloster Müstair und die Pfarrkirche von Zillis, beide im Kanton Graubünden (CH), aufgeführt. Die hier eindeutig auf Sicht bestimmten Kellenstriche sind mit Kalk nachgezogen.

Besonders eindrücklich ist die aus gleicher Zeit stammende, sich in Graubünden befindende, Kirche von Pitasch. Diese Kirche besteht aus einem rechteckigen, flachgedeckten Schiff und einer halbrunden Apsis, die aussen durch je zwei Blendbögen, mit vorgesetzten Halbsäulen, gegliedert ist. Das Mauerwerk zeigt regelmässige Lagen von teilweise im Ährenverband gemauerten Fluss- und Bruchsteinen. Nur Architektur betonende Elemente, wie Tür-, Fenstereinfassungen und Blendbögen, bestehen aus sorgfältig behauenem Tuffstein. Das bis zu 80% erhaltene Originalmauerwerk zeigt aussen wie innen, eine auf Sicht bestimmte Pietra rasa mit Kellenstrich, mit senkrechter, waagrechter und beim Ährenverband auch in diagonaler Ausführung. Die Kellenstriche, über den Fugen zu den Werkstücken aus Tuffstein, sind bei den Türen-, Fenster- und Blendennischenbögen mit Kalk weiss nachgezogen. Erst im 14. und 15. Jahrhundert, am Äusseren, Teile der Nord- und Westwand sowie im Inneren, die Apsis und die Chorschulterwand, wurde ein einschichtiges Intonaco, das mit Wandmalereien ausgestattet wurde, gefunden. Noch in mittelalterlicher Zeit ist bei Ausbesserungen von Fehlstellen am Äusseren die Pietra rasa ergänzt worden. Die Kellenstriche sind allerdings nur noch willkürlich horizontal gezogen und nicht mehr wie die ursprünglichen, entsprechend den Lagerfugen.

Ein schönes Beispiel, wo der Kellenstrich auf der Pietra rasa den präzisen Stoss- und Lagerfugen folgt, findet sich am Äusseren der Friedhofskapelle in Oberstenfeld, Baden-Württemberg (BRD). Die wunderschöne Arbeit war nie auf Sicht bestimmt und ist gleich mit einem Einschichtputz zugedeckt worden.

Für das 13. Jahrhundert ist ein eindrückliches Bauwerk mit dem Beweis für die europäische Verbreitung der Fugenbearbeitung bezeugt, nämlich die Katharinenkirche in Lübeck (BRD). Im Innern sind die Stoss- und Lagerfugen des Ziegelsteinmauerwerks mit einem Netz von Kellenstrichen überzogen. Die über den Kellenstrichen liegende Kalkschlämme zeigt, dass die Fugenbehandlung von Anfang an keine Sichtbestimmung hatte.

Ebenfalls sofort mit einem Einschichtputz zugedeckt sind die nur horizontal verlaufenden Kellenstriche an der Aussenwand des Hospiz Chapella in Susauna im Engadin und der ehemaligen Klosterkirche Churwalden, beide im Kanton Graubünden (CH).

Richtige Fundgruben befinden sich im lombardischen Castel Seprio mit Beispielen des 11. und 12. Jahrhunderts. Ob diese Beispiele auf Sicht bestimmt waren, oder gleich zugeputzt wurden, bleibt offen.

In Bormio, einer kleinen Stadt im oberen Veltlin, sind ganze Häuserreihen mit Pietra rasa und Kellenstrichen des 12. und 13. Jahrhunderts zu bewundern. Sie sind alle auf Sicht bestimmt und imitieren über einem Bruchsteinmauerwerk mit unregelmässigem Fugenverlauf ein regelmässiges Fugenbild.

Aufmodellierte Mörtelbänder:

Die in Pietra rasa-Technik geschlossenen Mauerfugen werden mit einem zusätzlichen Mörtelauftrag überdeckt. Die Auftragsstärke variiert je nach Unebenheit eines Mauerwerkes zwischen 5 bis 25 mm und mehr. Die Oberfläche des Putzes wird intesiv geglättet und auf die gewünschte Breite geschnitten. Gelegentlich sind diese Mörtelbänder mit Kalk weiss gefasst worden.

In Kleinasien gibt es Objekte, wo diese Präzisionsarbeit sofort zugeputzt worden ist. Nur zwei der mir bekannten Objekte seien erwähnt. Das älteste befindet sich in Hah (Ost-Türkei) an der Ruine der frühchristlichen Kirche des 5. Jahrhunderts. Im 13. Jahrhundert entstand das zweite Beispiel an den Aussenwänden des Felsenklosters Sumela bei Trapezunt. Ebenfalls nicht auf Sicht bestimmt, sind die Ausführungen an den Wänden des Kreuzganges der Dominikanerkirche in Bozen (I).

Die in Osteuropa und im Alpenraum erhaltenen Objekte sind, im Gegensatz zu jenen in Kleinasien, in der Regel auf Sicht bestimmte Ausführungen. Sie zeigen Sichtmauerwerke, und die hinzugefügten Mörtelbänder evozieren nicht selten ein Präzisionsmauerwerk, das in Wirklichkeit durch die Verwendung von Bruchsteinen gar nicht vorliegt. Diese Arbeiten sind Weiterentwicklungen der Pietra rasa mit Kellenstrich. Während die meisten Ausführungen von Mörtelbändern ganze Fassadenflächen überzogen, gesellen sich im 13. und 15. Jahrhundert Beispiele hinzu, wo nur die Bereiche der Eckquader mit solchen Zierden versehen sind.

Die folgenden, auf Sicht bestimmten Beispiele, vertreten die Tradition römischer Vorbilder, ein geordnetes Quadermauerwerk zu evozieren. Ein besonders eindrückliches und frühes aus dem 7./8. Jahrhundert, befindet sich an der Westfassade der frühmittelalterlichen Kirche St. Martin in Cazis im Kanton Graubünden. Es sind Reste aufgesetzter, zurechtgeschnittener und mit Kalkweiss nachgezogener Mörtelbänder. Diese Fassade wird durch drei Blendnischen zwischen Lisenen gegliedert. Über den Kämpfern wird die Gliederung mit Wandpfeilern fortgesetzt. Mauerwerk und Architekturgliederungen bestehen aus Bruchsteinen, die Entlastungsbögen aus Tuffsteinquadern. Die Wandflächen zeigen Pietra rasa mit horizontalen und vertikalen Kellenstrichen. Die Lisenen, Kämpfer und Wandpfeiler hingegen sind mit einer 5 bis 8 mm dicken Mörtelschicht verputzt. Darüber liegen die mit Kalkputz aufgetragenen und zurechtgeschnittenen Mörtelbänder. Mit diesen Bändern wurde ein Fugenbild geschaffen, wobei nur die horizontal gestalteten Lagerfugen den tatsächlichen entsprechen. Die Kämpferflächen zieren Symbole. Der Mörtel für die Bänder ist ca. 5 mm dick und geglättet, weiss getüncht und genau 15 mm breit zurechtgeschnitten. Aus Konservierungsgründen ist der Bestand bis auf eine kleine Referenzfläche im Kämpferbereich, bei der Restaurierung 1972 wieder zugedeckt worden.

In Stalden (Kanton Wallis) finden sich am Haus Venet, einem Wohnturm des 14. Jahrhunderts, aufgesetzte Mörtelbänder auf den Lagerfugen über einer rauhen, nur knapp geglätteten Pietra rasa. Nur an den Eckquadern, angeordnet im Läufer- und Binderverband, sind vertikale Mörtelbänder zu beobachten. Die bis zu 15 mm dicken und zirka 40 mm breiten Bänder sind seitlich nicht zurecht geschnitten. Teilweise laufen sie vom aufmodellierten Band in leicht vertiefte Rillen aus, die mit der Kelle in den frischen Verputz gepresst worden sind.

Das Demitrioskloster, genannt Marco-Kloster, 1376 bis 1381, in Skoplie, zeigt an den Aussenfassaden ein Sichtmauerwerk aus Bruchsteinen und Flachziegeln als Ausgleichschicht. Die Mauerfugen sind mit ca. 1 cm dicken und mit 5 cm breiten Mörtelbändern überdeckt, von denen noch Reste an der Nordfassade erhalten sind.

In Poschiavo, im Kanton Graubünden, sind gleich an zwei Objekten Mörtelbänder erhalten, nämlich am Turm der Pfarrkirche San Vittore und an den Fassaden des Torre Comunale. Der Turmschaft der Pfarrkirche vom 13. Jahrhundert, wie das von 1497 hinzugefügte Geschoss, blieben bis auf die Gurtfriese unverputzt. Der ältere Turmteil zeigt Bruchsteinfassaden mit sehr unregelmässig geschichteten Lagen, deren Fugen in Pietra rasa-Technik geschlossen sind. Am Turmaufsatz von 1497 sind die horizontalen Lagerfugen der Eckquader mit aufmodellierten und zurechtgeschnittenen Mörtelbändern geschlossen. Ein ähnliches Bild zeigt der ehemalige Wohnturm und das im Norden anschliessende Gebäude des 13. Jahrhunderts, heute das Rathaus. Die Fassaden haben ein Sichtmauerwerk, dessen Fugen mit Pietra rasa geschlossen und mit horizontalen, wie senkrechten Kellenstrichen versehen sind. Im 15./16. Jahrhundert hat man die ursprüngliche Pietra rasa mit einem Netz von 10 bis 15 mm starken und durchschnittlich 50 mm breiten, zurechgeschnittenen Mörtelbändern zugedeckt. Sie folgen relativ genau den Lagerfugen, den Stossfugen nur dort, wo die Fuge dem angestrebten Fugenbild entspricht um illusionistisch ein regelmässiges Quadermauerwerk darstellen zu können.

Der Verputz: Aufbau und Oberflächenstrukturen

Es sotra rasa geschlossen und mit horizontalen, wie senkrechten Kellenstrichen versehen sind. Im 15./16. Jahrhundert hat man die ursprüngliche Pietra rasa mit llen hier nicht technologische Hinweise betreff Granulation der Zuschlagstoffe und Mörtelmischungen präsentiert werden, sondern die verschiedenen Oberflächenstrukturen des Intonacos. Die gestalterischen Möglichkeiten mit Verputz sind ausserordentlich reich. Zur optischen Wirkung des Intonacos haben auch die dem Bindemittel beigemengten Zusätze wie Farbe, Holzkohle oder Ziegelschrot, aber auch die Korngrössenverteilung des Sandes, einen bestimmenden Einfluss. Stilbestimmendes Element am Intonaco ist vor allem dessen Oberflächenstruktur. Ob mit der Kelle angeworfen, geglättet, ob mit dem Jutesack dressiert oder mit der Bürste aufgeschlämmt, jedesmal wird das Aussehen des Intonacos ein anderes sein. Aufmodellierungen, Kerben, Abdrücke oder Rillen, die Zahl der Möglichkeiten, mit der eine Intonacooberfläche gestaltet werden kann, ist nahezu unbegrenzt, ebenso wie die hierzu verwendeten Hilfsmittel und Instrumente.

Im Aufbau eines Putzes unterscheiden wir zwischen dem Ein- und Mehrschichtputz. Bis zur frührömischen Zeit finden wir weitgehend nur den Einschichtputz. In römischer Zeit gibt es in Europa praktisch nur noch Mehrschichtputze. Diese Entwicklung läuft parallel mit der anspruchsvoller werdenden Technik der Freskomalerei. Ein Mehrschichtputz, nass in nass angefertigt, ist die entscheidende Voraussetzung, für eine ideale Karbonatisierung der Freskomalerei mit dem Intonaco. Ab frühchristlicher bis in die spätromanische Zeit finden wir vermehrt wieder Einschichtputze, vor allem im Alpenraum und im Norden Europas. Dies gilt allerdings nicht für Byzanz und dessen Einflussgebiet. Dass die Mehrschichtputze ab dem 13. Jahrhundert wieder aufkamen und in den Regionen der Alpensüdseite und im mediterranen Bereiche nicht mehr wegzudenken sind, hat hauptsächlich zwei Gründe.

