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Festigung von Fresko- und Kalkmalereien
durch Kohlendioxidbegasung
Autor: Prof. Oskar Emmenegger, Rufino Emmenegger
Kalkmörtel, ein Gemisch aus Calciumhydroxid Ca(OH)2
und dem Zuschlagstoff Sand, bindet ab durch die
Aufnahme von Kohlensäure CO2. Dabei entsteht aus dem
Calciumhydroxid Calciumcarbonat CaCO3. Die Festigkeit
des Verputzes entsteht durch die
Calciumcarbonatkristalle, die den Zuschlagstoff
umhüllen und untereinander verzahnen. In gleicher Weise
erfolgt die Bindung in der Fresko und Kalkmalerei.
Durch Verwitterungsprozesse (Temperaturwechsel, Frost-
und Salzsprengungen, organischen Befall, chemische
Vorgänge) kann dieses Kristallgefüge zerstört werden,
dadurch kommt es zu sandender Putzoberfläche und
pudernder Malschicht.
In der Regel wurden solche Verwitterungsschäden mit
organischen Festigungsmaterialien zu beheben versucht,
wie zum Beispiel mit Paraloid B72 und anderen
Acrylharzen oder mit Kaliwasserglas. Diese Werkstoffe
führen zu Oberflächenverdichtungen oder können
Oberflächenfilme bilden und sind anfällig gegen
Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen, zusätzlich
verspröden sie. Je nach Material kommt es zu
Vergilbungen, Schleierbildung, Farbveränderungen,
Oberflächenspannung und Abheben der Malschicht bis hin
zu Verlusten. Solche für Kalkputz und Freskomalerei
artfremden Festigungsmittel sind nur mit schwersten
Eingriffen und unvermeidbaren Verlusten zu entfernen.
Als dem Kalk angepassteres Festigungsmittel wird seit
zirka 30 Jahren Kieselsäureester verwendet. Bei diesem
sind die Abbindevorgänge ähnlich wie bei der Bildung von
Calcimcarbonat (Abbinden des Kalkes). Hier bilden sich
aus einem Siliciumdioxidgel SiO2-Kristalle, die die
Festigung der geschädigten Schicht bewirken. Im
Vergleich zum Calciumcarbonat ist die SiO2-Schicht
spröder. Die Verarbeitung von Kieselsäureester verlangt
grosse Erfahrung und individuelles Vorgehen. Durch
unsachgemässe Anwendung können, wie bei den organischen
Festigungsmitteln, Folgeschäden auftreten:
Verkrustungen, Schaden- und Schleierbildungen an der
Bild- oder Putzoberfläche.
Eine weitere und schon lange benutzte Methode ist die
Verwendung von Kalkwasser als Festigungsmittel. Dabei
wird das dem Verputz entsprechende Material verwendet.
Da sich der Abbindeprozess an Wandmalereien wie beim
Kalkputz über Wochen hinzieht, kann nicht genügend
kontrolliert werden, ob die Menge des Festigungsmittels
ausreicht. Einer Kontrolle nach dem Abbinden des
Kalkwassers stehen oft die arbeitszeitlichen Bedingungen
(zum Beispiel Gerüstabbau) entgegen (1). Um diesen
Nachteil zu beheben wurde versucht, eine Methode zu
finden, die den natürlichen Abbindeprozess des
Kalkwassers durch Begasung mit Kohlendioxid
beschleunigt. Diese Methode ist auch bei Übertragungen
abgelöster Wandmalereien von Bedeutung, u.m. den Neuputz
als Teil des neuen Bildträgers besser mit dem alten Putz
zu verbinden.
Immer wieder hat man im Innern von Kirchen und Kapellen
anstelle des historisch korrekten Kalkanstrichs die
Verwendung von Dispersion vorgezogen. Das Hauptargument
war vor allem "ein Kalkanstrich sei nicht wischfest und
die Kleider werden weiss". Obwohl der Kalk
bauphysikalisch an historischen Gebäuden weit bessere
Voraussetzungen bietet und auch in Zukunft sich
pflegeleicht behandeln lässt und trotz fachlicher
Beratung, über die Zweckmässigkeit von Kalk als
Anstrichmaterial in und an historischen Gebäuden wurde
um der Kosmetik willen Dispersionen und anderen
Kunstharzanstrichen der Vorzug gegeben.
Um diesem Misstand entgegenzuwirken, führten wir in den
70er Jahren diverse Versuche durch, wischende Kalk- und
Farbanstriche mit gasförmigem Kohlendioxid, das mit
Hilfe fester Kohlensäure erzeugt wurde, zu festigen.
