Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Vorträge

Maltechnik

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

1. Allgemeines

Blättern wir Zeitungen durch, so lesen wir eigentlich "wertvolle Fresken entdeckt" oder "Fresken restauriert", wobei Fresko häufig mit Wandmalerei gleichgesetzt wird. Mit andern Worten, die Terminologie der verschiedenen, an der Wand vorkommenden Techniken ist heute noch grösstenteils unbekannt.

Wie kam es zu dieser Situation ? Bis ins 19. Jahrhundert standen die Wand- und Deckenmalereien in einem engen Verhältnis mit der Farbigkeit der Architektur. Der Handwerker war gewöhnt, mit Farben eine Oberfläche zu betonen oder zu verhüllen bzw. zu entmaterialisieren. Die Materialverfremdung durch eine Farbgebung stand als Mittel künstlerischer Aussage gleichberechtigt neben dem Einsatz des natürlich vorkommenden Materials. Das 19. Jahrhundert interessierte sich nicht mehr für den barocken Illusionismus. Die Werkstofftreue und die sogenannte Materialgerechtigkeit setzte sich immer mehr durch, was auch die Funktion der Farbe an Wand und Architektur ungünstig beeinflusste. Aber auch die einsetzende Industrialisierung, die mit neuen Fabrikations- und Verarbeitungsmethoden sowie chemischen Überlegungen das Farb- und Materialangebot stark erweiterte, ist mitverantwortlich für den Traditionsverlust. Heute bemühen sich Restauratoren, Denkmalpfleger und Technologen, die Einheit vom theoretischen Wissen und praktischer Erfahrung wieder herzustellen. Restauratoren und Denkmalpfleger werden durch ihre konservierende Tätigkeit gezwungen, sich technologiewissenschaftlich zu orientieren. Wenn sie dem Aufbau und der Geschichte einer Wandmalerei nachgehen, verfolgen sie vor allem einen konservatorisch praktischen Zweck. Aus den in der jahrelangen Praxis gewonnenen Erfahrungen stammt ein wichtiger Teil der Grundlagenforschung. Nicht nur der Zustand und die Schadenursachen sind entscheidend für die Wahl der Konservierungsmittel und Massnahmen, sondern auch das Wissen, was und wie viel verträgt die zu restaurierende Malerei, und das setzt voraus, dass man die Maltechnik eines Wandbildes vor einer Restaurierung genau erfassen muss. Ein geflügeltes Wort sagt, dass die Zerstörung eines Kunstwerkes in dem Moment beginnt, wo es vollendet ist. Denn jeder maltechnische Fehler, jede Schwäche einer Maltechnik, jede für die Wand ungeeignete gewählte Technik, jedes Zuviel an Bindemittel, aber auch jede falsch getroffene Konservierungsmassnahme etc. beschleunigt die Zerstörung.

Woran liegt es, dass an einer Wand- oder Deckenmalerei das maltechnische Vorgehen so schwierig zu erfassen ist ? Oft entspricht das technische Vorgehen nicht einer definierten Technik allein, sondern verschiedenen. In den seltensten Fällen haben wir ein werkstattfrisches Werk vor uns. Meist ist sein Erscheinungsbild durch Alterung des Materials, durch Verwitterung oder durch menschliche Eingriffe wie Übermalungen oder Freilegung verändert.

Welche Techniken kommen nun an der Wand vor ? Wie werden sie bezeichnet ? Wo ist die Bezeichnung unklar oder umstritten ? Das Buch von Paul Philippot über "Die Wandmalerei" ist sicher wegweisend. Man spricht von einem "in udo", oder seit dem 15. Jahrhundert von den in Italien eingeführten Begriffen "fresco", "fresco buono" oder "affresco" Auftrag, also vom Auftrag der Farben auf einen noch frischen Verputz. Den Auftrag der Farben auf einen trockenen Grund wie abgebundener Verputz, Stein oder Holz bezeichnet man als "in arrido" oder "secco" Auftrag. "Kalksecco", "fresco secco" oder "mezzo fresco" ist unklar.Deshalb sollten wir die Techniken der Wandmalerei in drei Gruppen einteilen:

  • Freskomalerei
  • Kalkmalerei
  • Seccomalerei

Da nur wenige Restauratoren, Technologen und Kunsthistoriker in der Lage sind, diese drei Gruppen eindeutig zu unterscheiden sollten wir ganz allgemein von Wandmalerei sprechen.

2. Geltungsbereich

Da Sehen wir von den Felsen- und Höhlenmalereien ab, so setzt Wandmalerei künstlich Gebautes, nämlich Architektur mit geschlossener Bauhaut, voraus. Das Angebot von solch unbeweglichen Bildträgern richtet sich einerseits nach der Bautechnik, andererseits nach dem Baustil; spärlich bei der Form des Skelettbaues, reichlich bei den geschlossenen Flächen der "Vollwand"-Architektur. Die byzantinischen und die romanischen Bauten erwiesen sich als Malerei freundlich im Gegensatz zur wandflächenarmen Konstruktionsweise z.B. der gotischen Kathedralen. In der Gotik wurde das Wandbild in den Kulturzentren zudem durch die Glasmalerei verdrängt und fand nur noch Platz an einzelnen Pfeilern oder votivartig auf kleinen Wandflächen. Andere flächenreichere Ausprägungen gotischer Baukunst haben der Wandmalerei eine hervorragende Entfaltung ermöglicht, oft sogar stellvertretend die Architektur illusionistische ersetzt.

Die Möglichkeiten reichen also von den der Architektur nur zugefügten Folgen von Bildern in Felder- oder Registeraufteilungen, in erzählenden oder repräsentativen Formen bis zu den völlig sich einordnenden und den Bau optisch umformenden Gemälden.