  1. Die Freskomalerei ist in diesen Gebieten eine sesshafte Tradition geworden.
  2. Mehrschichtputze kommen dem Streben entgegen, stark bewegte Maueroberflächen, wie sie entstehen, wenn zum Bauen Bruch- oder Lesesteine verwendet werden, zu egalisieren.

Die Art des Mauerwerks ist daher in hohem Masse für den daraufliegenden Verputz oberflächenbestimmend.

  • Ein Einschichtputz auf Mauern aus Roll- oder Flusssteinen zeigt eine wellige Oberfläche; die Horizontallagen der Mauersteine lassen sich an der verputzten Oberfläche ablesen.
  • Bei einem Bruchsteinmauerwerk wirkt die Oberfläche des Einschichtputzes unregelmässig. Die Steinlagen lassen sich einigermassen erkennen.
  • Auf Ziegelmauerwerk und einem solchen aus Werksteinen wirkt die Intonacooberfläche des Einschichtputzes im allgemeinen eben. Die Art des Mauerverbandes lässt sich allenfalls bei starkem Streiflicht erkennen.
  • Bei einem Aufbau, bestehend aus Arriccio und Intonaco, ist der Charakter des Mauerwerkes kaum mehr erkennbar.
  • Erst in barocker Zeit ist in ganz Europa der Mehrschichtputz nicht mehr wegzudenken.

Im Mittelalter diente der Verputz weitgehend als Träger für Wandmalereien und als Schutzschicht des Gebäudes. Die oft vorkommenden rauhen Putzstrukturen an gotischen Bauten des 15. Jahrhunderts waren in der Regel nicht auf Sicht bestimmt, sondern dienten später nachfolgenden Putzaufträgen als Haftbrücke. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die drei im Mittelalter gebräuchlichsten Putzstrukturen das Produkt einer normalen technisch bedingten Applikationsweise sind. Die Oberflächenbehandlungen sind: den Mörtel anwerfen - das Zuviel mit der Kelle abziehen - das so mit der Kelle behandelte Intonaco abkellen, auch Vorglätten genannt. Die drei sich ergebenden Oberflächenstrukturen, die seit dem 15. Jahrhundert, vor allem aber in der Spätgotik, auch einzeln mit Sichtbestimmung ausgeführt wurden, sind im Grunde genommen die nötigen Arbeitsabläufe, die zur vierten Variante führten, eine gut geglättete Intonacooberfläche zu erhalten, die entweder naturbelassen, oder mit Kalk weiss gestrichen worden ist.

Ab der Spätgotik, vor allem aber seit der Renaissance, begann man diese einfachen Putzstrukturen gestalterisch einzusetzen. Bewusst wurde mit verschiedenen Strukturen an den Grundflächen und Gliederungselementen der Bauten gearbeitet.

So wird zum Beispiel:

  1. Der Putz an Lisenen, Pilastern, Gurten, Gesimsen und Fenstereinfassungen geglättet und weiss getüncht und so zu den rauhen, naturbelassenen, rustikalen Wandflächen in Gegensatz gestellt. Die Wandflächen zeigen Strukturen, wie sie entstehen, wenn der Mörtel angeworfen und so belassen bleibt.
  2. Durch Anwerfen, mit der Kelle das Zuviel abgezogen und so belassen.
  3. Nach dem Anwerfen und Abziehen wird die Putzoberfläche mit der Kelle abgekellt, leicht angeglättet.

Diese Strukturen sind grundverschieden im Aussehen. Auch die gleichzeitig im Süden der Alpen aufkommende Sgraffito-Technik ist in diesem Zusammenhang zu sehen.

In barocker Zeit werden diese Putzstrukturen erweitert. Man beginnt schwer zu beschaffendes, kostbares Steinmaterial zu imitieren. Es entstehen ganze Fassaden mit Rustikaquaderwerk, die nicht aus Stein, sondern aus Verputz bestehen, deren Oberfläche nicht selten mit eigens hierzu entwickelten Werkzeugen geschaffen worden ist. So gesellte sich zur bisher üblichen Kelle im 16./17. Jahrhundert das Nagelbrett und der Besenbund hinzu, mit denen sich täuschend ähnlich die Oberflächenstruktur von Werksteinen aus Quelltuff und Rauhwackensteine imitieren liessen. Solche Imitationen finden sich häufig im Veltlin, der Region Brescia und in den Südtälern des Kantons Graubünden, so vor allem im Unterengadin und im Puschlav, wo sie im 17. Jahrhundert an Kirchen, Bürger- und Bauernhäusern zu finden sind. Ein eigentliches Zentrum für solche Dekorationen scheint der Kanton Wallis gewesen zu sein. In den Ortschaften, Brigglis, Leuk, Susten, Salgenen, Turtmann, Visp und Gampinen finden sich viele datierte Beispiele, die zwischen 1615 und 1625 entstanden sind.

Diese neuartige Auffassung von Fassadengestaltung mit Verputz wird zusammen mit Architekturformen und Raumideen des Barocks in den Norden und Osten Europas getragen. Wesentlichen Anteil an dieser Vermittlung hatten die Baumeister und Stukkateure der Mesolcina, des Tessins und die sogenannten Comasken. Sie standen stark unter dem Einfluss von Werken Palladios und des aus dem Tessin stammenden Borromini. In wie weit hier auch die sogenannten Prismeler mitgewirkt haben, ist noch Gegenstand der Forschung. Weitere Instrumente, um bestimmte Effekte und Werkspuren von Steinmetzwerkzeugen zu imitieren, sind der Kamm, womit man in der Regulakirche in Chur 1504 in den Schlämmputz der Gewölberippen Scharrierarbeiten des Steinmetzes imitiert hat. Ferner finden wir den Spachtel, das Zahneisen und feine Meissel des Steinmetzes, wie dies an zwei Palazzi des 17. Jahrhunderts der Herren von Salis im graubündnerischen Bregaglia belegt ist.

Schon im 16. Jahrhundert war Gewebe aus Jute verwendet worden, mit dem, zu einem Knäuel geformt, abriebähnliche Strukturen entstanden. Die Jute wurde vor allem an einschichtig verputzten Fassaden mit stark bewegter Oberfläche verwendet, wie sie bei Mauern vorkommen, die mit Bruch- oder Lesesteine geschaffen worden sind. Juteknäuel fügen sich besser der Maueroberfläche an, als die Talosche.

Eine bedeutende Erfindung ist der sogenannte Besenwurf. Die ältesten Beispiele dieses Besenwurfes finden sich in der Schweiz ab Mitte des 18. Jahrhunderts und sind teilweise sogar mit rotem Ocker eingefärbt. Dies ist eine der beliebtesten Applikationsarten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Norden der Alpen. Es verwundert daher nicht, dass für diese Putzart, wohl im 19. Jahrhundert, ein rationalisierendes Gerät erfunden worden ist, der sogenannte Wormser, mit dem der Besenwurf täuschend ähnlich imitiert werden kann. Für alle Putzstrukturen muss der Intonacoauftrag frisch sein. Für den Besenwurf und ebenso für den Wormser muss zuerst ein flach abgeriebenes Arriccio aufgetragen werden, damit diese Art von Struktur sich gut plastisch absetzen kann. Damit dieser Verputz auf dem Arriccio einwandfrei haftet, ist ein Auftrag nass in nass nötig. Schlecht ist es, wenn der Auftrag auf das frisch applizierte Arriccio folgen würde, Schwundrisse wären das Resultat.

Schliesslich isthunderts im Norden der Alpen. Es verwundert daher nicht, dass für diese Putzart, wohl im 19. Jahrhundert, ein rationalisierendes Gerät erfunden worden ist, der sogenannte Wormser, mit dem der Besenwurf täuschend ähnlich imitiert werden kann. Für alle Putzstrukturen muss der Intonacoauftrag frisch sein. Für den Besenwurf und ebenso für den Wormser muss zuerst ein flach abgeriebenes Arriccio aufgetragen werden, damit diese Art von Struktur sich gut plastisch absetzen kann. Damit dieser Verputz auf dem Arriccio einwandfrei haftet, ist ein Auftrag nass in nass n noch der Riesel- und der Kieselwurf zu nennen, die sich wohl aus der italienischen Grottenkunst des 16. und 17. Jahrhunderts entwickelt haben und mit dem heutigen Waschbeton optisch vergleichbar ist. Diese Technik, mit der vom 16. bis Anfang des 20. Jahrhundert ganze Wände eingekleidet und Steinquaderabfolgen imitiert worden sind, verlangt wie der Besenwurf ein noch feuchtes Arriccio als Unterlage.

Katalog der belegten historischen Putzstrukturen

1. Mit der Kelle angeworfen und belassen

Die Beispiele dieser Putzart mit Sichtbestimmung, lassen sich ab der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts belegen. Nur an wenigen Objekten ist sie noch zu finden, so im südlichen und zentralen Alpenraum. Seine feine und bald grobe Struktur ist abhängig von der verwendeten Korngrössenverteilung. Alle erfassten und untersuchten Beispiele sind Einschichtputze und sind nicht gestrichen.

2. Mit der Kelle angeworfen, abgezogen und belassen

Diese Putzart finden wir im ganzen Alpenraum seit Ende des 15. Jahrhunderts an spätgotischen Kirchenfassaden und noch im 19. Jahrhundert an Schlössern, Bürger- und Bauernhäusern. Im 16. bis 18. Jahrhundert finden wir grob strukturierte und naturfarben belassene Oberflächen als idealen Kontrast zu geglätteten und weiss getünchten Architekturgliederungen. Keine andere Putzart ist von Objekt zu Objekt so verschieden in der Struktur. Dies durch die individuelle Handschrift des Maurers und durch die unterschiedlichen lokalen Sandvorkommen. Bei Fassaden mit dieser Putzart bleiben die Pontate und Giornate wie die Kellenführung des Maurers besonders gut sichtbar. Zum Abziehen des zuviel aufgetragenen Mörtels, wird die Kelle im rechten Winkel zur Wand geführt. Die erfassten Objekte zeigen mehrheitlich Einschichtputze.

3. Mit der Kelle angeworfen, abgezogen, abgekellt und belassen

Seit dem 9. Jahrhundert, vorallem aber ab Mitte des 15. Jahrhunderts, finden wir diese Putzart in ganz Europa, sowohl als Einschicht-, wie auch als Mehrschichtputz. Im 16. und 17. Jahrhundert finden wir ihn im ganzen Alpenraum an Wandflächen, vorwiegend naturfarben belassen, als Gegensatz zu plastisch gestalteten und weiss gestrichenen Architekturgliederungen und Sgraffiti. Der Arbeitsablauf ist, den Mörtel anwerfen, das Zuviel abziehen (wie die Pos. 1 und 2) und nachher sofort die Kelle flach, nahezu parallel zur Wand halten und auf diese Weise den Mörtel leicht anglätten. Auch bei dieser Putzart lassen sich Pontate, Giornate wie auch die Handschrift des Ausführenden gut ablesen. Die applizierten Arbeitsportionen (4 bis 5 Kellenportionen) müssen sofort ineinander und in die vorher aufgetragene Portion verarbeitet werden. Heute wird diese Putztechnik viel mit Fertigprodukten kopiert und übertrieben rustikal ausgeführt. Diese pseudorustiko Intonacos sind optisch gegenüber den originalen Vorbildern scheusslich, sie erhielten den Beinamen Klosterputz.

4. Mit der Kelle direkt aufgezogen und belassen

Diese Putzart ist zum Verwechseln ähnlich mit der Struktur, wie sie entsteht, wenn der Mörtel mit der Kelle angeworfen und abgzogen (Pos. 3) wird. Sie unterscheidet sich durch die senkrechte Kellenführung, gegenüber dem mit der Kelle angeworfenen und abgezogenen Auftrag, der senkrechte, diagonale und teilweise waagrechte Kellenführungen aufweist. Die im südlichen Alpenraum seit dem 16 Jahrhundert verbreitete Putzart wirkt etwas dilettantisch im Sinne von do-it-your-self". Der Mörtel wird in kleinen Portionen auf die Rückseite der Kelle genommen und von unten nach oben auf die Mauer aufgezogen. Am unteren Teil des Turmschaftes (13. Jahrhundert) von San Vittore in Poschiavo, ist auf diese Weise die Pietra rasa ausgeführt worden.