Dieses Vorgehen war zwar empirisch, führte aber
eindeutig zu einer Verbesserung. An Testflächen in
Kirchen und Kapellen erfolgten weitere Versuche,
wischende Kalkanstriche mit Wasser, das mit Kohlendioxid
angereichert wurde, zu festigen. Gleichzeitige Versuche
gingen daneben, um flüssiges Kohlendioxid hinzuzufügen,
sodass die Kalkanstriche nicht wischen (1). Durch diese
CO2-Zugabe würde eine beschleunigte Carbonatisierungsprozess und damit einen nicht
wischenden Kalkanstrich erreicht.
Das Kohlendioxid CO2
Kohlendioxid ist ein unbrennbares, farbloses,
geruchloses Gas, das sich bei nur 20° Celsius schon
unter einem Druck von 55,4 bar verflüssigt. In dieser
Form wird es in druckfesten Stahlflaschen geliefert.
Lässt man das flüssige CO2 aus dem Behälter ausströmen,
entweicht ein Teil des flüssigen CO2 so schnell, dass
sich Verdunstungskälte bildet, der den Rest auf -80°
Celsius abkühlt, so dass festes Kohlendioxid entsteht.
Es wird in dieser Form als sogenanntes Trockeneis
geliefert und in der Industrie und Laboratorien als
Kühlmittel verwendet (2).
Versuche und Vorgehen
Vorerst wurden nur Versuche mit Prüfkörpern aus reinem
Sumpfkalkmörtel durchgeführt. Später haben wir auch
sandende, historische Putzproben in die Versuchsreihe
aufgenommen. Zuerst galt es, das Vorgehen auszuarbeiten
und die Ergebnisse auszuwerten. Danach sollte auf Grund
der Resultate das Vorgehen verbessert und in die
praktische Ausführung umgesetzt werden. Für die Begasung
benutzten wir das feste Kohlendioxid (Trockeneis) wie
auch jenes in flüssiger Form aus der Flasche.
Für die Begasung der Prüfkörper wurde eine 60 cm hohe
Plastikwanne gebaut, die oben offen blieb. In diese
legten wir die Prüfkörper auf einen Rost, der 5 cm über
dem Boden angebracht war. Auf den oberen hölzernen
Wannenrahmen legten wir Holzleisten und stellten einen
Eimer mit warmem Wasser darauf, in den Brocken des
festen Kohlendioxides (zirka minus 70° Celsius) gegeben
wurde. Diese lösten sich unter lautem Zischen auf und
der starke Nebel des freigewordenen CO2 sank wegen
seines grossen spezifischen Gewichtes sofort auf den
Grund der Plastikwanne, in dessen Bereich die Prüfkörper
plaziert waren. Der Pegelstand und der Verbrauch des
CO2 liessen sich leicht mit einer brennenden Kerze
kontrollieren. Im Bereich des CO2 befindet sich kein
Sauerstoff, den die Kerze zum Brennen braucht. Taucht
man nun die brennende Kerze langsam in die Wanne, so
beginnt sie zu flackern und erlischt in dem Moment, da
sie in den Bereich des CO2 eintaucht. Je mehr CO2 vom
Calciumhydroxid aufgenommen und dieses damit in
Calciumcarbonat umgesetzt wird, desto tiefer sinkt der
Pegelstand des freien CO2 in der Wanne. Liegt der Pegel
tief oder ist gar aufgebraucht, gibt man weitere Brocken
des festen CO2 in das warme Wasser, bis die
Carbonatisierung des Sumpfkalkmörtels abgeschlossen ist.
Auf Grund der massiv tiefen Temperaturen von etwa minus
70° Celsius darf das Trockeneis nur mit Handschuhen
angefasst werden, da unmittelbare Erfrierungsgefahr
besteht! Auch die Plastikwanne diente für den künstlich
beschleunigten Carbonatisierung mit flüssigem
Kohlendioxid aus der Druckflasche.
Kohlendioxid aus der Druckflasche
Die Versuche mit dem festen und auch der flüssigen
Kohlendioxid lieferten hervorragende Ergebnisse. Der
Vorteil des festen CO2 liegt in der besseren Kontrolle
der Verteilung durch die Nebelbildung, aber auch in der
konzentrierteren Ansammlung im Bereich der zu
festigenden Objekte. Die Nachteile sind die kurzen
Lagerungszeiten, auch im Kühlschrank. Einmal
angebrochene Verpackungen müssen innerhalb von zwei
Tagen aufgebraucht werden. Es empfiehlt sich, jede
Packung erst am Gebrauchstag abzuholen und sofort zu verbrauchen, ansonsten ist der Materialverlust
erheblich. Der Vorteil des flüssigen CO2 liegt im
rationelleren Verbrauch. Nicht verwendetes CO2 lässt
sich in der Flasche über lange Zeiträume aufbewahren.
