Felsen- und Höhlenmalereien
Autor: Prof. Oskar Emmenegger
Wandmalerei ist, was die Verwitterung betrifft, ein Spezialfall in der Gruppe
steinartiger Stoffe. Sie darf aber trotzdem nicht einzeln, sondern muss im
Zusammenhang mit dem Bildträger Verputz, Mauerwerk oder einer Felswand beurteilt
werden.
Bei der Verwitterung unterscheiden wir zwischen äusseren atmosphärischen
Einwirkungen und inneren Einflüssen, den Materialeigenschaften. Die äusseren
Einflüsse (Witterung) richten sich nach den örtlichen Gegebenheiten und sind
daher verschieden.
Die Eigenschaften der einzelnen Materialien sind für das unterschiedliche
Verhalten bei Verwitterung verantwortlich. Unbeständige Materialien sind beim
Verwittern sehr leicht verletzbar. Farbpigmente, Putz, Mauerwerk und Felswände
verwittern an der Oberfläche, also an dem der Atmosphäre ausgesetzten Teil.
Wir unterscheiden zwischen drei verschiedenen Verwitterungsarten:
- Die mechanische Verwitterung
- Die chemische Verwitterung
- Die biologische Verwitterung
Bei der mechanischen Verwitterung sind Vorgänge wie Temperaturverwitterung,
Frost- und Salzsprengung oder Wurzelsprengung für die Zerstörung von Bildträger,
Verputz und Malschicht verantwortlich. Beim Zerfall ohne chemische Umwandlung
werden die Steinoberfläche und Verputze in Bruchstücke und Einzelmineralien
zerkleinert. Der mineralische Bildträger wird abgesprengt, Putze sanden aus und
Farbanstriche pudern ab oder werden abgestossen.
Bei der Temperaturverwitterung dehnen sich beim Erwärmen die Mineralien aus
und ziehen sich beim Abkühlen wieder zusammen. Durch wiederholtes Ausdehnen und
Schrumpfen kann der Mineralienverband im Stein und Verputz, sowie bei speziell
wärmeaufnehmenden Pigmenten wie gelb, rot, braun und schwarz gelockert werden,
so dass diese zu Sand respektive zu Farbpulver zerfallen. Die oberste Schicht
des Steins oder des Mörtels dehnt sich beim Erwärmen, während sich die tiefer
liegende Schicht nicht oder kaum verändert, da sie weniger erwärmt wird. Es
kommt zu Absprengungen von Schalen und Platten am Bildträger und der Malschicht.
Frostprengungen
Wenn Wasser gefriert, dehnt es sich bis zirka 9% aus, wobei ein Druck bis
zirka 2000 Kilogramm auf einen cm2erreicht wird. Gefriert das Wasser
in den bis 90% gefüllten Hohlräumen und Poren von Gestein und Putz, kommt es zur
Frostsprengung.
Bei Frost ist nicht die erreichte Tiefe der Temperatur für die Schäden
massgebend, sondern die Häufigkeit der Frostwechsel. Die Schäden sind grösser
bei Auf- und Abtemperaturen um 0° Celsiusals bei anhaltenden
Kälteperioden.
Besonders gefährdete Teile eines Bauwerkes und somit die in diesem Bereich
vorkommenden Malereien sind:
- Bauteile im Bereich der Grundfeuchte.
- Bereiche mit stehendem Wasser wie Gesimse und Fensterbänke.
- Schneeschmelzwasser an Bereichen die nach Osten und Süden gerichtet sind.
- Alle Zonen, die sich schnell abkühlen können.
- Bereiche bei defekten Dachrinnen und Abfallrohre, Dächer, Risse u.s.w.
Salzsprengung
Sie entsteht ähnlich wie die Frostsprengung. Salze kristallisieren in Poren
und Hohlräumen von Steinen und Verputz. Es entsteht Druck auf die Wände der
Hohlräume beim Kristallisieren der Salze oder durch ausdehnen der Salze bei der
Wasseraufnahme.
Es gibt drei Arten von Salzsprengungen:
- Durch Kristallindruck beim Kristallisieren in Poren und Hohlräumen.
- Durch Volumenvergrösserungen bei der Umkristallisation unter
Wasseraufnahme. Es ist die gefährlichste Art von Salzsprengung.
- Kristalle, die auf porösem Untergrund wachsen, können Putz und Malpartikel
abheben.