5. Mit der Kelle angeworfen, abgezogen, abgekellt und geglättet

Schon die Definition dieser Putzart sagt aus, dass sie durch vier verschiedene Arbeitsphasen entsteht, wovon jede dieser Phasen in sich eine Selbstständige sein kann (siehe Pos. 1 bis 3). Der Putz kommt sowohl als Einschicht- wie auch als Mehrschichtputz vor. In der Regel ist er mit Kalk weiss getüncht, selten naturbelassen. Die geglättete Putzoberfläche hat sich seit dem Altertum bis zur Frührenaissance gehalten. In Byzanz und dessen Einflussgebiet hat man diese Putzart traditionsgemäss bis Anfang des 20. Jahrhunderts ausgeführt. Die Glättung der Intonacooberfläche erfolgt erst einige Zeit nach dem Abkellen. Wird zu früh geglättet, nämlich, wenn der Verputz noch nicht steif genug ist, wird zuviel Calciumhydroxid und Feinbestandteile des Zuschlagstoffes an die Oberfläche gepresst, die dort die Poren verdichten. Dadurch dringt nicht genug Kohlensäure in die Putztiefe, wo daher die Calciumkarbonatbildung ungenügend ist. Eine saubere Glättung ist nur mit einer Kelle möglich, die vorne gerundet ist, der sogenannten Mailänder- oder Zungenkelle.

6. Abgekelltes oder geglättetes Intonaco, das mit der Kalkbürste dressiert wird

Diese Putzstruktur finden wir oft ab Mitte des 16. Jahrhunderts im nördlichen Alpenraum. Sie ist aber bereits 1437 am Lettner der Valeriakirche in Sion, Kanton Wallis belegt. Wenn das Intonaco leicht druckfest geworden ist, hat man die geglättete Oberfläche mit der Bürste dressiert. Dazu wurde stark verdünnter Sumpfkalk verwendet. Diese Struktur wird oft mit dem Abrieb verwechselt.

7. Abgekelltes oder geglättetes Intonaco das mit Jute abgesackt wird

Auch diese Putzstruktur verlangt, dass man wartet, bis das anglättete Intonaco druckfest ist. Danach wird mit dem nassen Juteknäuel die Intonacooberfläche mit Abriebbewegungen dressiert. Diese, dem Abrieb mit der Talosche ähnliche Struktur folgt der natürlichen Oberflächenbewegung der Mauer. Arbeitet man mit der Talosche, geht die Welligkeit verloren, denn die Oberfläche wird planiert. Die ersten belegten Beispiele finden sich ab dem 17. Jahrhundert im Norden der Alpen.

8. Der historische Abrieb

Auf Sicht bestimmt finden wir diese Putzstruktur erst im 17. Jahrhundert. Doch schon in Herculaneum und Pompeji ist er im 1. Jahrhundert auf Arricciooberflächen zu beobachten. Für diese Putzart ist ein Mehrschichtputz unerlässlich und eine einigermassen plane Oberfläche Voraussetzung. Das Intonaco muss auf das nicht frische, aber noch feuchte Arriccio appliziert werden. Wichtig ist, dass vor der Ausführung des Abriebs mit der Talosche oder dem Brettchen das Intonaco geglättet wird. Das Aussehen der Oberfläche ist nicht vergleichbar mit dem modernen Abrieb.

9. Der moderne Abrieb

Die verwendeten Bindemittel dieser Putzart entsprechen nicht der historischen Variante. Anstelle von Sumpfkalk wird Zement, hydraulischer Kalk und wenig Kalkhydrat verwendet. Da diese modernen Bindemittel beim Abbinden stark schwinden, muss das Arriccio gut abgebunden sein, bevor das Intonaco appliziert wird. Dies ist der Grund warum die Strukturen des modernen Abriebs anders aussehen, als der historische. Beim Ausführen dieser Abriebart rollen die Sandkörner auf dem hart abgebundenen Arriccio, es entstehen typische Rillen.

10. Abgekelltes Intonaco mit Kalkschlämme versehen

Schon Anfang des 16. Jahrhunderts finden wir diese Putzart im Norden der Alpen. Im Süden der Alpen konnte bis jetzt noch kein Beispiel dieser Art gefunden werden. Auf das abgekellte frische, aber bereits druckfest gewordene Intonaco, werden nass in nass ein bis zwei Lagen einer Kalkschlämme mit dem Pinsel aufgetragen. Die Konsistenz dieser Schlämme, bestehend aus Sumpfkalk und Sand, ist so dünn, dass sie nicht mit der Kelle angeworfen, aber so dick, dass sie gerade noch mit dem Pinsel aufgetragen werden kann. Die Absicht dieser Putzschlämme ist, die rustikale Struktur der nur abgekellten und nicht ausgeglätteten Oberfläche zu egalisieren.

11. Der Besenwurf

Diese, bis jetzt erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts vorkommende Putzart, ist im Norden der Alpen erstaunlicherweise weit verbreitet gewesen, obwohl die Ausführung sehr aufwendig ist. Auf ein planes, geglättetes oder abgeriebenes Arriccio wird die Mörtelmasse mit einem Bund von Birkenzweigen aufgespritzt. Um eine einigermassen gleichmässig ruhige Oberfläche zu erhalten, muss der Auftrag ausgleichend zwt. Es finden sich nicht selten mit rotem Ocker eingefärbte Putze, doch in der Regel blieben sie naturfarben.

12. Der Wormserwurf

Der Aufbau und die Mörtelmischung entspricht der des Besenwurfes. Der Mörtel wird nur etwas dünner verarbeitet, weil er maschinell aufgetragen wird. Der Wormser ist ein Behälter mit einer Kurbel, an der Stahlfedern montiert sind. Mit diesen Stahlfedern, getrieben durch die Kurbel, wird die Mörtelmischung an die Wand geschleudert. Der Aufwand mit dem Wormser ist wesentlich geringer, als der für den Besenwurf, dem er täuschend ähnlich ist. Die ältesten belegten Beispiele finden sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

13. Der Riesel- und Kieselwurf

Die bis jetzt gefundenen Beispiele entstanden alle im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Dargestellt werden immer Steinquader-Imitationen für Lisenen und Sockelgeschosse. Ihr Aufbau verlangt wie beim Besenwurf ein planes Arriccio, auf das eine Mörtelmischung aus Rieselsand (8 bis 10 mm) oder Kiesel (18 bis 22 mm) mit Sandzuschlag (1 bis 4 mm) angeworfen wird. Der feine Sand dient zusammen mit dem Bindemittel als Klebemasse. Der Rieselsand und die Kiesel bilden die Steinstruktur. Als Bindemittel dienten im 19. Jahrhundert Sumpfkalk. Ende des 19. Jahrhunderts benutzte man hydraulischen Kalk und während der dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts vermehrt Gemische aus hydraulischem Kalk und Zement. In der Regel wurden rundkörnige Sande, selten gebrochenes Steinmaterial verwendet. Die recht dekorative Putzart dürfte ein rationalisierender Ersatz sein, für das aufwendige, ähnlich aussehende Verfahren, bei dem die Steine (Riesel- und Kieselstein) wie Mosaik in den frischen Haftmörtel gesetzt worden sind. Als Beispiel: die Fassadengestaltung am Schloss Favorite bei Rastatt in Deutschland und die Grottenkunst des 16. bis 17. Jahrhunderts in Italien.

14. Imitationen von Tuffsteinen oder Rauhwacken mit dem Nagelbrett

Diese Putzstruktur ist bereits in hochgotischer Zeit an diversen Häusern in Regensburg belegt, und von Jürgen Pursche ausführlich beschrieben. Die eigentlichen, häufigen Nachweise jedoch sind Fassadengestaltungen, die Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden sind. Beispiele des 18. Jahrhunderts sind spärlich. Die im 19. und 20. Jahrhundert ausgeführten Beispiele an Schlössern sind meistens Rekonstruktionen barocker Vorbilder. In ein dick appliziertes Intonaco werden sofort mit dem Nagelbrett Löcher gestupft. Anhand untersuchter Objekte konnte man feststellen, dass 20 bis 25 geschmiedete Nägel in einem Brettchen von 24 cm² Länge steckten. Selten waren die Abstände grösser. An wenigen Beispielen kann man ablesen, dass nicht wie üblich die Nagelköpfe, sondern auch mal die Nagelspitzen zum Stupfen benutzt worden sind. Wie sich an allen Beispielen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts belegen lässt, hat man das Intonaco (in das gestupft wurde) angeworfen und mit der Kelle abgezogen, es also rauh gehalten. Die Varianten des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen abgeriebene Oberflächen, zu präzis geformten Quadern und gestupfte Strukturen. Sie wirken daher langweilig und stereotyp.

15. Imitationen von Tuffsteinen und Rauhwacken mit dem Besenbund

Obwohl die eigentlich häufig belegten Beispiele erst Ende des 16. und 17. Jahrhunderts vorkommen, finden sich, laut Jürgen Pursche, in Regensburg nebst Ausführungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts auch solche der Hochgotik. Die Ausführung gleicht der mit dem Nagelbrett, nur wird der Besenbund dazu verwendet.

16. Imitationen der Werkspuren gekämmt, gestockt, gehackt, scharriert

Der Höhepunkt des Strukturierens von Putzen dürfte wohl die Imitation von Werkspuren der Steinmetzwerkzeuge sein. Der Phantasie waren da keine Grenzen gesetzt. Man benutzte hierzu richtige Steinmetzwerkzeuge, wie auch solche, die eigens hierzu entwickelt worden sind, deren Aussehen anhand der Arbeitsstruktur nur vermutet werden kann. Da solche Arbeiten ausserordentlich selten sind, liegen nur beschränkte Forschungsergebnisse vor. Die ersten Putzbearbeitungen dieser Art finden wir im 15. Jahrhundertgleich in mehreren spätgotischen Hallenkirchen, die im Kanton Graubünden von Voralberger Baumeistern, wie Baltasar Bilgeri, Andreas Bühler, aber auch von Stefan Klaim (Osttirol), geschaffen worden sind. An Gewölberippen, Triumphbögen und Diensten finden wir dünne schlämmenartige Putzüberzüge, in denen mit einem Kamm (Regulakirche Chur, 1504), oder mit einem feinem Spitzeisen (Klosterkirche Cazis, Ende 15. Jahrhundert) und mit anderen Werkzeugen Steinmetzspuren imitiert wurden. Diese Architekturelemente sind entsprechend der Tradition grau, teilweise gelb gefasst. Das Beil, die Spachtel und Hämmerchen mit Schneidflächen sind weitere Instrumente mit denen Intonacooberflächen im 17. bis 18. Jahrhundert strukturiert worden sind.

Eines der perfektesten Beispiele solcher Arbeiten finden wir an den Fassaden von zwei Palazzi des 17. Jahrhunderts der Herren von Salis. Eines in Bondo, das andere unweit davon, in Soglio, beide im graubündnerischen Bergell. Die durchschnittlich 18 mm erhabenen, aus den geglätteten und weiss getünchten Wandflächen abgesetzten, Eckquader und die unter den Fenstern durchlaufenden Gurtbänder sind mit Kalkputz geformt. Die statisch wichtigen Tür- und Fenstergewände sind aus grauem Gneis. In den bereits steif gewordenen, aber noch feuchten Verputz, hat man mit einem feinen Steinmeissel den Randschlag und mit dem entsprechenden Werkzeug die Innenflächen der Quader und Gurten gekörnt, genauso, wie die Steinmetze vorgehen. Man muss die Details schon von sehr nahe betrachten, um die ungestrichenen, echten Werksteine von den Imitationen unterscheiden zu können. Dass solche Imitationen noch im 19. Jahrhundert gepflegt wurden, belegt das letzte Beispiel. Das von Semper gebaute Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, im Stil der Neurenaissance, zeigt Architekturgliederungen mit Quader und Gurten aus Putz. Sie lassen sich von den ortsüblichen Molassesandsteinen überhaupt nicht unterscheiden, auch nicht die Oberflächenbearbeitung dieser Steinimitationen.