3. Bildträger

Natürliche Bildträger: Fels, Höhlen, Balmen Prähistorisch (Val Carchenna) Historische Epochen: - In Fels gehauene Kammer der Etruskischen Gräber - Höhlen und Felsenkirchen, Kapadokien (Grotten -Gruft - Felsenkirchen, 7. - 13. Jh.) - Desgleichen Zypern, Pestani, Äthiopien Künstliche Bildträger:

Mauerwerke, Wände aus:

  • Stein, Erde
  • Gefach- oder Skelettbauweise, geschlossen mit verschiedenen Materialien (S. 20)

Putzaufbau:

  • Einschichtputz = Intonaco
  • Mehrschichtputz = Arriccio & Intonaco

4. Übersicht der Haupttechniken an der Wand

4.1 Die Freskomalerei

4.2 Die Kalkmalerei

4.3.1 Leim/Kaseinmalerei

4.2.2 Tempera

4.3.3 Öl, Harz- und Wachsmalerei

4.3.4 Misch-, Wechsel und Kombinationstechniken

4.3.5 Hinweis auf neuere Techniken

4.3.6 Spezial und Zusatztechniken

4.1 Die Freskomalerei

Von fresco oder fresco buono spricht man, wenn ein wesentlicher Teil der Malerei auf dem noch frischen, aber bereits druckfesten Kalkverputz ausgeführt ist. In der Regel werden die Pigmente mit Wasser, Kalksinterwasser oder Kalkmilch angerieben oder darin eingesumpft und dann auf dem Kalkmörtel vermalt. Der Kalk (Calciumhydroxid) im Verputz nimmt aus der Luft Kohlensäure auf, es entsteht die Verbindung Calciumkarbonat, das die affresco aufgetragenen Pigmente wetterfest mit dem Verputz abbinden lässt. Beim fresco-Malen ist ff. zu beachten:

  • Die Bindung der Pigmente bei der Karbonatbildung des Kalkes erfolgt nur bei noch feuchtem Putz.
  • Die Calciumkarbonatbildung beginnt sofort nach dem Mörtelauftrag auf der Putzoberfläche. Es entsteht zuerst eine dünne Sinterschicht, die immer dicker wird und mit der Zeit die ganze Mal- und Mörtelschicht erfasst. Ist diese Sinterschicht vor dem Farbauftrag bereits zu dicht, kann sie zur Trennschicht zwischen Malschicht und Mörtelschicht werden.
  • Trocknet der Mörtel zu schnell, wird die Calciumkarbonatbildung verlangsamt oder gar gestoppt, das heisst, der Kalk verbrennt, so dass der Mörtel in den tiefer liegenden Zonen sandet. Die Pigmente sind mit Calciumkarbonat nur überlagert, nicht aber umhüllt, also ungenügend mit der Verputzschicht verbunden. Die Malerei wittert darum schon ab, bevor sie genügend mit dem Verputz abgebunden ist. - Die dem Maler zur Verfügung stehende Zeit, die Farben affresco aufzutragen, ist von der Beschaffenheit des Maluntergrundes und wie lange dieser feucht bleibt abhängig. Liegt der Verputz zum Beispiel auf einer Mauer aus porösem Material wie Ziegel- oder Sandstein, wird ihm das Wasser schnell entzogen. Dasselbe passiert, wenn das Mauerwerk zu wenig vorgenetzt wird, oder wenn die zu bemalende Putzschicht auf einem älteren Verputz (Arriccio) appliziert wird. Im Idealfall kann der Verputz während 3 bis 5 Stunden bemalt werden.
  • Durch geringe Zusätze von Eiweiss oder trocknenden Ölen kann der Abbindungsprozess um Stunden verzögert werden.
  • Fresco können nur kalkbeständige Pigmente vermalt werden.
  • Die Pigmente brauchen unterschiedliche Mengen von Bindemittel. Grosse Mengen benötigen die Lasurfarben wie Grüne Erde, Terra di Siena oder die dunkelroten, feinteiligen Eisenoxyde. Diese Farben erhalten bei der Freskotechnik zu wenig Bindemittel, da die Calciumkarbonatbildung nicht individuell erfolgt. Folglich müssen sie sehr schnell auf dem Verputz vermalt oder aber mit etwas Kalk verschnitten werden, sonst entsteht nur eine schwache Bindung mit dem Verputz, und die Witterung baut sie bald ab.
  • Es wird immer nur soviel Verputz aufgetragen, wie der Maler verarbeiten kann. Nicht am gleichen Tag bemalter Verputz ist zu entfernen.

Es gibt keine Malerei, die ganz in Freskotechnik ausgeführt ist, denn nicht alle, in der Regel verwendeten Pigmente sind freskotauglich, das heisst, einige Pigmente können nur secco aufgetragen werden. Ferner verlangten oft gewollte künstlerische Effekte ein Malvorgehen im Seccoverfahren, Secco appliziert werden auch Metallauflagen wie Gold, Zwischgold, Zinnfolien etc. oder in Model geformten Pressbrokate oder Kreidegrundgüsse, die mit Lüsterfarben oder Schwarzlotzeichnungen übergangen werden. Trotz solcher Seccoanteile darf man von Freskomalerei sprechen. Unklar bleibt, von welchen Seccoanteil an man von einer Mischtechnik sprechen soll.

Maltechnische Kniffe zur Verbesserung des Abbindungsprozesses wie Eiweiss oder trocknende Öle dem Mörtel, der Kalkschlämme oder den Pigmenten beizugeben, werden von Restauratoren, Kunsthistorikern und Naturwissenschaftern oft falsch gedeutet. Diese Zusätze, die auch Bindemittel beim Seccoauftrag sein können, sind zu oft Verzögerer. Noch heute weiss jeder Maler, der mit Kalk als Anstrichmittel umgehen kann, dass der Anstrich langsamer und somit besser abbindet, wenn dem Kalk geringe Zusätze von Kasein oder trocknenden Ölen beigemengt werden. Ein Malerstandardrezept heisst "auf 10 Liter dick gestochenen Sumpfkalk 1-2 Esslöffel Leinöl". Diese geringe Menge Leinöl kann überhaupt kein Bindemittel sein. Frage: Von welchem Anteil an spricht man nicht mehr von Verzögerer, sondern von Bindemittel?