Die häufigsten bekannten Salze im Bildträger und der Malerei sind:
|
Sulfate: |
Natrium-, Calcium-, Magnesium- und Kaliumsulfat. |
|
Nitrate: |
Natrium-, Calcium-, Magnesium- und Ammoniumnitrat. |
|
Chloride: |
Natriumchlorid (Kochsalz), Kaliumchlorid. |
|
Karbonate: |
Natriumkarbonat. Es ist meistens im Zusammenhang mit
alkalischen Baustoffen wie Zement und Kaliwasserglass zu finden. |
Finden sich Salze an der Bild-, Putz- oder Steinoberfläche, spricht man von
Salzausblühungen. Dabei werden Putz, Stein oder Farben durch Absanden zerstört.
Finden sich Salze unter der Oberfläche des Bildträgers oder der Malschicht
entstehen Schalenbildungen.
Wo kommen Salze vor ?
Sie lagern sich immer dort ab, wo Wasser verdunstet, an der Grenze
nass/trocken. Sie sind besonders dort konzentriert vorhanden, wo das Wasser nach
Niederschlägen am längsten zurückbleibt.
- Im Bereich der Grundfeuchte.
- Unter Mauer- oder Felsvorsprüngen.
- Seitlich von undichten Wasserabläufen.
- Über dichten Sockeln aus Stein oder Zementputz.
- Überall wo Wasser eindringt.
Woher stammen die leichtlöslichen Salze ?
- Von der Grundfeuchte mit Salzen, die im Boden in Lösung sind.
- Aus Gestein und Mörtel selbst, wo sie in Spuren vorhanden sind und sich
dann an bestimmten Stellen konzentrieren können.
- Aus der Luftverschmutzung durch Reaktionen der Schadstoffe mit den
Gesteinen, Mörteln und Farben.
- Von Streusalzen, die im Winter oft in grossen Mengen verwendet werden.
- Von Zementmörteln: Portlandzement enthält bis zu 50% lösliche Alkalien die
zu Salzausblühungen führen.
- Von Reinigungsmitteln die oft leichtlösliche Salze oder Stoffe, die zu
solchen führen, enthalten.
Weitere mechanische Einwirkungen
Bestimmte Materialien, als Zuschlagstoff in der Mörtelmischung verwendet,
können quellen bei Wasseraufnahme und schwinden bei Wasserabgabe, zum Beispiel
Pflanzenfasern, Tongallen, Pyrit in Verputz und Mauersteinen und
Mergeleinschlüsse in Kalksteinen. Beim Quellen übertragen diese Materialien
Druck auf die Umgebung wobei Risse oder Absprengungen entstehen.
Chemische Verwitterung
Die chemische Verwitterung unterscheidet sich von der mechanischen dadurch,
dass die Mineralien von Stein und Verputz selbst angegriffen und chemisch
umgewandelt, beziehungsweise aufgelöst werden.
Bei der Lösungsverwitterung vermag Wasser bestimmte Mineralien zu lösen, so
zum Beispiel in geringem Masse auch Kalk, vorallem wenn Kohlensäure im Wasser
ist. Dabei entstehen Höhlen und Kavernen.
Die Löslichkeit von Kalk und Gips in Gramm pro Liter ergibt bei 20°
Celsius:
bei Kalk in kohlensäurefreiem Wasser 0,014g/l
bei Kalk in kohlensäurereichem Wasser 1,090g/l
bei Gips 2,040g/l
Chemische Wirkung des Wasser mit Verbrennungsgasen:
Der grösste Anteil der Luftverschmutzung stammt von Verbrennungsgasen aus
Verkehr, Industrie und Heizungen. Verschmutzte Luft enthält vorallem die
Schadstoffe Schwefeldioxid SO2, Chlor Cl und Fluor Hf. In der Luft
führt Schwefeldioxid zu Schwefelsäure und Sulfate, Chlor zu Salzsäure und Fluor
zu Flussäure. Diese Säuren werden durch den Regen auf Stein, Putz und Malflächen
abgelagert. Sie lösen den Kalk, das Bindemittel von Steinen, Verputz, Fresko und
Kalkmalereien an und bewirken so Schäden. Besonders schwerwiegend ist die
Wirkung von Schwefeldioxid SO2, es trägt zur Bildung von
leichtlöslichen Salzen bei.
Biologische Verwitterung
Biologische Verwitterung nennt man den Zerfall von Stein, Mörtel oder Malerei
durch Pflanzen und Tiere. Höhere Pflanzen treiben ihre Wurzeln oder Arme in
Spalten und Risse von Felsen und Mauerwerk und zwischen Putzschichten. Unter
günstigen Bedingungen setzen sich Flechten in Rissen und Putzabsprengungen an
oder überwachsen Stein- und Putzoberflächen. Sie können in einer Tiefe von 2 mm
bei entsprechender Feuchte Stein und Putz entmineralisieren. Auf der intakten
Putz- oder Malereioberfläche bilden Flechten Calciumoxalat. Dieses liegt als
harte Schale auf Stein, Mörtel und Malschichten. Sie platzen bei entsprechenden
grossen Flächen von der weicheren Unterlage ab. Oxalate sind die Salze der
organischen Oxalsäure.