Literatur

Emmenegger Oskar:
Diverse Dokumentationen, Restaurierungs- Untersuchungsberichte: Kapelle Sta. Maria in Pontresina, Pfarrkirche St. Andreas in Chamues-chel, Kapelle San Gion in Celerina, Schloss Haldenstein, Kapelle San Rocco in Grono, Pfarrkirche in Mon, Pfarrkirche Pitasch, Evang. Pfarrkirche St. Ignatio Poschiavo, Torre Comunale Poschiavo, Kath. Pfarrkirche Poschiavo, alle MS im Archiv der Kant. Denkmalpflege Graubünden, in Chur. Schloss Wyher in Ettiswil, Jesuitenkirche Luzern, MS in Kant. Denkmalpflege Luzern, Valeriakirche Sion im Archiv der EKD Bern. Dies sind nur einige der vielen MS.

Emmenegger Oskar, Knöpfli Albert:
Das Farbgewand der reformierten Kirchen von Poschiavo in: Unsere Kunstdenkmäler XXIV/2, 1973.

Heidenreich, Jenny Willhelm:
Wörterbuch der Kunst, 1966, Stuttgart.

Koller Manfred, Bauer Willhelm:
Putz und Farbe in der Austro-italienischen Architektur um 1670 in: Rénnion de Camité de l'ICOM pour la Conservation, Madrid 1972.

Reclams Handbuch der künstlerischen Technik, Band 2, Wandmalerei, Mosaik, Stuttgart 1990.

Knoepf Hans:
Bildwörterbuch der Architektur, 1968, Stuttgart:

Lieb Norbert:
Barockkirchen zwischen Donau und Alpen, München 1953.

Poeschel Erwin:
Die Kunstdenkmäler Graubündens Band II 1937, Band II 1940, Band IV 1942, Band V 1945, Band VI 1945.

Pursche Jürgen:
Historische Putzbefunde in Bayern. Zu ihrer Typologie, Konservierung und Dokumentation. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, Jahrgang 2/1988, Heft 1, 1.7 5L-52.

 

Copyright © 1997 Oskar Prof. Oskar Emmenegger. All rights reserved.

 

Mauerwerk, Ausfugungen, auch Pietra rasa genannt, und Verputze können ein sehr verschiedenartiges Aussehen haben, das von Baumaterialien, vom handwerklichen Können sowie vom Zweck und der gewünschten Wirkung bestimmt wird. Da in den einzelnen Epochen der Architekturgeschichte an Mauerwerk und Verputzen gewisse feststehende Charakteristika zu beobachten sind, lassen sich mit vorsichtiger Beurteilung Stilelemente unterscheiden.

Erst seitdem die Denkmalpflege und die Restauratoren historische Bauten vor der Restaurierung eingehend untersucht haben und Restaurierungen mit wissenschaftlichen Methoden begleitet werden, unterscheidet man zwischen historischen und modernen Putzapplikationen. Der Unterschied fällt vor allem dort auf, wo sich innerhalb von historischem Putzbestand moderne Ausbesserungen befinden. Diese Feststellung gab den Anstoss, putztechnische Eigenheiten und länderspezifische Methoden zu sammeln und zu studieren. In der Literatur über Putz findet man meist nur die technologischen Voraussetzungen wie Siebkurve, Bindemittel, Füllstoffe, Mischverhältnisse, etc. Dass in historischer Zeit ein Verputz nicht einfach nur appliziert wurde, sondern meistens eine bewusst gestaltete Oberflächenstruktur erhielt, ist heutzutage nicht mehr genügend bekannt. Historische Bauten werden heute mehr denn je nach den für Neubauten gültigen Normen verputzt. Man geht bereits soweit, die Zusammensetzung, den Aufbau und die Struktur eines historischen Verputztes nach DIN-Vorschriften auszuführen. Welche Art von Malereien wären wohl entstanden, wenn man diese Kunst nach DIN normiert hätte ? Solche Vorschriften erlauben die Produktion von Fertigputzen und dienen dem Kommerz, nicht aber dem historischen Bau, der von individuellen Auffassungen bestimmt wird. Fassaden, nach dem modernen DIN-Normenprinzip verputzt, z.B. ein Fertigprodukt mit dem Aufbau Spritzwurf, Ausgleichsputz, Grundputz (Arriccio) und Deck- oder Sichtputz (Intonaco) mit einer Abriebstruktur, wirken monoton und spannungslos. Diese Erscheinung ist nicht dem Nichtkönnen oder der Gleichgültigkeit der Maurer und Gipser zuzuschreiben, sondern der Rationalisierung und eher der heutigen Berufsauffassung, die das Applizieren eines Mörtels im Lot fordert. Die handwerkliche Ausführung muss von oben bis unten in der Struktur des Abriebes gleichmässig und homogen sein, weder Pontate und andere Putznähte, wie die Handschrift des Maurers, dürfen abzulesen sein. Besonders bedauerlich ist, dass die modernen, überhand nehmenden Baumaterialien, die Kenntnisse, die Verwendung und Verbreitung der seit Jahrtausenden bekannten Werkstoffe verdrängten und dem Handwerker das Denken abnehmen und ihn zum wertlosen Applizierer degradieren.

Generell kann man festhalten:

Das Aussehen eines Verputzes ist in hohem Masse auch abhängig von der Mauerwerktechnik. Der Verputz ist bis zum Ende der Gotik weitgehend vom handwerklich Zweckmässigen her bestimmt, wo er zudem oft gänzlich als Träger für die Wandmalereien unterstellt ist. Seit der Spätgotik, vor allem aber der Renaissance, gewinnt der Verputz eine gewisse Selbständigkeit als Ausdrucksform und wird auf eine gewollte Wirkung hin gestaltet. Er ist historisch, nicht nur, wie es das 20. Jahrhundert gerne auslegt, Schutzhaut für das Mauerwerk, sondern wird gestaltendes Element einer Fassade, oder auch einer Innenwand.

Die folgenden Erläuterungen sind die Erkenntnisse systematischer Studien, die direkt an den Objekten während der letzten 25 Jahre vorgenommen worden sind. Viele dieser untersuchten Objekte haben inzwischen ihre historisch wertvollen Fassadengestaltungen verloren und eingetauscht mit einem monotonen Fertigputz, wie er überall in Europa, gleich einem Eintopfgericht, vorgefunden wird. Die bis jetzt festgestellten 28 verschiedenen Putzarten mögen zeigen, wie individuell die Oberfläche einer Fassade gestaltet sein kann. Sie dürfen aber kein Anlass sein, dass historische Fassadenverputze nun geopfert und ersetzt werden können, nur weil man weiss, wie sie zu rekonstruieren sind. Vielmehr soll dieser Beitrag helfen, historisch wertvolle Substanz von nicht brauchbarer zu unterscheiden, um sie durch eine sinnvolle Konservierung erhalten zu können.

Mauerwerk

Ein Mauerwerk kann je nach Epoche, nach handwerklichem Können, nach vorhandenem Material und den finanziellen Möglichkeiten ein unterschiedliches Aussehen haben. Gewöhnlich wurden Baumaterialien aus der nächsten Umgebung des Bauwerks gewonnen. Je nach Transportmöglichkeiten, beziehungsweise der Finanzkraft des Bauherrn, konnte das Einzugsgebiet erweitert werden, was im Allgemeinen nur zur Heranführung von besonders kostbaren Materialien geschah, welche zu wichtigen Werkstücken verarbeitet wurden. Waren speziell gewünschte Materialien nicht erschwinglich, sorgte die illusionistische Vorstellung eines Malers oder Maurers für Ersatz. Gemalter Marmor oder mit Mörtel gestalteter Tuff, perfekt imitiert, sollten das Originalmaterial vortäuschen. Nicht selten liess sich mit gemalten Materialimitaitionen weit mehr künstlerischer Reiz erzielen, als mit dem oft nur bescheidenen Farbenspiel des natürlichen Baumaterials.

Vom Material und der Bearbeitung her unterscheidet man zwischen Bruchstein-, Lesestein-, Haustein- und Ziegelmauerwerk, um nur die gebräuchlichsten aufzuzählen.

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit besteht in den Mauerverbänden, dem Läufer-, Binderverband, dem Lagerechten- und Ährenverband und für die Antike z.B. das Zyklopen- und Megalitmauerwerk. Ferner ist die Art der Mauer zu unterscheiden, wie das Voll-, Schal- und Trockenmauerwerk. Unter einem Trockenmauerwerk verstehen wir eine Mauer, die vorsichtig und exakt ohne Bindemittel geschaffen worden ist, z.B. sind solche die Zyklopen- und Megalitmauern, oder solche, wie sie im südlichen Alpenraum an Ökonomiegebäuden oder Bauernhäusern vorkommen.

Grob zusammengefasst lassen sich folgende zeitliche Phasen der Entwicklung und der Dekadenz ausmachen:

  • Die früh- und hochmittelalterlichen Mauerwerktechniken, wie die der Rennaissance, gehen in diversen Kulturzentren auf die Handwerkstradition der Antike zurück. Sie sind von der Frühzeit bis zur Romanik geprägt durch eine qualitätsvolle, äusserst seriöse Bauweise. Sie sind gekennzeichnet durch Mauerwerke, die in gleichmässigen Lagen geschichtet sind, das sogenannte lagerechte Mauerwerk. Dies wurde vor allem erreicht durch die sorgfältige Auswahl der Steingrössen. Im Gegensatz zu Werk- und Ziegelsteinen, konnte die Erstellung eines Mauerwerk mit Bruch- und Lesesteinen recht mühsam und aufwendig werden.
  • Seit Beginn des 13. Jahrhunderts wird diese Mauertechnik, ausser in einigen Kulturzentren, oder dort, wo beispielsweise der Ziegelsteinbau üblich war, immer mehr vernachlässigt. Für die einzelnen Schichtlagen wurden vermehrt unregelmässig grosse Steine verwendet. Die zunehmend unsorgfältiger ausgeführten Mauerverbände verlangten immer mehr nach statischen Verankerungen, beispielsweise durch massive Eckverbände. Diese Entwicklung ist vor allem dort zu beobachten, wo mit Bruch- und Lesesteinmaterial gearbeitet wurde, so z.B. im Alpen- und Voralpenraum. Zu grosse Unregelmässigkeiten wurden mit Ausgleichsschichten einigermassen ausgeglichen.
  • Ab der Spätgotik und vor allem ab der Renaissance nimmt die Qualität der Mauerwerke weiter ab. Die Steine wurden nur mehr einfach geschichtet mit dem Material, das gerade vorlag.
  • In barocker Zeit findet sich, wo nicht Quader oder Ziegelmauerwerke üblich waren, oft nur noch nachlässig gestapeltes Mauerwerk zwischen Eckverbänden. Nicht selten wurden in dieser Zeit über den Schwachstellen, wie Fenster- und Türöffnungen, Entlastungsbogen eingemauert.

Ausfugungen oder Pietra rasa mit oder ohne Kellenstrich

Als Pietra rasa bezeichnet man den Verputz, der an die Steinköpfe des Mauerwerks auslaufend verteilt ist. Beim Errichten eines Mauerwerks werden die Bausteine in Mörtel gesetzt und leicht festgeklopft. Überschüssiger Mauer- oder Setzmörtel quillt dabei aus den Stoss- und Lagerfugen. Dieser überschüssige Mörtel wird nun nicht weggekratzt, sondern über die Ränder der Mauersteinin dieser Zeit über den Schwachstellen, wie Fenster- und Türöffnungen, Entlastungsbogen eingemauert.