Zu oft hört man, dass wenn auf der Putzschicht vor dem Farbauftrag zuerst eine Kalkschlämme aufgetragen wurde, es sich keinesfalls um eine Freskomalerei handeln könne. Man vergisst zu oft, dass Kalk nicht nur Bindemittel, sondern ,historisch gesehen, das einzige freskotaugliche Weiss war. Entscheidend, ob die Malerei oder Anteile davon in Freskotechnik ist oder nicht, bestimmt nicht das Vorhandensein einer Kalkschlämme oder Zusätze von trocknendem Öl oder Eiweiss (Verzögerer). Massgebend ist, dass die Kalkschlämme, resp. die Farbe oder Paket Kalkanstrich und Farbe auf den noch frischen Verputz aufgetragen wird. Eine gut abgebundene Freskomalerei weist immer einen leichten Seidenglanz auf. Seccoaufträge oder zu späte aufgetragene Farben setzen sich matt ab.

5. Schichtaufbau zur Malhaut

  • Arriccio-Skizze = Sinopie
  • Intonaco-Skizze = Unterzeichnung bestehend aus Zirkelschlag, Schnurschlag, Detailzeichnung, Ritzen, Lochpause, Durchdrücken, Schablonen
  • Untermalung = Veneda, Verdaccio, Lokalton
  • Schattierung = Lasuren, Schraffen, Deckenauftrag
  • Weisshöhnung = pointilistisch, strichelnd MA, vertreibend Renaissance und Barock
  • Binnenzeichnung = Vorzeichnung, Endzeichnung, Kontorierung

6. Pontate, Giornate

Betrachtet man ein bemaltes oder unbemaltes historisches Intonaco im Streiflicht, erkennt man nicht nur die Oberflächenstruktur des Verputzes, die durch die Handschrift des Maurers und durch das verwendete Applizierinstrument entstanden ist, sondern es lassen sich auch die sogenannten Pontate und Giornate ablesen. Bei einem Verputz ohne Malerei sieht man vor allem die Pontate, deren Entstehung von den Gerüstgängen abhängig ist. Die an einem Tag verputzte Intonacofläche wird Giornate genannt. Sowohl Pontate als auch Giornate zeichnen sich durch eine sichtbare Naht ab. Wird nun eine Wand mit Freskomalerei versehen, richtet sich die Tagesleistung nicht mehr nach dem Maurer, sondern nach dem Leistungsvermögen bzw. Ausführungsplan des Malers. Die am selben Tag aufgetragenen und bemalte Intonacofläche wird wesentlich kleiner, man sieht also viel mehr Giornatenähte.

Wie entstehen Pontate und Giornate ?

Pontate gibt es grundsätzlich nur an einer Wand oder an den unteren Gewölbeanfängen. Sie richten sich, wie oben erwähnt, nach den Gerüstgängen und verlaufen folglich mehr oder weniger immer waagrecht. Man spricht heute auch von einer Pontate, wenn die waagrechten Putznähte sich nicht nach den Gerüstgängen orientieren, sondern nach den oberen und unteren Begrenzungen eines Bildfrieses. Eine Giornatenaht richtet sich nach dem Gestaltungswillen oder dem Arbeitskonzept des Malers und kann daher waagrecht, senkrecht, diagonal oder auch rund verlaufen. Die Nahtstellen entstehen dort, wo mit auftragen und bemalen des Verputzes aufgehört wurde und wo frühestens am folgenden Tag eine weitere Intonacofläche appliziert wurde. Man erkennt die Nahtstellen dort wo die Ränder der älteren Intonacofläche mehr oder weniger präzise abgeschnitten sind und das neue Intonaco daran anstösst. Als Beispiel seien die Malereien von Masaccio in der Kirche Sta. Marai Novella in Florenz, die Lettner-Malerei, Ende 15 Jahrhundert, in Sta. Marai della Grazia in Bellinzona und die Malereien von Paul Troger im Kloster Melk, 18. Jahrhundert, erwähnt. Mehrheitlich jedoch trifft man Pontate- oder Giornatenähte, wo die neue Intonacofläche die bestehende überlappt. Pontate lassen sich in der Regel besser als die Giornate ablesen.

Wie stark sich eine Giornate abzeichnet, ist abhängig von der Korngrössenverteilung des Zuschlagstoffes im Mörtel. Ein feiner Mörtel erlaubt eine besser Angleichung an das bestehende Intonaco. Die byzantinischen Malereien zum Beispiel liegen auf einem Verputz, der fast ausschliesslich aus Kalk besteht. Die Zuschlagsstoffe sind zwischen 5 bis 20 % zu Heckseln geschnittenen Stroh oder Werg gelegentlich geringe Anteile feinen Sandes. Mit einer solchen Mörtelmischung lassen sich Intonaconähte praktische unsichtbar ineinander verarbeiten.

An ein bereits abgebundenes Intonaco lässt sich die neue Auftragsfläche nicht mehr unsichtbar angleichen.

Die Auftragsdicke des Intonacos und ein gut vorgenetzter Grund ist mitentscheidend, dafür wie stark sichtbar die Putzanschlüse werden. Ein in einem Innenraum dick aufgetragenes Intonaco aus einem feinen Kalkmörtel lässt sich problemlos noch am folgenden Tag, bei günstigen Arbeitsverhältnissen sogar noch nach zwei Tagen, fast unsichtbar an die bestehende Intonacofläche anpassen. Dies ist der Grund, weshalb man bei einem mittelalterlichen Freskomalereien die Pontate im Gegensatz zu den Giornate immer gut sieht, vor allem bei übereinanderliegenden Registern von Bildzyklen. Die Putzgrenze des unteren Bildrandes eines Bildregisters ist bereits mehrere Tage oder Wochen alt, also bereits trocken und hart, wenn der Anschluss einer neuen Bildreihe erfolgt. Sieht man innerhalb einer bemalten Intonacofläche scharf sich abzeichnende Nähte, die eindeutig keine Pontate sind, darf man diese nicht einfach als Giornatogrenze bezeichnen. Viele Technologen, Kunsthistoriker und Restauratoren, die von einer theoretischen und zu wenig von der praktischen Seite her analysieren, beurteilen die Situation falsch. Die Tagwerktheorie lässt sich nicht einfach verallgemeinern. Schlecht verarbeitete und daher gut sichtbare Anschlussnähte scheinen immer verdächtig, keine Tagwerke, sondern Putzanschlüsse zu sein, die erst nach Tagen erfolgten. Die aktuelle Tagwerktheorie ist an früh- und hochmittelalterlichen Freskomalereien nur beschränkt gültig. Sich klar abzeichnende bemalte Registerfelder sind fast immer Arbeitsflächen von mehreren Tagen. Die wirkliche Tagesleistung innerhalb dieser Felder bleibt für den nicht versierten Fachmann unlesbar.

