Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Vorträge

Probleme mit Rezepturen

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

Überträgt man dies auf Handwerker, die in der Denkmalpflege tätig sind und die Restauratoren im allgemeinen, so birgt der Umgang mit Rezepturen Gefahren. Restauratoren verwenden häufig mündlich oder aus der Literatur überlieferte Arbeitsanweisungen und Werkstoffe ohne deren Vor- und Nachteile abschätzen zu können, da ihnen die Erfahrung und das Gefühl für das Material fehlt. Dies mag anhand des nachfolgenden Beispieles erklärt werden. Vergolder und Restauratoren haben ihre Grundrezepte für die Bindemittelanteile von Grundierung, Leimlösche und dem Poliment für Vergoldungen. Diese Grundrezepte sind aber nur Ausgangsverhältnisse, die während der Arbeit individuell geändert werden. Jetzt wird nicht mehr gemessen, sondern das Gefühl und die Erfahrung bestimmen, ob mehr Wasser oder Leim hinzugefügt werden soll. Der Erfahrene erkennt dies daran, wie beispielsweise das Poliment vom Pinsel tropft und wie es sich mit dem Pinsel verteilen lässt. Wird das Poliment zu schwach gebunden, splittert die Vergoldung beim Polieren mit dem Achat weg. Ist es zu stark gebunden, lässt sich die Vergoldung nicht mehr polieren, sondern wird verkratzt. Dazu kommen dann noch die Schäden nach längerer Zeit, wie eine verstärkte Anfälligkeit bei Einwirkung von Feuchtigkeit oder Absplittern und Abrollen der Vergoldung bei Klimaschwankungen. Für Versilberungen muss das Grundrezept für das Poliment abgewandelt werden, was auch im Gefühl des Ausführenden liegen muss.

Noch tragischer wirkt sich die Anwendung von falschen Rezepturen aus, wenn ein Handwerker für die Denkmalpflege Aufträge ausführen will, es aber nur gewöhnt ist, mit Werkstoffen umzugehen, die an modernen Bauten verwendet werden.

In vielen Fällen werden an denkmalpflegerischen Objekten Fertigprodukte verwendet. Hier wird das Arbeitsvorgehen von der Herstellerfirma bestimmt, und vom Ausführenden kann in der Regel keine Rücksicht auf die Gegebenheiten des Bauwerks genommen werden. Meistens kennt der Handwerker die Zusammensetzung des verwendeten Werkstoffes nicht.

In den Gebrauchanweisungen von Anstrichmaterialien steht, dass der Untergrund auf dem sie aufgebracht werden sollen, einwandfrei sauber, wisch- und tragfest sein muss. Ist dies nicht der Fall, muss er entsprechend behandelt oder entfernt werden. Wie soll der Handwerker das verstehen, wenn es sich um ein historisches Bauwerk mit mehreren erhaltungswürdigen Anstrichen handelt, die diesen Anforderungen gar nicht entsprechen ? Hier steht er vor der Gewissensfrage, soll er den denkmalpflegerischen Prinzipien der "Substanzerhaltung" folgen, oder was ihm sicherer erscheinen wird, die Gebrauchsanweisung berücksichtigen. Diese lösen die Garantiefrage und entsprechen den SIA Bestimmungen. Im allgemeinen kann gesagt werden, dass an denkmalpflegerischen Bauwerken die Erhaltung des historischen Putzes im Vordergrund steht. Dies ist in den meisten Fällen mit Fertigputzen nicht möglich, wenn man an die Vielfalt der Oberflächenstrukturen und der Putzzusammensetzungen denkt, an die moderne Putze aus dem Sack nie angeglichen werden können.

Auch in der Baudenkmalpflege können ohne Fingerspitzengefühl befolgte Rezepte zu Fehlern bei der Restaurierung führen. Dies sei an einem Beispiel aus der Putztechnologie erklärt. In Büchern findet man das Putzrezept: 3 RT Sand und 1 RT Bindemittel.

Dieses Rezept stimmt aber nur wenn der Sand eine gut abgestimmte Sieblinie von 0 bis 4 mm aufweist. Doch ist die Korngrössenverteilung eines Sandes vom 0 bis 4 mm aus dem Wallis, dem Tessin oder Graubünden jedesmal eine andere. Schon zwischen dem Luzerner Seesand und dem Grubensand aus Wohlhusen oder dem Rheinsand bei Chur und dem aus dem Misox gibt es beträchliche Unterschiede. Der eine Ort liefert Sand, der zuviel 0 bis 2 mm und zuwenig 3 bis 4 mm Korn aufweist, der andere Ort liefert Sand von 0 bis 4 mm weil kein anderer Sand vorhanden ist. Die Regel sagt: je feiner der Sand um so grösser ist der Bindemittelbedarf, denn je feiner der Sand in einem Volumenanteil ist, um so grösser wird die Oberfläche dieses Sandeinhaltes, der gebundenen sein muss. Schon aus dieser Regel ist zu erkennen, dass der Bindemittelbedarf von der individuellen Korngrössenverteilung und von dem örtlichen Vorkommen abhängig ist, und nicht von der Norm 3:1. Daraus sieht man, dass Rezepte nicht verallgemeinert werden dürfen und nicht für alle vorkommenden Fälle anwendbar sind.

Um diese Probleme zugunsten der Erhaltung der Kunstwerke und denkmalpflegerischen Objekte lösen zu können, müssen die Ausführenden und die Verantwortlichen eine entsprechend gute Ausbildung erhalten. Darüber hinaus braucht der verantwortungsvolle Ausführende die volle Unterstützung der Denkmalpflege, damit er von den abwegigen Garantieleistungen entlastet wird, wenn diese beispielsweise eine Angelegenheit des Unterhalts wäre. Auch wenn die Rezepte, dem Objekt entsprechend, noch so sorgfältig ausgeführt werden, nützt dies wenig, wenn die Arbeiten aus Termingründen zur falschen Jahreszeit ausgeführt werden müssen. Man hört immer wieder den Spruch: "Man kann über die Alpen ein Lineal legen. Südlich dieser Linie werden Wandmalereien und Stein mit Paraloid und nördlich davon mit Kieselester konserviert". Dieses Wort sei abschliessend als Warnung erwähnt.

In solch einer Verallgemeinerung der Rezepte und Konservierungsmethoden, erkennt man einen erschreckenden Mangel an Feingefühl, bei dem nicht das Objekt die Methode bestimmt.

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