Ausfugungen oder Pietra rasa mit oder ohne Kellenstrich

Als Pietra rasa bezeichnet man den Verputz, der an die Steinköpfe des Mauerwerks auslaufend verteilt ist. Beim Errichten eines Mauerwerks werden die Bausteine in Mörtel gesetzt und leicht, gegen deren Mitte hin auslaufend, verteilt und geglättet. Die Steinköpfe bleiben dabei mehr oder weniger sichtbar, flache Steinoberflächen mehr, gerundete weniger, zudem werden stark gerundete Steinköpfe meistens geflacht, weil sie sonst zu stark aus der Maueroberfläche hinausragen würden. Wo die Maueroberfläche durch ungleich grosse Steine, wie zum Beispiel bei Bruch- und Lesestein, Unebenheiten und Löcher aufweist, wird nochmals ausgleichend Mörtel aufgetragen und, analog dem Fugen- oder Setzmörtel, verteilt und geglättet. Die Pietra rasa wird häufig durch Linien betont, die mit der Kellenkante sofort in den frischen Mörtel gezogen werden. Diese Linien werden Kellenstriche oder Kellenzüge genannt. Es gibt Mauerwerke mit Kellenstrichen, die horizontal und vertikal, beziehungsweise beim Ährenverband diagonal verlaufen. Spätromanische Beispiele zeigen oft nur noch horizontal liegende Kellenstriche, und selten finden sich solche mit Dreieck- und Rombusformen. Oft finden wir Beispiele, wo die Kellenstriche mit Sumpfkalk weiss, gelegentlich solche, die mit rotem Ocker nachgezogen und betont worden sind. Der Verlauf von Kellenstrichen wird von den Mauerfugen und somit vor allem von der Art der verwendeten Bausteine bestimmt. Bauten aus Werk- und Ziegelsteinen ergeben einen regelmässigen Linienverlauf, Bruch- und Lesesteine zeigen wellig verlaufende Pietra rasa mit Kellenstrich, der den Formen der benutzten Mauersteine entspricht. Mit anderen Worten, je regelmässigere Bausteine verwendet werden, desto präziser, schöner und einheitlicher wirkt eine Pietra rasa mit Kellenstrich innerhalb eines Mauerwerks. Meistens sind die Kellenzüge handwerklich so sauber und schön ausgeführt, dass sie Steinformen, beziehungsweise Quadermauerwerk imitieren und vortäuschen. Es gibt daher immer wieder endlose Diskussionen über die Frage, waren Kellerstriche auf Sicht bestimmt und warum wurden sie mit Verputz überdeckt? Welche Funktion steht den Kellenzügen zu, wenn sie anschliessend ohnehin mit Verputz zugedeckt werden? Anhand vieler untersuchter Objekte konnten wir feststellen, dass die grössere Anzahl noch während der Bauphase, sofort mit Verputz zugedeckt worden ist.

Diese Fragen lassen sich leider überhaupt nicht schlüssig beantworten. Möglicherweise dient der Kellenstrich als Haftbrücke, als eine Art Vorbereitungsschicht für den nachfolgenden Verputz. Die Pietra rasa mit Kellenstrich findet sich in ganz Europa und den angrenzenden Einflussgebieten Kleinasien und Nordafrika. Seit der Antike bis heute ist die Pietra rasa ein ganz normaler, notwendiger Arbeitsgang. Der Kellenstrich hingegen ist von der Antike bis in das Frühmittelalter nur gelegentlich, in der Romanik regelmässig, belegt. Im Laufe der Spätromanik verschwindet der Kellenstrich und findet sich erst wieder im 19. und 20. Jahrhundert an Garten- und Stützmauern. Auffallend ist, dass ab dem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts und im 13. Jahrhundert vermehrt nur noch horizontal verlaufende Kellenstriche zu finden sind. Die Analyse, ob am Mauerwerk die Pietra rasa mit Kellenstrich von Anfang an auf Sicht bestimmt war, verlangt grosse Erfahrung und ist nicht selten nur mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen eindeutig belegbar.

Folgende Kriterien entscheiden mit, ob so behandelte Maueroberflächen bewusst auf Sicht hin geschaffen worden sind, oder nicht:

  • Der Verputz der Pietra rasa zeigt eine Patina und Verwitterungsschäden, wie sie nur entstehen können, wenn er über lange Zeit eine eigentliche Oberfläche war. Zum Beispiel: Natürliche Vorkommen von eisenschüssigem Material im Kalk und Sand der Mörtelmischung verfärbt den Verputz an der Oberfläche. Sie erhält eine leicht rötlich gelbliche Farbe durch die Bildung von Eisenhydroxid. Irreführend könnte allerdings der Umstand sein, dass man Fehlstellen untersucht hat, weil der originale Deckputz durch Abwitterung partiell verloren ging und das Mauerwerk daher längere Zeit offen blieb.
  • Der Kellenstrich der Pietra rasa ist zusätzlich noch mit Farbe hervorgehoben worden, wofür Beispiele aus römischer und romanischer Zeit erhalten sind.
  • Die Pietra rasa wird mit dickem Mörtelauftrag ausgeführt, so dass aufmodellierte Quader entstehen, wenn horizontale und senkrechte Kellenstriche hinzugefügt werden. Nicht bestimmbar, ausser durch Archivalien, wäre die Situation, wenn bereits das Gebäude benutzt wurde, bevor es verputzt worden ist, z.B. aus finanziellen oder anderen Gründen. Ebenso schwer lässt sich die Situation beurteilen, wenn während späterer Epochen, vor allem im 19. Jahrhundert, durch euphorische, romantische Auffassungen an einem Gebäude sämtliche vorhandene Verputze und Farbfassungen geopfert worden sind, um das Mauerwerk zu zeigen.

Von den vielen bekannten Beispielen sollen hier in zeitlicher Reihenfolge nur einige typische vorgestellt werden. Besonders eindrücklich sind die Befunde an den 1.2 bis 1.6 m hoch erhaltenen Umfassungsmauern, die sich an den römischen Thermen des 1./2. Jahrhunderts in Badenweiler (BRD) finden. Es handelt sich um ein aus kleinen Kalksteinquadern errichtetes Mauerwerk, auf dem zwei zeitgleiche Pietra rasa mit Kellenstrichen übereinander liegen. Die exakt ausgeführten horizontalen und vertikalen Kellenstriche liegen genau über den wirklichen Stoss- und Lagerfugen. Die erste Lage greift nur wenig von den Fugen über die Steinränder und bildet die Haftbrücke für die zweite Lage, die auf Sicht bestimmt ist. Die sichtbaren horizontalen und vertikalen Kellenstriche sind mit rotem Ocker in Fresco-Technik nachgezogen und setzen über einem 70 cm hohen, rot bemalten Putzsockel an. Der Mörtel des Sockels enthält 4 bis 8 mm grosse Ziegelschrot-Körner und ist sorgfältig im Lot aufgetragen und dicht abgeglättet. Nicht auf Sicht bestimmt ist ein weiteres Beispiel in Martigny (CH), im römischen Octodurus, das 1978 im Gebiet Aux Morasse ausgegraben worden ist. Hier liegt ein, in mehr oder weniger regelmässigen Abständen, nur horizontal gezogener Kellenstrich auf einer Pietra rasa, die die Steinköpfe nahezu vollständig zudeckt. Hermann Phleps erwähnt in "Die farbige Architektur bei den Römern und im Mittelalter" ebenfalls römische Beispiele, u.a. in Köln an Wachtürmen des rechtsrheinischen Grenzwalles, eine auf Sicht bestimmte Pietra rasa mit Kellenstrich, die mit Ocker rot nachgezogen worden ist.

An der karolingischen Klosterkirche St. Johann in Müstair (CH), befinden sich nicht auf Sicht bestimmte, horizontale Kellenstriche über den Lagerfugen, bei den Eckquadern und entlang der Bogenabschlüsse der Fenster.

Einige Beispiele seien vertretend für das 11. Jahrhundert aufgeführt. In der Vorhalle der Kirche Oberzell, auf der Insel Reichenau (BRD), liegt auf dem Mauerwerk aus Feld- und Lesesteinen eine Pietra rasa, deren Verputz weit gegen die Mitte der Steinköpfe verteilt ist. In die frische, gut geglättete Pietra rasa hat man sofort Kellenstriche mit horizontalem, senkrechtem und diagonalem Verlauf gezogen. Das zweite, ähnliche Beispiel befindet sich in der Hospizkapelle San Romerio, nahe von Poschiavo (CH). Bei diesen beiden Objekten gibt es keine Anhaltspunkte, ob die Pietra rasa auf Sicht bestimmt war, oder nicht.

Das dritte Beispiel, das sich im Treppenschacht zum Norbertsaal im Kloster Müstair befindet, zeigt durchschnittlich 16x10 cm grosse, mit Kellenstrichen zurechtgeschnittene Mörtelquader, die auf Sicht bestimmt sind. Die Steinköpfe sind nahezu total mit Verputz zugedeckt. Eines der eindrücklichsten Beispiele des 11. Jahrhunderts dürfte die Stadtkirche von Stein am Rhein (CH) bieten. Dort sind an der äusseren, südlichen Obergadenwand unter Dekorationen des 14., 17. und 18. Jahrhunderts grosse Bestände der ursprünglichen Fassadengestaltung erhalten. Sie zeigt ein Sichtmauerwerk aus Lesesteinen mit Pietra rasa und Kellenstrich, das präzise den Stoss- und Lagerfugen folgt. Den Fensterbögen entlang, die mit zurechtgehauenen Tuffsteinen geschaffen sind, hat man die Kellenstriche mit Kalk weiss nachgezogen. Der Bogenfries, mit Tuffsteinen geformt, wie die dazugehörenden Konsolen aus Ziegelsteinen, erhielten ein rot gefasstes Intonaco. Die Bogenfläche des Frieses ziert eine ebenfalls rote Dekoration, dicht bestimmt sind. Die Steinköpfe sind nahezu total mit Verputz zugedeckt. Eines der eindrücklichsten Beispiele des 11. Jahrhunderts dürfte die Stadtkirche von Stein am Rhein (CH) bieten. Dort sind an der äusseren, südlichen Obergadenwand unter Dekorationen des 14., 17. und 18. Jie nur lesbar wäre, wenn man die darüberliegende Malerei des 14. Jahrhunderts opfern würde, was aber nicht zu verantworten ist.

Stellvertretend für das 12. Jahrhundert sei hier die Ulrichkapelle im Kloster Müstair und die Pfarrkirche von Zillis, beide im Kanton Graubünden (CH), aufgeführt. Die hier eindeutig auf Sicht bestimmten Kellenstriche sind mit Kalk nachgezogen.

Besonders eindrücklich ist die aus gleicher Zeit stammende, sich in Graubünden befindende, Kirche von Pitasch. Diese Kirche besteht aus einem rechteckigen, flachgedeckten Schiff und einer halbrunden Apsis, die aussen durch je zwei Blendbögen, mit vorgesetzten Halbsäulen, gegliedert ist. Das Mauerwerk zeigt regelmässige Lagen von teilweise im Ährenverband gemauerten Fluss- und Bruchsteinen. Nur Architektur betonende Elemente, wie Tür-, Fenstereinfassungen und Blendbögen, bestehen aus sorgfältig behauenem Tuffstein. Das bis zu 80% erhaltene Originalmauerwerk zeigt aussen wie innen, eine auf Sicht bestimmte Pietra rasa mit Kellenstrich, mit senkrechter, waagrechter und beim Ährenverband auch in diagonaler Ausführung. Die Kellenstriche, über den Fugen zu den Werkstücken aus Tuffstein, sind bei den Türen-, Fenster- und Blendennischenbögen mit Kalk weiss nachgezogen. Erst im 14. und 15. Jahrhundert, am Äusseren, Teile der Nord- und Westwand sowie im Inneren, die Apsis und die Chorschulterwand, wurde ein einschichtiges Intonaco, das mit Wandmalereien ausgestattet wurde, gefunden. Noch in mittelalterlicher Zeit ist bei Ausbesserungen von Fehlstellen am Äusseren die Pietra rasa ergänzt worden. Die Kellenstriche sind allerdings nur noch willkürlich horizontal gezogen und nicht mehr wie die ursprünglichen, entsprechend den Lagerfugen.

Ein schönes Beispiel, wo der Kellenstrich auf der Pietra rasa den präzisen Stoss- und Lagerfugen folgt, findet sich am Äusseren der Friedhofskapelle in Oberstenfeld, Baden-Württemberg (BRD). Die wunderschöne Arbeit war nie auf Sicht bestimmt und ist gleich mit einem Einschichtputz zugedeckt worden.