Interessant ist ein Hinweis aus dem Kapitel 59 vom "Malerhandbuch des Malermönches Dionysios vom Berge Athos". Die Übersetzung des Kap. 59 von Berger in "Quellen und Technik der Fresco-, Öl- und Temperamalerei des Mittelalters (München 1912), Seite 93 (?) lautet: "...Poliere deren Oberfläche und wende das Schwarze (Veneda) an, poliere die Gewandung und lege den Grund an. Suche schneller als in einer Stunder fertig zu malen, was du poliert hast, denn wenn du lange wartest, so zieht es Haut, nimmt die Farbe nicht mehr an,...

Dieses Kapitel 59 macht deutlich, dass der Maler darauf aufmerksam gemacht wird, die aufgetragene und polierte (geglättete) Intonacofläche innerhalb einer Stunde zu bemalen. Ferner ist aus dem Text zu entnehmen, dass die Fläche für das Schwarz (Veneda) zuerst poliert und bemalt wurde, dann die Fläche mit der Gewandung usw. Also ein Vorgehen nach abgestimmten Flächenportionen und der Reihenfolge, zuerst der Hintergrund, dann das Gewand und dann erst Gesicht und Hände. Daraus ist aber auch zu entnehmen, dass bewusste Unterteilungen gemacht wurden, weil der Maler nicht imstande ist, innerhalb einer Stunde grosse Flächen zu bemalen, geschweige denn ein ganzes Registerfeld an eine ganzen Tag. Fassen wir zusammen:

  1. Der Begriff Giornate und Pontate ist richtig, nicht aber überal verwendbar, wo sich Putzanschlüsse durch Nähte abzeichnen. Also nur dort, wo sie das Feld einer wirklichen Tagesleistung markieren, wie dies grösstenteils bei Giotto, seiner Nachfolger und den barocken Malern der Fall ist.
  2. Es gibt zwei Arten von Giornte: Bei der einen überlappen die Anschlüsse der Putzübergänge. Sie wurden durch Glätten oft nahezu, unsichtbar, ineinander verarbeitet. Die anderer Art von Giornate entstand dadurch, weil die übrigen unbemalten Partien präzise abgeschnitten wurden und die später folgenden daran anstossen. Diese Art von Putzanschlüssen lässt sich nicht verbergen und bleibt daher immer gut abzulesen.
  3. Die überlappenden Übergänge (Giornate) sind typisch für die byzantinischen Malereien und deren verbreitete Tradition im Früh- und Hochmittelalter. Die anstossenden Giornate sind typische für die römische Malerei und werden von Giotto in Italien wieder aufgenommen und verbreitete.
  4. Beide Varianten arbeiten nach mehreren entsprechenden Auftragsportionen innerhalb einer Tagesleistung, deren Grössen sich nach dem Thema richten.
  5. Dieses Vorgehen, auf das in Kellenportionen aufgetragene Intonaco, sofort zu zeichnen und zu malen, hat nur für das Fresko Gültigkeit, nicht für Seccomalereien.
  6. Die Kalkmalerei geht ähnlich vor. Entweder werden im obigen Sinne die Intonacoskizzen affresco gemalt und nachher die zu bemalenden Arbeitsflächen portionenweise mit Kalk angelegt oder aufgeschlämmt. Oder man umging die Intonacoskizze und zeichnete direkt auf die Kalkschlämme und bemalte diese.

7. Sinopien / Arriccio-Skizze (126-28)

Der für sie üblich gewordene Name Sinopie rührt vom Material her, mit welchem man die Umrisszeichnungen auf dem Arriccio ausführte, nämlich mit der Rötel. Es ist dies ein roter Ocker besonderer Qualität, der in Sinop am Schwarzen Meer gewonnen wird.

Plinius (XXXV Buch Kap. 4.13) nennt drei Sorten verschiedener Helligkeit. Die Materialbezeichnung verblieb der Arriccio-Skizze, als diese auch mit anderen Farbkörpern und Farben ausgeführt wurde. So kennt man heute Sinopien in Schwarz, Grün, Gelb und Rot. Sie liegt grundsätzlich auf dem Arriccion und setzt daher immer einen Mehrschichtputz voraus. Mit der Sinopia erprobte der Freskant noch nicht gereifte Kompositionen auf ihre Erscheinung in der Fläche und im Raum. Er musste sich auf ein phänomenales Gedächtnis verlassen können, da die Arriccio-Skizze mit dem Auftrag des Intonacos dem Auge wieder entzogen wird. Die Deckung der Sinopien mit den ausgeführten Werken ist oft ganz erstaunlich.

Bereits an pompejianischen Malereien gibt es Beispiele dafür, so im Hause des Labyrinth (2. Stil 80 v. Chr. - 20 n. Chr.) und Magdalenenberg Kärnten. Mit dem Schwinden der antiken Mehrschichtputztechniken gehen auch die Sinopiavorkommen zurück. bei der byzantinischen Malerei war es deren weitgehend vorprogrammierten Charakter, der offenbar weitgehend auf Sinopia verzichten liess. Sie werden auch in keine der byzantinischen Malerhandbücher erwähnt.

In Italien bestand allem Anschein nach eine dünne Tradition weiter, denn in Brescia San Salvatore sind schwarze Sinopien erhalten, die um 770 entstanden. Otto III. liess 997 im Aachener Dom an den Umgangsgewölben Malereien von einem italienischen Meister ausführen, welche ebenfalls Sinopien zeigen. Erst in spätromanischer Zeit setzte man in der Toscana die Sinopie wieder ein. Sie wird nun in Italien fast allgemein angewandt und erreichte auch italienisch beeinflusste Gebiete wie die südlichen Alpentäler: Kärnten, Tirol, Graubünden, Tessin, Südfrankreich. Im Norden der Alpen bleibt die Sinopien nur eine Ausnahme. Im 15. Jh. ersetzte man den Entwurf an der Wand durch Vorlagen und rationalisierte im Laufe des 15./16. Jh. die Übertragung durch Pausen. Dadurch erübrigte sich die Sinopie. Erst in der barocken Grossmalerei fand die Sinopia wieder Verwendung und dies im gesamten Europa.