Auch Pilze verursachen Schäden an Malereien durch Verfärbung der Farben und
Anlösen der Farben und Bindemittel von Steinen, Verputz, Wandmalerei.
Algen wachsen 2 bis 3 mm tief in Stein und Putz. Dies entspricht der
Eindringtiefe des Lichtes. Das Wachstum der Algen ist abhängig von Licht und
Feuchtigkeit. Hierzu genügt auch das Licht von Lampen, wenn es in der
entsprechenden Wellenlänge strahlt. Glühbirnen mit 40 bis 60 Watt genügen
bereits. Oft werden Kirchen Nachts mit Flutlichtanlagen beleuchtet. Begünstigt
durch die grössere Luftfeuchtigkeit während der Nachtzeit wuchsen an diesen
Kirchen plötzlich Algen.
Bakterien sind in der Lage mit Säuren Gestein, Verputz und somit auch
Wandmalerei zu zersetzen. Biologischer Befall ist nur möglich wenn die
Lebensbedingungen, die nötige Feuchtigkeit und der richtige Nährboden gegeben
ist.
Einflüsse unter Mitwirkung des Wassers
Ausser der Temperaturverwitterung ist Wasser für die meisten Schäden an
Natur- und Baudenkmäler mitverantwortlich:
- Als Sprengmittel bei Frost.
- Als Quellmittel für Tonmineralien, organische Zuschlagstoffe im Putz und
Bindemittel der Farben.
- Als Sprengmittel bei Eisenhydroxid (Rost).
- Als Transportmittel für Salze
- Als günstige Voraussetzung für das Wachstum von Pflanzen, Algen, Flechten,
Pilze, Bakterien, Milben u.s.w.
- Als mechanischer Schaden bei permanentem Tropfen mit Wasser.
Die Feuchtigkeit an Naturdenkmälern wie Höhlen, Felsvorsprüngen, Grotten
kommt von unterirdischen Wasserläufen, ungünstigen Klimasituationen, an Bauten
durch Baufeuchtigkeit, Niederschlagsfeuchtigkeit, Luft- und
Kondensationsfeuchte.
Bei der Kondensation spielt die Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle. Luft
vermag eine bestimmte Menge an Wasserdampf aufnehmen. Je wärmer die Luft, desto
mehr Wasserdampf. Ist die Luft gesättigt an Wasserdampf, dann hat sie bis zu
100% relative Luftfeuchtigkeit und kann bei entsprechender Temperatur nicht mehr
Wasserdampf aufnehmen.
Die folgende Tabelle zeigt wieviel Gramm Wasser ein Kubikmeter Luft als
Wasserdampf bei 100%iger relativer Luftfeuchtigkeit (Sättigung) enthält:
Temperatur gr./m3
30o C |
30,3 |
20o C |
17,3 |
10o C |
9,4 |
0o C |
4,8 |
-10o C |
2,2 |
-20o C |
0,85 |
Kühlt sich die gesättigte Luft zum Beispiel von 20°Celsius auf 0°
Celsius ab, werden nach obiger Tabelle 12,5 g (17,3 bis 48) Wasser pro
Kubikmeter Luft ausgeschieden.
Kommt warme feuchte Luft mit einer kühlen Fläche in Berührung kühlt sie sich
in der Nähe der Oberfläche ab, das überschüssige Wasser kondensiert. Wasser kann
auch im Innern einer Wand und Verputz kondensieren. Diffusiert feuchte Luft
langsam durch die Poren eines Mörtel von der warmen Aussenseite in die tieferen,
kühleren Zonen des Verputzes, kühlt sich die wärmere Aussenluft ab. Die
Sättigungsgrenze von 100% wird überschritten und das Wasser kondensiert an einer
bestimmten Stelle im Inneren des Mauerwerks.
Im Sommer entsteht Kondenswasser mehrheitlich an Aussenwänden und im Winter
an Innenwänden.
Aus diesen Ausführungen sollte ersichtlich sein, dass die Verwitterung ein
natürlicher nicht aufzuhaltenden Zerfallsprozess an Kunstwerken bewirkt, der
trotz all den ausgeklügelten Überlegungen und Massnahmen nicht aufzuhalten ist.
Durch zurückhaltende und gezielte Sanierungsmassnahmen im Umfeld der Malerei und
dessen Träger lässt sich der Zerfall hingegen verzögern. Unsachmässige
Sanierungs- und Konservierungsmassnahmen hingegen beschleunigen den Zerfall von
Kunstwerken.
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