Für das 13. Jahrhundert ist ein eindrückliches Bauwerk mit dem Beweis für die europäische Verbreitung der Fugenbearbeitung bezeugt, nämlich die Katharinenkirche in Lübeck (BRD). Im Innern sind die Stoss- und Lagerfugen des Ziegelsteinmauerwerks mit einem Netz von Kellenstrichen überzogen. Die über den Kellenstrichen liegende Kalkschlämme zeigt, dass die Fugenbehandlung von Anfang an keine Sichtbestimmung hatte.

Ebenfalls sofort mit einem Einschichtputz zugedeckt sind die nur horizontal verlaufenden Kellenstriche an der Aussenwand des Hospiz Chapella in Susauna im Engadin und der ehemaligen Klosterkirche Churwalden, beide im Kanton Graubünden (CH).

Richtige Fundgruben befinden sich im lombardischen Castel Seprio mit Beispielen des 11. und 12. Jahrhunderts. Ob diese Beispiele auf Sicht bestimmt waren, oder gleich zugeputzt wurden, bleibt offen.

In Bormio, einer kleinen Stadt im oberen Veltlin, sind ganze Häuserreihen mit Pietra rasa und Kellenstrichen des 12. und 13. Jahrhunderts zu bewundern. Sie sind alle auf Sicht bestimmt und imitieren über einem Bruchsteinmauerwerk mit unregelmässigem Fugenverlauf ein regelmässiges Fugenbild.

Aufmodellierte Mörtelbänder:

Die in Pietra rasa-Technik geschlossenen Mauerfugen werden mit einem zusätzlichen Mörtelauftrag überdeckt. Die Auftragsstärke variiert je nach Unebenheit eines Mauerwerkes zwischen 5 bis 25 mm und mehr. Die Oberfläche des Putzes wird intesiv geglättet und auf die gewünschte Breite geschnitten. Gelegentlich sind diese Mörtelbänder mit Kalk weiss gefasst worden.

In Kleinasien gibt es Objekte, wo diese Präzisionsarbeit sofort zugeputzt worden ist. Nur zwei der mir bekannten Objekte seien erwähnt. Das älteste befindet sich in Hah (Ost-Türkei) an der Ruine der frühchristlichen Kirche des 5. Jahrhunderts. Im 13. Jahrhundert entstand das zweite Beispiel an den Aussenwänden des Felsenklosters Sumela bei Trapezunt. Ebenfalls nicht auf Sicht bestimmt, sind die Ausführungen an den Wänden des Kreuzganges der Dominikanerkirche in Bozen (I).

Die in Osteuropa und im Alpenraum erhaltenen Objekte sind, im Gegensatz zu jenen in Kleinasien, in der Regel auf Sicht bestimmte Ausführungen. Sie zeigen Sichtmauerwerke, und die hinzugefügten Mörtelbänder evozieren nicht selten ein Präzisionsmauerwerk, das in Wirklichkeit durch die Verwendung von Bruchsteinen gar nicht vorliegt. Diese Arbeiten sind Weiterentwicklungen der Pietra rasa mit Kellenstrich. Während die meisten Ausführungen von Mörtelbändern ganze Fassadenflächen überzogen, gesellen sich im 13. und 15. Jahrhundert Beispiele hinzu, wo nur die Bereiche der Eckquader mit solchen Zierden versehen sind.

Die folgenden, auf Sicht bestimmten Beispiele, vertreten die Tradition römischer Vorbilder, ein geordnetes Quadermauerwerk zu evozieren. Ein besonders eindrückliches und frühes aus dem 7./8. Jahrhundert, befindet sich an der Westfassade der frühmittelalterlichen Kirche St. Martin in Cazis im Kanton Graubünden. Es sind Reste aufgesetzter, zurechtgeschnittener und mit Kalkweiss nachgezogener Mörtelbänder. Diese Fassade wird durch drei Blendnischen zwischen Lisenen gegliedert. Über den Kämpfern wird die Gliederung mit Wandpfeilern fortgesetzt. Mauerwerk und Architekturgliederungen bestehen aus Bruchsteinen, die Entlastungsbögen aus Tuffsteinquadern. Die Wandflächen zeigen Pietra rasa mit horizontalen und vertikalen Kellenstrichen. Die Lisenen, Kämpfer und Wandpfeiler hingegen sind mit einer 5 bis 8 mm dicken Mörtelschicht verputzt. Darüber liegen die mit Kalkputz aufgetragenen und zurechtgeschnittenen Mörtelbänder. Mit diesen Bändern wurde ein Fugenbild geschaffen, wobei nur die horizontal gestalteten Lagerfugen den tatsächlichen entsprechen. Die Kämpferflächen zieren Symbole. Der Mörtel für die Bänder ist ca. 5 mm dick und geglättet, weiss getüncht und genau 15 mm breit zurechtgeschnitten. Aus Konservierungsgründen ist der Bestand bis auf eine kleine Referenzfläche im Kämpferbereich, bei der Restaurierung 1972 wieder zugedeckt worden.

In Stalden (Kanton Wallis) finden sich am Haus Venet, einem Wohnturm des 14. Jahrhunderts, aufgesetzte Mörtelbänder auf den Lagerfugen über einer rauhen, nur knapp geglätteten Pietra rasa. Nur an den Eckquadern, angeordnet im Läufer- und Binderverband, sind vertikale Mörtelbänder zu beobachten. Die bis zu 15 mm dicken und zirka 40 mm breiten Bänder sind seitlich nicht zurecht geschnitten. Teilweise laufen sie vom aufmodellierten Band in leicht vertiefte Rillen aus, die mit der Kelle in den frischen Verputz gepresst worden sind.

Das Demitrioskloster, genannt Marco-Kloster, 1376 bis 1381, in Skoplie, zeigt an den Aussenfassaden ein Sichtmauerwerk aus Bruchsteinen und Flachziegeln als Ausgleichschicht. Die Mauerfugen sind mit ca. 1 cm dicken und mit 5 cm breiten Mörtelbändern überdeckt, von denen noch Reste an der Nordfassade erhalten sind.

In Poschiavo, im Kanton Graubünden, sind gleich an zwei Objekten Mörtelbänder erhalten, nämlich am Turm der Pfarrkirche San Vittore und an den Fassaden des Torre Comunale. Der Turmschaft der Pfarrkirche vom 13. Jahrhundert, wie das von 1497 hinzugefügte Geschoss, blieben bis auf die Gurtfriese unverputzt. Der ältere Turmteil zeigt Bruchsteinfassaden mit sehr unregelmässig geschichteten Lagen, deren Fugen in Pietra rasa-Technik geschlossen sind. Am Turmaufsatz von 1497 sind die horizontalen Lagerfugen der Eckquader mit aufmodellierten und zurechtgeschnittenen Mörtelbändern geschlossen. Ein ähnliches Bild zeigt der ehemalige Wohnturm und das im Norden anschliessende Gebäude des 13. Jahrhunderts, heute das Rathaus. Die Fassaden haben ein Sichtmauerwerk, dessen Fugen mit Pietra rasa geschlossen und mit horizontalen, wie senkrechten Kellenstrichen versehen sind. Im 15./16. Jahrhundert hat man die ursprüngliche Pietra rasa mit einem Netz von 10 bis 15 mm starken und durchschnittlich 50 mm breiten, zurechgeschnittenen Mörtelbändern zugedeckt. Sie folgen relativ genau den Lagerfugen, den Stossfugen nur dort, wo die Fuge dem angestrebten Fugenbild entspricht um illusionistisch ein regelmässiges Quadermauerwerk darstellen zu können.

Der Verputz: Aufbau und Oberflächenstrukturen

Es sotra rasa geschlossen und mit horizontalen, wie senkrechten Kellenstrichen versehen sind. Im 15./16. Jahrhundert hat man die ursprüngliche Pietra rasa mit llen hier nicht technologische Hinweise betreff Granulation der Zuschlagstoffe und Mörtelmischungen präsentiert werden, sondern die verschiedenen Oberflächenstrukturen des Intonacos. Die gestalterischen Möglichkeiten mit Verputz sind ausserordentlich reich. Zur optischen Wirkung des Intonacos haben auch die dem Bindemittel beigemengten Zusätze wie Farbe, Holzkohle oder Ziegelschrot, aber auch die Korngrössenverteilung des Sandes, einen bestimmenden Einfluss. Stilbestimmendes Element am Intonaco ist vor allem dessen Oberflächenstruktur. Ob mit der Kelle angeworfen, geglättet, ob mit dem Jutesack dressiert oder mit der Bürste aufgeschlämmt, jedesmal wird das Aussehen des Intonacos ein anderes sein. Aufmodellierungen, Kerben, Abdrücke oder Rillen, die Zahl der Möglichkeiten, mit der eine Intonacooberfläche gestaltet werden kann, ist nahezu unbegrenzt, ebenso wie die hierzu verwendeten Hilfsmittel und Instrumente.

Im Aufbau eines Putzes unterscheiden wir zwischen dem Ein- und Mehrschichtputz. Bis zur frührömischen Zeit finden wir weitgehend nur den Einschichtputz. In römischer Zeit gibt es in Europa praktisch nur noch Mehrschichtputze. Diese Entwicklung läuft parallel mit der anspruchsvoller werdenden Technik der Freskomalerei. Ein Mehrschichtputz, nass in nass angefertigt, ist die entscheidende Voraussetzung, für eine ideale Karbonatisierung der Freskomalerei mit dem Intonaco. Ab frühchristlicher bis in die spätromanische Zeit finden wir vermehrt wieder Einschichtputze, vor allem im Alpenraum und im Norden Europas. Dies gilt allerdings nicht für Byzanz und dessen Einflussgebiet. Dass die Mehrschichtputze ab dem 13. Jahrhundert wieder aufkamen und in den Regionen der Alpensüdseite und im mediterranen Bereiche nicht mehr wegzudenken sind, hat hauptsächlich zwei Gründe.

  1. Die Freskomalerei ist in diesen Gebieten eine sesshafte Tradition geworden.
  2. Mehrschichtputze kommen dem Streben entgegen, stark bewegte Maueroberflächen, wie sie entstehen, wenn zum Bauen Bruch- oder Lesesteine verwendet werden, zu egalisieren.

Die Art des Mauerwerks ist daher in hohem Masse für den daraufliegenden Verputz oberflächenbestimmend.

  • Ein Einschichtputz auf Mauern aus Roll- oder Flusssteinen zeigt eine wellige Oberfläche; die Horizontallagen der Mauersteine lassen sich an der verputzten Oberfläche ablesen.
  • Bei einem Bruchsteinmauerwerk wirkt die Oberfläche des Einschichtputzes unregelmässig. Die Steinlagen lassen sich einigermassen erkennen.
  • Auf Ziegelmauerwerk und einem solchen aus Werksteinen wirkt die Intonacooberfläche des Einschichtputzes im allgemeinen eben. Die Art des Mauerverbandes lässt sich allenfalls bei starkem Streiflicht erkennen.
  • Bei einem Aufbau, bestehend aus Arriccio und Intonaco, ist der Charakter des Mauerwerkes kaum mehr erkennbar.
  • Erst in barocker Zeit ist in ganz Europa der Mehrschichtputz nicht mehr wegzudenken.

Im Mittelalter diente der Verputz weitgehend als Träger für Wandmalereien und als Schutzschicht des Gebäudes. Die oft vorkommenden rauhen Putzstrukturen an gotischen Bauten des 15. Jahrhunderts waren in der Regel nicht auf Sicht bestimmt, sondern dienten später nachfolgenden Putzaufträgen als Haftbrücke. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die drei im Mittelalter gebräuchlichsten Putzstrukturen das Produkt einer normalen technisch bedingten Applikationsweise sind. Die Oberflächenbehandlungen sind: den Mörtel anwerfen - das Zuviel mit der Kelle abziehen - das so mit der Kelle behandelte Intonaco abkellen, auch Vorglätten genannt. Die drei sich ergebenden Oberflächenstrukturen, die seit dem 15. Jahrhundert, vor allem aber in der Spätgotik, auch einzeln mit Sichtbestimmung ausgeführt wurden, sind im Grunde genommen die nötigen Arbeitsabläufe, die zur vierten Variante führten, eine gut geglättete Intonacooberfläche zu erhalten, die entweder naturbelassen, oder mit Kalk weiss gestrichen worden ist.