7.1 Beispiele ab der Romantik

  • Pontresina, Sta. Maria, um 1230, gelb
  • Waltensburg, Waltensburger Meister, 1330, rot
  • Chur, Kathedrale, Waltensburger Meister, 1330, rot
  • Avignon, Kathedrale Simone Martini, 1340, gelb
  • Pisa, Campo santo, 1360
  • Pestani, am Ochrider See, um 1370
  • Bevers, Aussenbilder, um 1370
  • St. Veits, Kärnten, 1406 - Arezzo, Palazzo Communale v. Parri Spinelle, 15. Jh.
  • Florenz, Chlostr Verde, Paolo Mullos, Ende 14. Jh.
  • Tirol, überall, 14. bis Ende 15. Jh.
  • Barock, praktische jedes Wand- und Deckenbild ab 18. Jh.
  • Piva, Jugoslavien, 18. Jh.

8. Intonaco-Skizze - Unterzeichnung

Die geometrischen Schemata der Sinpoie auf dem Arriccio werden wiederholt, doch gehen die Unterzeichnungen schon stärker auf Einzelheiten ein.

Friese, Felder, Hauptachsen von Figuren werden durch Zirkel, Schlagschnur und Ritzinstrumente markiert. Feldereinteilungen, Friesgrenzen, Achsenmarkierungen trugen die Ägypter des alten Reiches bereits mit der rötelgefärbten Schlagschnur auf. Sie skizzierten auch rot vor und wiederholten die endgültige Zeichnung in roten mehr in schwarzen Linien. Das blose Einritzen erlaubt, die Umrisse bis zur Vollendung der Malerei vor sich zu haben. Sie lässt sich zuerst in Mesopotamien nachweisen, so 1900 v. Chr. in Mari oder im 8./7. Jh. v.Chr. im Til Barsib. Im europäischen Bereich kommen die ersten eingeritzten Konstruktions- und Hilfslinien im kretischen Knossos vor, etwa um 1500 v. Chr. Wenig später mit der rotgetränkten Schlagschnur im mykenischen Tyrins um 1500 v. Chr. und bei den etruskischen Grabkammermalereien des 6.-3. Jh. v.Chr. die Etrusker markierten darnach die Figurenumrisse in Ritztechnik, legten dann die Grundtöne an, die oft beträchtlich von der geritzten Zeichnung abwichen. Die Technik hielt sich, zum Teil vereinfacht, in der Spätantike, im gesamten Mittelalter und der Frührenaissance. In Frankreich kennt man für das Mittelalter ein besonders aufschlussreiches Beispiel, das den Weg von den Konstruktionslinien bis zum vollendeten Bilde in Etappen aufweist. Durch die Auflösung des Ordens Chapelle des Templiers de Montbellet (Saone et Laire) um 1314 zur Zeit verlassen worden war, als die Ausmalung eben im vollen Gange war. Hinterlassen wurden Bilder in verschiedenen Stadien, von den ersten Markierungen bis zu den Pentimenten des fertigen Werkes. Nicht selten werden gelbe Unterzeichnungen mit Rot korrigiert (Pentimente). Für Trockenauftrag werden Kohle, Rötel und Bleistift verwendet; mit Steinen, Knochen und Holzstäben geritzt. Für Unterzeichnung wurde benutzt: Gelber Ocker oder Terra di Siena natur als gelb; für rot: Siena gebrannt oder Ocker gebrannt; für grün: Grüne Erde und für schwarz: Pflanzenschwarz.

Beispiele in Rot:

  • Müstair
  • Brescia
  • Oberstenfeld, St. Peter, um 1300
  • Bergè la Ville, 12. Jh.
  • Oberwinterthur, um 1310
  • Waltensburger-Meister, usw.

Beispiel in Gelb:

  • Praktisch alle byzantinischen Malereien
  • Pontresina, 1230
  • Assisi, Cimabue 1272-80, Giotto, um 1300, Simone Martini 1322-26
  • Casti, rot-gelb
  • Waltensburg, aussen rot, innen gelb

Beispiele in Schwarz:

  • Prägarten, Maria Saal, 1435
  • Burg St. Johann, um 1430
  • Sitten, Valeria, Maggenberg, um 1435

Beispiele in Grün:

  • Mazedonien, Ochrid, St. Johann, 11. Jh., gemischt
  • St. Puy (Haute-Loire), Notre Dame, 12. Jh.
  • S. Angelo, Formis, 12. Jh. - Prugiasco, Negrentino, 12. Jh.
  • Aquileia, Domkrypta, 12./13. Jh.
  • Staro Negroricion, 13./14. Jh. schwarze Sinopia und grüne Unterzeichnung
  • Thörl, Kärnten - Thomas v. Villach, 1480
  • Pontresina, Sta. Maria, 1495

Die wichtigsten Übertragungsarten sind:

  1. Übertragen durch Koordination (Quadratraster).
  2. Durch Herstellen von Schablonen, indem man den Karton zerschneidet.
  3. Mittels Durchdrücken einer Vorlage auf den noch frischen Putz, auf welchem sich die Ritzlinien dann abzeichnen.
  4. Durch Lochpausen (Perforieren).

8.1 Koordinatenübertragung

Obwohl dem Architekten oder dem Steinmetzten wie dem Zeichner von Musterbüchern das Quadratnetzsystem bekannt war, fand es in der Wandmalerei erst im 15. Jh. Anwendung. Schon den ägyptischen Steinhauern war es bekannt. Als einer der Ersten an der Wand dürfte es Tommaso, genannt Masaccio, 1401-1428, angewandt haben, und zwar in Florenz, Sta. Maria Novela das Trinitätsfresko. Der Verbreitung der Methode war vor allem Leon Battiste Albertinis Schrift "Della Pittura Libri III" 1435 förderlich, welche Brunneleschi gewidmet ist. Es sind Zeitgenossen Albertinis gewesen, die sich der neuen Errungenschaften angenommen haben. Nebest Masaccio, Fra Fillipo Lippi und Luca Signorelli, 1441-1553.

8.2 Durchdrückverfahren

Als Werkzeug dienten Knochenadel, Hornstiel. Das Instrument presst die Zeichnung in den frischen Putz, die als leichte Ritzlinie im Verputz wieder zu erkennen ist. Rafael wandte diese Übertragungsart an. Michelangelo und die Signorelli ritzten mittel Knochenspitzen durch. Im 17. und 18. Jh. ist das Durchdrückverfahren an Wand- und Deckenbildern kaum mehr wegzudenken.

8.3 Karton und Pausen

Die anspruchsvoller und komplizierter gewordenen Bildprogramme haben zusammen mit einer schrittweise intensiveren Erfassung perspektivisch verwickelter Bildräume dazu geführt, unabhängig von der Wandfläche auf einem gesonderten Träger (Pergament, Papier) zu entwerfen. Der Wechsel vollzog sich hauptsächlich im 15. Jh. Mit der Überschrift zu Kap. 16 in Vasaris "Introduzione" ist gleichzeitig auch die Reihenfolge des Vorganges mitgegeben. "Degli schizz, disetgni, cartoni et ordine die prospettive" das heisst, der Weg von der ersten flüchtigen Skizze zur ausführlicheren Entwurfszeichnung, die dann auf dem Karton 1:1 vergrössert erscheint.

Nach Vasari: Jeden Tag dasjenige Stück des Karton herausschneiden, das der Maler sich vorgenommen hat auszuführen. Er presst die Silhouette zum Beispiel einer Figur in die frisch aufgebrachte Portion Kalkputz, welche so den Umriss eingedrückt hält. Die Binnenzeichnung ritzt man mit einer Eisenspitze.

8.4 Schablonentechnik

Mit der Schablonentechnik überträgt der Maler auf mechanische Weise sogenannte "stehende, sich immer wiederholende Formenelemente". Sei es, dass diese aus einer Folie herausgeschnitten und mit dem verbleibenden Negativ eine positive Form gewonnen wird, sei es, dass um das herausgeschnittene Stück herumgemalt im Bilde einer Negativform ausgespart wird. Die Schablone erspart überall da, wo Rapporte herzustellen sind, das heisst, wo immer dieselben Motive sich wiederholen, die Kosten und Mühen der stereotypen wiederholten Aufträge.

Die älteste Schablone ist die menschliche Hand, welche der prähistorische Höhlenmaler zur Abdeckung jener Stelle benutzte, die er von aufgestrichener oder aufgeblasener Farbe frei zu halten beabsichtigte. Bei den karolingischen Malereien in Müstair wurde eine Schablone benutzt, wo der Maler die stets formgleichen Füsse malte.

Die offenbar seltene Anwendung von Schablonen für figürliche Bildszenen verlor ihren Sinn, sobald sich die Malerei dem Diktat kanonisch festgelegter Formen entzog. Als Anwendungsfelder verblieben dekoratives Beiwerk und eigentliche Bordüren und Tapetenornamentik. Man bediente sich ihrer für Imitation von Kosmatenarbeit, Masswerke, Kreuzbogenfriese, Stick- und Webemuster, Gewandsäume und Brokate mit geometrischen, pflanzlichen und tierischen Motiven.

Simone Martini benutzte Schablonen für die Dekoartionen in der Capella di San Martino. Schablonierte Vögel zieren den Vorhangsaum eines Freskos in San Quira zu Pedret in Spanien. In Ochrid, Jugoslawien, findet sich in einer ehemaligen, heute als Moschee dienende Basilika ein gemalter Heiliger, dessen Brokatgewand aufschablonierte Doppeladler zieren. Viele der italienischen Schablonenmotive, vor allem sienesischen, florentinischen und venezianischen Schule, wanderten als Ableger nach Norden. Über Südtirol erreichten sie Graubünden und Kärnten und das weitere Bodenseegebiet. Eine der bemerkenswertesten Stationen ist das Schloss Runkelstein bei Bozen. Die Vorhänge und Wandbehänge der um 1400 gemalten Wandbilder imitieren orientalische Stickmuster. Hirsch, Adler, Steinbock und Papagei sind die Hauptmotive.

9. Die Untermalung

Es gibt drei Arten von Untermalung; so den Lokalton (Grund) für Gewänder, Inkarnate, Hintergründe und seit dem Barock als Grundton den sogenannten Bolusgrund und die Imprimitura. Die anderen zwei Arten sind bekannter, nämlich die Veneda und das Verdaccio. Die beiden letzteren Arten kommen nicht nur an Wandmalereien vor, sondern auch in der mittelalterlichen Tafelmalerei.

10. Die Veneda

Sie ist eine graue bis schwarze Untermalung über der immer ein Blau, seltener ein Grün folgt. Der Name Veneda wird von Theophilus erstmals erwähnt in Kap. 15. In der byzantinischen Malerei ist die Veneda, dort Linum genannt (Dionysius Kap. 65), über alle Jahrhunderte dunkelgrau. Dasselbe gilt auch weitgehend für den Alpenraum und im Norden der Alpen. Im Süden der Alpen, vor allem in Italien wie deren Einflussgebiete gibt es auch eine rotgraue Veneda (Cennini, Kap. 83). In der Freskomalerei wird die Veneda immer in Fresko aufgetragen, die darüber folgenden Ägyptischblau, Lapis Lazuli ebenfalls. Wurde für Blau aber Azurit und im 15./16. Jahrhundert Smalte verwendet, wurden sie im Seccoverfahren über die Veneda gelegt. Die Veneda ist während des Mittelalters in ganz Europa bekannt gewesen und verschwand ab Ende des 15. Jh., ausser bei der byzantinischen Malerei. Erstmals wird die Grauuntermalung erwähnt bei Plinius (33. Buch, Kap. 5.27). Er empfiehlt über dem Paraitonium (weisser Bolus) das Atramentum (eine schwarze Schicht) aufzutragen. Denn über weiss erscheine die Chrypocolla (Malachit) zu blass. Damit ist auch ein Teil des Zweckes der Grauuntermalung erwähnt. Ein weiterer Zweck dieser Untermalung war das Sparen. Mit den teuren Blaupigmenten Lapis Lazuli und Azurit und dem Grünen Malachit ergibt sich auf der Veneda viel schneller einen deckenden Effekt. Im Bischöflichen Museum Trier sind mehrere grössere Fragmente mit figürlicher Malerei von 321 n.Chr. ausgestellt. Dargestellt sind Eroten und überlebensgrossen Portraits. Sie stammen von einer Palastanlage, die 324/26 abgebrochen wurde (22). Die Hintergründe zu diesen Eroten und Portraits zeigen die Veneda mit darüberliegendem Blau an. Es ist somit der früheste Beleg an einem Objekt mit dieser Untermalungsart (23).