Ab der Spätgotik, vor allem aber seit der Renaissance, begann man diese einfachen Putzstrukturen gestalterisch einzusetzen. Bewusst wurde mit verschiedenen Strukturen an den Grundflächen und Gliederungselementen der Bauten gearbeitet.

So wird zum Beispiel:

  1. Der Putz an Lisenen, Pilastern, Gurten, Gesimsen und Fenstereinfassungen geglättet und weiss getüncht und so zu den rauhen, naturbelassenen, rustikalen Wandflächen in Gegensatz gestellt. Die Wandflächen zeigen Strukturen, wie sie entstehen, wenn der Mörtel angeworfen und so belassen bleibt.
  2. Durch Anwerfen, mit der Kelle das Zuviel abgezogen und so belassen.
  3. Nach dem Anwerfen und Abziehen wird die Putzoberfläche mit der Kelle abgekellt, leicht angeglättet.

Diese Strukturen sind grundverschieden im Aussehen. Auch die gleichzeitig im Süden der Alpen aufkommende Sgraffito-Technik ist in diesem Zusammenhang zu sehen.

In barocker Zeit werden diese Putzstrukturen erweitert. Man beginnt schwer zu beschaffendes, kostbares Steinmaterial zu imitieren. Es entstehen ganze Fassaden mit Rustikaquaderwerk, die nicht aus Stein, sondern aus Verputz bestehen, deren Oberfläche nicht selten mit eigens hierzu entwickelten Werkzeugen geschaffen worden ist. So gesellte sich zur bisher üblichen Kelle im 16./17. Jahrhundert das Nagelbrett und der Besenbund hinzu, mit denen sich täuschend ähnlich die Oberflächenstruktur von Werksteinen aus Quelltuff und Rauhwackensteine imitieren liessen. Solche Imitationen finden sich häufig im Veltlin, der Region Brescia und in den Südtälern des Kantons Graubünden, so vor allem im Unterengadin und im Puschlav, wo sie im 17. Jahrhundert an Kirchen, Bürger- und Bauernhäusern zu finden sind. Ein eigentliches Zentrum für solche Dekorationen scheint der Kanton Wallis gewesen zu sein. In den Ortschaften, Brigglis, Leuk, Susten, Salgenen, Turtmann, Visp und Gampinen finden sich viele datierte Beispiele, die zwischen 1615 und 1625 entstanden sind.

Diese neuartige Auffassung von Fassadengestaltung mit Verputz wird zusammen mit Architekturformen und Raumideen des Barocks in den Norden und Osten Europas getragen. Wesentlichen Anteil an dieser Vermittlung hatten die Baumeister und Stukkateure der Mesolcina, des Tessins und die sogenannten Comasken. Sie standen stark unter dem Einfluss von Werken Palladios und des aus dem Tessin stammenden Borromini. In wie weit hier auch die sogenannten Prismeler mitgewirkt haben, ist noch Gegenstand der Forschung. Weitere Instrumente, um bestimmte Effekte und Werkspuren von Steinmetzwerkzeugen zu imitieren, sind der Kamm, womit man in der Regulakirche in Chur 1504 in den Schlämmputz der Gewölberippen Scharrierarbeiten des Steinmetzes imitiert hat. Ferner finden wir den Spachtel, das Zahneisen und feine Meissel des Steinmetzes, wie dies an zwei Palazzi des 17. Jahrhunderts der Herren von Salis im graubündnerischen Bregaglia belegt ist.

Schon im 16. Jahrhundert war Gewebe aus Jute verwendet worden, mit dem, zu einem Knäuel geformt, abriebähnliche Strukturen entstanden. Die Jute wurde vor allem an einschichtig verputzten Fassaden mit stark bewegter Oberfläche verwendet, wie sie bei Mauern vorkommen, die mit Bruch- oder Lesesteine geschaffen worden sind. Juteknäuel fügen sich besser der Maueroberfläche an, als die Talosche.

Eine bedeutende Erfindung ist der sogenannte Besenwurf. Die ältesten Beispiele dieses Besenwurfes finden sich in der Schweiz ab Mitte des 18. Jahrhunderts und sind teilweise sogar mit rotem Ocker eingefärbt. Dies ist eine der beliebtesten Applikationsarten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Norden der Alpen. Es verwundert daher nicht, dass für diese Putzart, wohl im 19. Jahrhundert, ein rationalisierendes Gerät erfunden worden ist, der sogenannte Wormser, mit dem der Besenwurf täuschend ähnlich imitiert werden kann. Für alle Putzstrukturen muss der Intonacoauftrag frisch sein. Für den Besenwurf und ebenso für den Wormser muss zuerst ein flach abgeriebenes Arriccio aufgetragen werden, damit diese Art von Struktur sich gut plastisch absetzen kann. Damit dieser Verputz auf dem Arriccio einwandfrei haftet, ist ein Auftrag nass in nass nötig. Schlecht ist es, wenn der Auftrag auf das frisch applizierte Arriccio folgen würde, Schwundrisse wären das Resultat.

Schliesslich isthunderts im Norden der Alpen. Es verwundert daher nicht, dass für diese Putzart, wohl im 19. Jahrhundert, ein rationalisierendes Gerät erfunden worden ist, der sogenannte Wormser, mit dem der Besenwurf täuschend ähnlich imitiert werden kann. Für alle Putzstrukturen muss der Intonacoauftrag frisch sein. Für den Besenwurf und ebenso für den Wormser muss zuerst ein flach abgeriebenes Arriccio aufgetragen werden, damit diese Art von Struktur sich gut plastisch absetzen kann. Damit dieser Verputz auf dem Arriccio einwandfrei haftet, ist ein Auftrag nass in nass n noch der Riesel- und der Kieselwurf zu nennen, die sich wohl aus der italienischen Grottenkunst des 16. und 17. Jahrhunderts entwickelt haben und mit dem heutigen Waschbeton optisch vergleichbar ist. Diese Technik, mit der vom 16. bis Anfang des 20. Jahrhundert ganze Wände eingekleidet und Steinquaderabfolgen imitiert worden sind, verlangt wie der Besenwurf ein noch feuchtes Arriccio als Unterlage.

Katalog der belegten historischen Putzstrukturen

1. Mit der Kelle angeworfen und belassen

Die Beispiele dieser Putzart mit Sichtbestimmung, lassen sich ab der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts belegen. Nur an wenigen Objekten ist sie noch zu finden, so im südlichen und zentralen Alpenraum. Seine feine und bald grobe Struktur ist abhängig von der verwendeten Korngrössenverteilung. Alle erfassten und untersuchten Beispiele sind Einschichtputze und sind nicht gestrichen.

2. Mit der Kelle angeworfen, abgezogen und belassen

Diese Putzart finden wir im ganzen Alpenraum seit Ende des 15. Jahrhunderts an spätgotischen Kirchenfassaden und noch im 19. Jahrhundert an Schlössern, Bürger- und Bauernhäusern. Im 16. bis 18. Jahrhundert finden wir grob strukturierte und naturfarben belassene Oberflächen als idealen Kontrast zu geglätteten und weiss getünchten Architekturgliederungen. Keine andere Putzart ist von Objekt zu Objekt so verschieden in der Struktur. Dies durch die individuelle Handschrift des Maurers und durch die unterschiedlichen lokalen Sandvorkommen. Bei Fassaden mit dieser Putzart bleiben die Pontate und Giornate wie die Kellenführung des Maurers besonders gut sichtbar. Zum Abziehen des zuviel aufgetragenen Mörtels, wird die Kelle im rechten Winkel zur Wand geführt. Die erfassten Objekte zeigen mehrheitlich Einschichtputze.

3. Mit der Kelle angeworfen, abgezogen, abgekellt und belassen

Seit dem 9. Jahrhundert, vorallem aber ab Mitte des 15. Jahrhunderts, finden wir diese Putzart in ganz Europa, sowohl als Einschicht-, wie auch als Mehrschichtputz. Im 16. und 17. Jahrhundert finden wir ihn im ganzen Alpenraum an Wandflächen, vorwiegend naturfarben belassen, als Gegensatz zu plastisch gestalteten und weiss gestrichenen Architekturgliederungen und Sgraffiti. Der Arbeitsablauf ist, den Mörtel anwerfen, das Zuviel abziehen (wie die Pos. 1 und 2) und nachher sofort die Kelle flach, nahezu parallel zur Wand halten und auf diese Weise den Mörtel leicht anglätten. Auch bei dieser Putzart lassen sich Pontate, Giornate wie auch die Handschrift des Ausführenden gut ablesen. Die applizierten Arbeitsportionen (4 bis 5 Kellenportionen) müssen sofort ineinander und in die vorher aufgetragene Portion verarbeitet werden. Heute wird diese Putztechnik viel mit Fertigprodukten kopiert und übertrieben rustikal ausgeführt. Diese pseudorustiko Intonacos sind optisch gegenüber den originalen Vorbildern scheusslich, sie erhielten den Beinamen Klosterputz.

4. Mit der Kelle direkt aufgezogen und belassen

Diese Putzart ist zum Verwechseln ähnlich mit der Struktur, wie sie entsteht, wenn der Mörtel mit der Kelle angeworfen und abgzogen (Pos. 3) wird. Sie unterscheidet sich durch die senkrechte Kellenführung, gegenüber dem mit der Kelle angeworfenen und abgezogenen Auftrag, der senkrechte, diagonale und teilweise waagrechte Kellenführungen aufweist. Die im südlichen Alpenraum seit dem 16 Jahrhundert verbreitete Putzart wirkt etwas dilettantisch im Sinne von do-it-your-self". Der Mörtel wird in kleinen Portionen auf die Rückseite der Kelle genommen und von unten nach oben auf die Mauer aufgezogen. Am unteren Teil des Turmschaftes (13. Jahrhundert) von San Vittore in Poschiavo, ist auf diese Weise die Pietra rasa ausgeführt worden.

5. Mit der Kelle angeworfen, abgezogen, abgekellt und geglättet

Schon die Definition dieser Putzart sagt aus, dass sie durch vier verschiedene Arbeitsphasen entsteht, wovon jede dieser Phasen in sich eine Selbstständige sein kann (siehe Pos. 1 bis 3). Der Putz kommt sowohl als Einschicht- wie auch als Mehrschichtputz vor. In der Regel ist er mit Kalk weiss getüncht, selten naturbelassen. Die geglättete Putzoberfläche hat sich seit dem Altertum bis zur Frührenaissance gehalten. In Byzanz und dessen Einflussgebiet hat man diese Putzart traditionsgemäss bis Anfang des 20. Jahrhunderts ausgeführt. Die Glättung der Intonacooberfläche erfolgt erst einige Zeit nach dem Abkellen. Wird zu früh geglättet, nämlich, wenn der Verputz noch nicht steif genug ist, wird zuviel Calciumhydroxid und Feinbestandteile des Zuschlagstoffes an die Oberfläche gepresst, die dort die Poren verdichten. Dadurch dringt nicht genug Kohlensäure in die Putztiefe, wo daher die Calciumkarbonatbildung ungenügend ist. Eine saubere Glättung ist nur mit einer Kelle möglich, die vorne gerundet ist, der sogenannten Mailänder- oder Zungenkelle.

6. Abgekelltes oder geglättetes Intonaco, das mit der Kalkbürste dressiert wird

Diese Putzstruktur finden wir oft ab Mitte des 16. Jahrhunderts im nördlichen Alpenraum. Sie ist aber bereits 1437 am Lettner der Valeriakirche in Sion, Kanton Wallis belegt. Wenn das Intonaco leicht druckfest geworden ist, hat man die geglättete Oberfläche mit der Bürste dressiert. Dazu wurde stark verdünnter Sumpfkalk verwendet. Diese Struktur wird oft mit dem Abrieb verwechselt.