11. Verdaccio

Der Name stammt aus Florenz, war im 14. Jh. bereits üblich und wird von Cennini in mehreren Kapiteln immer wieder erwähnt. Im Kapitel 67 weist Cennini auf den Begriff Bazzeo, der anstelle von Verdaccio in Siena Gültigkeit hatte. In der byzantinischen Malerei wird es Proplasmas (Dionysius, Kap. 16) genannt. Gemeint ist eine Grünuntermalung für Inkarnate. Sie kommt vor in Grüner Erde wie auch als ein Gemisch von Schwarz und Ocker oder eine Mischung aus Weiss, Grün, Ocker und Schwarz (24). Der früheste Beleg für die Anwendung des Verdaccio gibt es Trier an dem schon unter Veneda erwähnten Beispiel. Die römischen Malereien von 321 zeigen bei den Inkarnaten eindeutig das Verdaggio (25). Im 18. Jh. erlebt das Verdaggio eine kurze, wieder erblühte Fortsetzung im Süddeutschen Raum und in der angrenzenden Schweiz und in Österreich durch Einflüse von Italien. Es gibt drei Arten von Verdaccio

1. Die zeichnerische Anwendung:

Die Farben werden affresco direkt auf das geglättet Intonaco aufgetragen, was der Italienischen Methode ab Giotto bis ca. Ende 14. Jh. entspricht.

2. Das flächig angelegte Verdaccio:

Diese Variante ist in der byzantinischen Wandmalerei ab dem späten 13. Jh. bis anfangs 19. Jh. und in Italien und deren Einflussgebiete ab dem 14. Jahrhundert bis Ende des 15. Jahrhunderts belegt. Die Grünuntermalung liegt ausnahmslos voll flächig und deckend direkt auf dem Intonaco, dies im affresco, bis auf ein von O. Emmenegger untersuchtes Beispiel. In der evang. Pfarrkirche Lavin, GR, wurde das flächige Verdaccio um 1490 von einem Eister aus dem Veltlin/IT für eine Kalkmalerei angewendet. Das flächig angelegt Verdaccio ist eigentlich der Vorläufer der Impirmitura und dem Bolusgrund für die Ölmalerei auf Leinwand und der hievon abgeleiteten Ölmalerei an der Wand. Auf das flächige Verdaccio folgte jeweils die Binnenzeichnung, dann die Weisshöhnung für Lichter, darüber auf alles der lasierend aufgetragene Inkarnatston, dann das Wangenrot. Die Konturen und das Nachziehen der Binnenzeichnung wie das Setzen des Augensterns erfolgte beim Fresko meistens in Secco.

3. Das Pseudoverdaccio (modernder Begriff):

Gennini verwirft dieses Verfahren im Kap. 67: "Andere geben dem Gesicht zuerst einen Fleischton, schattieren dann mit etwas Verdaccio und Fleischfarbe, setzten mit Weiss ein paar Lichter auf und begnügen sich damit. Das ist aber die Methode derer, die wenig von Kunst verstehen. Du aber halte dich an die Malweise, die ich dir zeigen will, denn auch der grosse Meister Giotto bediente sich ihrer". Hier geht Cennini an der Wirklichkeit vorbei und sieht nur in der sicher wirklich grossen Erneuerung Giottos die grosse Kunst. Beim Pseudoverdaccio handelt es sich immerhin um eine römische und frühbyzantinische Technik, die byzantinische Maler nach Westeuropa brachten. Sie lässt sich vom 7. bis 14. Jh. laufend belegen. So zum Beispiel in Rom, Sante Maria Antiqua, die sogenannte byzantinische Madonna; Brescia, San Salvatore, 8. Jahrhundert; Reichenau, Oberzell, Sankt Georg, 10. Jahrhundert; Lambach bei Wels, Stiftskirche, 1089; Berze la Ville, Chateau de Moines, Kapelle, 12. Jh; Aquileau, Domkrypta, 12./13. Jh.; Rovio/TI, San Viglio, 13. Jh.

In Graubünden hielt sich diese Tradition weit in das 14. Jh. hinein. Der Waltensburgermeister bedientte sich in mehreren Werken des Pseudoverdaccio (von 1320 - 1340).

11.1. Lasurschichten

Unter Lasuren versteht man transparente Farbaufträge, die den darunter liegenden Lokalton, die Schattierungen und Lichthöhnungen nicht zudecken sondern durchscheinen lassen. Eine lasierende Farbschicht entsteht dadurch: A, indem die Farbe stark verdünnt wird, weshalb sie so weitauseinander gestreut auf der darunterliegenden Schicht verteilt ist, dass zwischen ihnen hindurch die darunterliegende Farbe erscheint. B, die Lasurfarbe besteht aus Pigmenten mit grobkristallinischer Struktur, die dadurch nur schwach decken. Typische Lasurfarben für die Fresko- und Kalkmalereien sind die Grüne Erde, Terra di Siena natur (gelb) und gebrannt (rot). Für die Tempera- und Ölmalerei kommen hinzu die Farblacke. Durch lasierenden Farbauftrag entstehen feinste Schattenübergänge oder man drängt damit eine zu aufdringlich erscheinende, feurige Farbe mit Lasuren zurück, was durchaus im künstlerischen Konzept einkalkuliert ist. Der dadurch entstandene Farbton zeigt Tiefe und wirkt körperhaft. Eine solche optische Mischung lässt sich durch eigentliches Mischen mit Farbpigmenten nicht nachahmen.

12. Lichter und Schatten

Erst in hellenischer/frührömischer Zeit wird die Modellierung durch Setzen von Schatten und Lichter eingeführt. Die Schatten entstanden durch dunkle Untermalungen die ausgespart bleiben von aufgesetzten Lichtern, zum Beispiel bei einem Inkarnat der für Schatten das Verdaccio oder der Bolusgrund. Bei einem hellen Grund durch übergehenden mit Lasuren von dunkleren Pigmenten. Lichter werden gesetzt mit hellen Farben auf dunkle Gründe, mit Weiss bei Inkarnaten, helle, rot oder gelb auf rote Gewänder usw. Die Intensität wie Abstufungen von Lichtern entstehen durch mehrfaches Wiederholen. An den romanischen Malereien werden auf dunkelrote Gewänder blaue Lichter gesetzt, zum Beispiel in Sant Angelo in Formis 12. Jh. der Purpurmantel mit Lapis Lazuli für die Christusdarstellunge. Dasselbe Blau diente als Schatten für weisse Kleider. Die Art der Pinselführung, mit der Lichter oder Schatten gesetzt sind, lässt sich stilistisch einteilen. Die freie, spontane und pointilistische Art, Lichter zu setzten, wie dies in hellenistischer/römischer Zeit gepflegt wurde, wiederholt sich erst im Barock. Von einem streng hierarchischen Netz gezogener Linien, das an die strengen Linien des Mosaiks erinnert, ist das Früh- und Hochmittelalter geprägt. Selbst die Art, wie in karolingischer und ottonischer Zeit für Gesichter die Weisshöhnungen gemalt wurden lässt sich von denen der Romanik unterscheiden. Die Weisshöhnungen der Romanik werden mit eng parallel nebeneinander gereihten Linien gesetzt.

Sie sind eng nebeneinander bei starkem Licht und mit grösser werdenden Abständen bei schwachem Licht. Sehr starkes Licht wurde erzielt durch zusätzliches Übereinanderlegen von weissen Linien. Bei den karolingischen und ottonischen Köpfer zweigen die in Linien gezogenen Lichter von den Augen- und Mundwinkeln, von der Nase und dem Kinn, krähenfussartig auseinander.

13. Seccoaufträge mit Fresko- und Kalkmalereien

Innerhalb von Fresko- oder Kalkmalereien gibt es immer Partien, die in Seccotechnik beendet wurden. Es sind dies Partien, die mit nicht kalkechten Pigmenten ausgeführt wurden, oder Setzen von tiefsten Schatten bei blauen und grünen Partien, für Binnenzeichnungen und Augen, aber auch für die Schwarzlotzeichungen über der flächig angelegten Kalkmalerei, wie sie typisch sind bei Malereien anfangs 16. Jh. Aber auch Partien, die mit Pigmenten gemalt wurden, die nur im Seccoauftrag die gewünschte Farbwirkung ergeben. Für solche Seccoaufträge wurden Bindemittel verwendet wie Leime tierischer Herkunft, von Pflanzen als natürliche Emulsionen, oder Kohlenhydrate, also weitgehend wässrige Bindemittel, die stark verdünnt verwendet wurden. Die Seccoarbeiten an einem Fresko oder an einer Kalkmalerei erfolgen erst, wenn sämtliche vorher ausgeführten Malvorgänge inklusive Verputz- und Kalkschichten, absolut trocken sind. Es sind also die letzten Arbeiten am Werk, sozusagen der Schlusspunkt.

14. Die Sgraffitotechnik

Vasari schildert in seinen Künstlerbibliographien als Einleitung zu Kap. XII die Sgraffitotechnik. Zitat: "Die Maler wenden noch eine andere Art von Malerei an, die zugleich..."

Gegenüber Wandbildern und gemalten Dekorationen wird das Sgraffito heute noch oft als zweitrangig betrachtet. Dieses Fehlurteil sollte schon längst revidiert werden. Das Sgraffito ist mehr als nur Dekoration oder Volkskunst. Dieser baukünstlerische Schmuck demonstriert geradezu wie abhängig Wandmalerei zur Architektur ist. Die Architektur kann damit unterstützt werden oder die Baustruktur wird aufgelöst und mit einem neuen Motiv überzogen, das eine reichere oder gar andere Architektur vortäuscht. Es werden auch andere Baumaterialien imitiert wie grosse Steinquader oder Ziegel. Erst seit dem 20. Jh. wird das Sgraffito als Bildtechnik von nahmhaften Künstlern gepflegt (Hackenberg Winterthur, Semper, Weingartner, Danioth, usw. früher: Vasari, Bramantino)

15. Entwicklungsstufen der Sgraffito

  1. Anfänge, Quaderimitationen Fläche herausgekratzt, Fugen belassen.
  2. Später do. zusätzlich Dekorationsfriese
  3. Später do. mit Friesen und Architekturmotiven um Fenster
  4. Anteil mit gekratzten Flächen zu getünchten Flächen = 50:50 Dekors werden reicher
  5. Anteil der Weissfläche wird grösser (Alpenraum zusätzlich)
  6. Alpenraum zusätzlich, wie Toscana, verputzte Fläche werden total getüncht, Motive herausgekratzt.
  7. Ab 16./17. Jh. eingefärbte Putzschicht und freigekratzte grosse Fläche mit Farben einlasiert, auch unter Tünche Farblasuren
  8. Graubünden, 16., 17., 18., 19. Jh. Arriccio zum Teil auf Sicht belassen, grobe Struktur, Intonaco zum Teil unter Aussparung des Arriccios getüncht, Motive herausgekratzt.
  9. Mehrschichtige und eingefärbte Putze 20. Jh.
  10. Pseudosgraffito Nagelriss 17./18. Jh.
  11. Pseudosgraffito gerillt und mit Kalk nachgezogen 12., 13., 14., 15.Jh.
Copyright © 1997 Oskar Emmenegger & Söhne AG and Prof. Oskar Emmenegger. All rights reserved.

 
[Deutsch] [English]