7. Abgekelltes oder geglättetes Intonaco das mit Jute abgesackt wird

Auch diese Putzstruktur verlangt, dass man wartet, bis das anglättete Intonaco druckfest ist. Danach wird mit dem nassen Juteknäuel die Intonacooberfläche mit Abriebbewegungen dressiert. Diese, dem Abrieb mit der Talosche ähnliche Struktur folgt der natürlichen Oberflächenbewegung der Mauer. Arbeitet man mit der Talosche, geht die Welligkeit verloren, denn die Oberfläche wird planiert. Die ersten belegten Beispiele finden sich ab dem 17. Jahrhundert im Norden der Alpen.

8. Der historische Abrieb

Auf Sicht bestimmt finden wir diese Putzstruktur erst im 17. Jahrhundert. Doch schon in Herculaneum und Pompeji ist er im 1. Jahrhundert auf Arricciooberflächen zu beobachten. Für diese Putzart ist ein Mehrschichtputz unerlässlich und eine einigermassen plane Oberfläche Voraussetzung. Das Intonaco muss auf das nicht frische, aber noch feuchte Arriccio appliziert werden. Wichtig ist, dass vor der Ausführung des Abriebs mit der Talosche oder dem Brettchen das Intonaco geglättet wird. Das Aussehen der Oberfläche ist nicht vergleichbar mit dem modernen Abrieb.

9. Der moderne Abrieb

Die verwendeten Bindemittel dieser Putzart entsprechen nicht der historischen Variante. Anstelle von Sumpfkalk wird Zement, hydraulischer Kalk und wenig Kalkhydrat verwendet. Da diese modernen Bindemittel beim Abbinden stark schwinden, muss das Arriccio gut abgebunden sein, bevor das Intonaco appliziert wird. Dies ist der Grund warum die Strukturen des modernen Abriebs anders aussehen, als der historische. Beim Ausführen dieser Abriebart rollen die Sandkörner auf dem hart abgebundenen Arriccio, es entstehen typische Rillen.

10. Abgekelltes Intonaco mit Kalkschlämme versehen

Schon Anfang des 16. Jahrhunderts finden wir diese Putzart im Norden der Alpen. Im Süden der Alpen konnte bis jetzt noch kein Beispiel dieser Art gefunden werden. Auf das abgekellte frische, aber bereits druckfest gewordene Intonaco, werden nass in nass ein bis zwei Lagen einer Kalkschlämme mit dem Pinsel aufgetragen. Die Konsistenz dieser Schlämme, bestehend aus Sumpfkalk und Sand, ist so dünn, dass sie nicht mit der Kelle angeworfen, aber so dick, dass sie gerade noch mit dem Pinsel aufgetragen werden kann. Die Absicht dieser Putzschlämme ist, die rustikale Struktur der nur abgekellten und nicht ausgeglätteten Oberfläche zu egalisieren.

11. Der Besenwurf

Diese, bis jetzt erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts vorkommende Putzart, ist im Norden der Alpen erstaunlicherweise weit verbreitet gewesen, obwohl die Ausführung sehr aufwendig ist. Auf ein planes, geglättetes oder abgeriebenes Arriccio wird die Mörtelmasse mit einem Bund von Birkenzweigen aufgespritzt. Um eine einigermassen gleichmässig ruhige Oberfläche zu erhalten, muss der Auftrag ausgleichend zwt. Es finden sich nicht selten mit rotem Ocker eingefärbte Putze, doch in der Regel blieben sie naturfarben.

12. Der Wormserwurf

Der Aufbau und die Mörtelmischung entspricht der des Besenwurfes. Der Mörtel wird nur etwas dünner verarbeitet, weil er maschinell aufgetragen wird. Der Wormser ist ein Behälter mit einer Kurbel, an der Stahlfedern montiert sind. Mit diesen Stahlfedern, getrieben durch die Kurbel, wird die Mörtelmischung an die Wand geschleudert. Der Aufwand mit dem Wormser ist wesentlich geringer, als der für den Besenwurf, dem er täuschend ähnlich ist. Die ältesten belegten Beispiele finden sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

13. Der Riesel- und Kieselwurf

Die bis jetzt gefundenen Beispiele entstanden alle im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Dargestellt werden immer Steinquader-Imitationen für Lisenen und Sockelgeschosse. Ihr Aufbau verlangt wie beim Besenwurf ein planes Arriccio, auf das eine Mörtelmischung aus Rieselsand (8 bis 10 mm) oder Kiesel (18 bis 22 mm) mit Sandzuschlag (1 bis 4 mm) angeworfen wird. Der feine Sand dient zusammen mit dem Bindemittel als Klebemasse. Der Rieselsand und die Kiesel bilden die Steinstruktur. Als Bindemittel dienten im 19. Jahrhundert Sumpfkalk. Ende des 19. Jahrhunderts benutzte man hydraulischen Kalk und während der dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts vermehrt Gemische aus hydraulischem Kalk und Zement. In der Regel wurden rundkörnige Sande, selten gebrochenes Steinmaterial verwendet. Die recht dekorative Putzart dürfte ein rationalisierender Ersatz sein, für das aufwendige, ähnlich aussehende Verfahren, bei dem die Steine (Riesel- und Kieselstein) wie Mosaik in den frischen Haftmörtel gesetzt worden sind. Als Beispiel: die Fassadengestaltung am Schloss Favorite bei Rastatt in Deutschland und die Grottenkunst des 16. bis 17. Jahrhunderts in Italien.

14. Imitationen von Tuffsteinen oder Rauhwacken mit dem Nagelbrett

Diese Putzstruktur ist bereits in hochgotischer Zeit an diversen Häusern in Regensburg belegt, und von Jürgen Pursche ausführlich beschrieben. Die eigentlichen, häufigen Nachweise jedoch sind Fassadengestaltungen, die Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden sind. Beispiele des 18. Jahrhunderts sind spärlich. Die im 19. und 20. Jahrhundert ausgeführten Beispiele an Schlössern sind meistens Rekonstruktionen barocker Vorbilder. In ein dick appliziertes Intonaco werden sofort mit dem Nagelbrett Löcher gestupft. Anhand untersuchter Objekte konnte man feststellen, dass 20 bis 25 geschmiedete Nägel in einem Brettchen von 24 cm² Länge steckten. Selten waren die Abstände grösser. An wenigen Beispielen kann man ablesen, dass nicht wie üblich die Nagelköpfe, sondern auch mal die Nagelspitzen zum Stupfen benutzt worden sind. Wie sich an allen Beispielen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts belegen lässt, hat man das Intonaco (in das gestupft wurde) angeworfen und mit der Kelle abgezogen, es also rauh gehalten. Die Varianten des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen abgeriebene Oberflächen, zu präzis geformten Quadern und gestupfte Strukturen. Sie wirken daher langweilig und stereotyp.

15. Imitationen von Tuffsteinen und Rauhwacken mit dem Besenbund

Obwohl die eigentlich häufig belegten Beispiele erst Ende des 16. und 17. Jahrhunderts vorkommen, finden sich, laut Jürgen Pursche, in Regensburg nebst Ausführungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts auch solche der Hochgotik. Die Ausführung gleicht der mit dem Nagelbrett, nur wird der Besenbund dazu verwendet.

16. Imitationen der Werkspuren gekämmt, gestockt, gehackt, scharriert

Der Höhepunkt des Strukturierens von Putzen dürfte wohl die Imitation von Werkspuren der Steinmetzwerkzeuge sein. Der Phantasie waren da keine Grenzen gesetzt. Man benutzte hierzu richtige Steinmetzwerkzeuge, wie auch solche, die eigens hierzu entwickelt worden sind, deren Aussehen anhand der Arbeitsstruktur nur vermutet werden kann. Da solche Arbeiten ausserordentlich selten sind, liegen nur beschränkte Forschungsergebnisse vor. Die ersten Putzbearbeitungen dieser Art finden wir im 15. Jahrhundertgleich in mehreren spätgotischen Hallenkirchen, die im Kanton Graubünden von Voralberger Baumeistern, wie Baltasar Bilgeri, Andreas Bühler, aber auch von Stefan Klaim (Osttirol), geschaffen worden sind. An Gewölberippen, Triumphbögen und Diensten finden wir dünne schlämmenartige Putzüberzüge, in denen mit einem Kamm (Regulakirche Chur, 1504), oder mit einem feinem Spitzeisen (Klosterkirche Cazis, Ende 15. Jahrhundert) und mit anderen Werkzeugen Steinmetzspuren imitiert wurden. Diese Architekturelemente sind entsprechend der Tradition grau, teilweise gelb gefasst. Das Beil, die Spachtel und Hämmerchen mit Schneidflächen sind weitere Instrumente mit denen Intonacooberflächen im 17. bis 18. Jahrhundert strukturiert worden sind.

Eines der perfektesten Beispiele solcher Arbeiten finden wir an den Fassaden von zwei Palazzi des 17. Jahrhunderts der Herren von Salis. Eines in Bondo, das andere unweit davon, in Soglio, beide im graubündnerischen Bergell. Die durchschnittlich 18 mm erhabenen, aus den geglätteten und weiss getünchten Wandflächen abgesetzten, Eckquader und die unter den Fenstern durchlaufenden Gurtbänder sind mit Kalkputz geformt. Die statisch wichtigen Tür- und Fenstergewände sind aus grauem Gneis. In den bereits steif gewordenen, aber noch feuchten Verputz, hat man mit einem feinen Steinmeissel den Randschlag und mit dem entsprechenden Werkzeug die Innenflächen der Quader und Gurten gekörnt, genauso, wie die Steinmetze vorgehen. Man muss die Details schon von sehr nahe betrachten, um die ungestrichenen, echten Werksteine von den Imitationen unterscheiden zu können. Dass solche Imitationen noch im 19. Jahrhundert gepflegt wurden, belegt das letzte Beispiel. Das von Semper gebaute Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, im Stil der Neurenaissance, zeigt Architekturgliederungen mit Quader und Gurten aus Putz. Sie lassen sich von den ortsüblichen Molassesandsteinen überhaupt nicht unterscheiden, auch nicht die Oberflächenbearbeitung dieser Steinimitationen.

Literatur

Emmenegger Oskar:
Diverse Dokumentationen, Restaurierungs- Untersuchungsberichte: Kapelle Sta. Maria in Pontresina, Pfarrkirche St. Andreas in Chamues-chel, Kapelle San Gion in Celerina, Schloss Haldenstein, Kapelle San Rocco in Grono, Pfarrkirche in Mon, Pfarrkirche Pitasch, Evang. Pfarrkirche St. Ignatio Poschiavo, Torre Comunale Poschiavo, Kath. Pfarrkirche Poschiavo, alle MS im Archiv der Kant. Denkmalpflege Graubünden, in Chur. Schloss Wyher in Ettiswil, Jesuitenkirche Luzern, MS in Kant. Denkmalpflege Luzern, Valeriakirche Sion im Archiv der EKD Bern. Dies sind nur einige der vielen MS.

Emmenegger Oskar, Knöpfli Albert:
Das Farbgewand der reformierten Kirchen von Poschiavo in: Unsere Kunstdenkmäler XXIV/2, 1973.

Heidenreich, Jenny Willhelm:
Wörterbuch der Kunst, 1966, Stuttgart.

Koller Manfred, Bauer Willhelm:
Putz und Farbe in der Austro-italienischen Architektur um 1670 in: Rénnion de Camité de l'ICOM pour la Conservation, Madrid 1972.

Reclams Handbuch der künstlerischen Technik, Band 2, Wandmalerei, Mosaik, Stuttgart 1990.

Knoepf Hans:
Bildwörterbuch der Architektur, 1968, Stuttgart:

Lieb Norbert:
Barockkirchen zwischen Donau und Alpen, München 1953.

Poeschel Erwin:
Die Kunstdenkmäler Graubündens Band II 1937, Band II 1940, Band IV 1942, Band V 1945, Band VI 1945.

Pursche Jürgen:
Historische Putzbefunde in Bayern. Zu ihrer Typologie, Konservierung und Dokumentation. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, Jahrgang 2/1988, Heft 1, 1.7 5L-52.

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