Die Dosierung ist gegeben durch das Manometer, das auf
die gewünschte Durchlassmenge eingestellt wird. Auch
hier empfehlt es sich, eine geringe Mengen während der
Begasungszeit von 3 bis 4 Stunden oder länger in die
Wanne fliessen zu lassen. Nachteile: In grossflächigen
Wannen ist, wenn die entsprechenden Einrichtungen nicht
vorhanden sind, die Verteilung des flüssigen Gases nicht
optimal. Bei den Erstversuchen erfolgte die Carbonatisierung oft nur im Nahbereich der Öffnung des
Zufuhrschlauches zufriedenstellend. Je entfernter die zu
festigenden Bereiche von der Schlauchöffnung waren, umso
geringer war die Festigung.
Die Versuche wurden mit Prüfkörpern durchgeführt, die
aus Sumpfkalk und gewöhnlichem Mauersand mit einer
Sieblinie von 0 bis 4 mm hergestellt waren. Auf die
Qualität des Sandes wurde nicht geachtet. Die Hälfte
davon wurde einen halben Tag nach der Herstellung
während drei Stunden mit Hilfe von Trockeneis begast.
Danach zeigten die behandelten, 1,5 cm starken und 10
mal 16 cm grossen Mörtelplatten eine deutlich
fortgeschrittene Abbindung. Sie liessen sich nach der
Begasung problemlos heben ohne zu brechen; die
unbehandelten hingegen zerbrachen. Um die
Tiefenfestigung zu kontrollieren, wurde eine der
gefestigten Platten zerbrochen. Die Bruchfläche zeigte,
dass nur die äusseren 2 bis 3 mm gut abgebunden waren,
die folgenden 2 mm nur wenig und der innere Kern von 9
bis 10 mm überhaupt nicht. Eine fortgesetzte Begasung
an den übrigen Platten über zwei Stunden änderte sich
nur wenig am Ergebnis. Nach dem Zerbrechen der Platte
zeigte im Kernbereich Calciumhydroxid immer noch keine
Carbonatisierung und die anschliessenden 2 mm waren im
Vergleich zum weniger lang begasten Prüfkörper nur wenig
fester geworden. Während der Begasung wurden die
Prüfkörper merklich warm. Zudem war der Mörtel im
Kernbereich stark feucht.
Spätere Serien von Prüfkörpern wurden in Form von
Stangen mit den Massen 3 x 3 x 18 cm hergestellt.
Diesmal wurden die Sieblinien von 0 bis 4 mm des Sandes
geprüft und die Mängel der Korngrössenverteilung
korrigiert. Für alle späteren Prüfkörper wurde nun immer
die gleiche Mörtelmischung benutzt, nämlich 10 RT Sand
und 3 RT Sumpfkalk (3). Diesmal konnte die jeweils neu
hergestellten Prüfkörper teilweise eine Woche, andere
drei Wochen bei einer Luftfeuchtigkeit von 60% bis 70%
austrocknen, bevor die Begasung mit CO2 erfolgte. Eine
Stunde vor dem Begasen wurden sie während 20 Sekunden in
Wasser getaucht. Um die Eindringtiefe des zur
CO2-Aufnahme nötigen Wassers verstärken zu können, tauchten wir einige Prüfkörper in Wasser, welchem
Alkohol beigemischt wurde.
Dieses Vorgehen führte zu enorm verbesserten
Festigungsergebnissen. Die so begasten Putzstäbe liessen
sich nun von Hand nur noch mit grossem Kraftaufwand
zerbrechen. An den Bruchflächen liessen sich allerdings
an den einzelnen Stäben mehr oder weniger einheitliche
Festigungsergebnisse zu beobachten. Der Kern von 6 bis 8
mm war vom CO2 nicht genügend erfasst und zeigt keine
einwandfreie Bindung. Es wurde pro Zyklus jeweils 4 bis
5 kg festes oder 1,5 bis 2 kg flüssiges CO2 verbraucht.
Nach diesen Versuchsphasen wurden bemalte und unbemalte
historische Putzfragmente in die Versuchsreihe
aufgenommen. Es galt zu prüfen, ob sich sandende
historische Putze in der obigen Art und Weise ebenfalls
festigen lassen, hierzu waren folgende Fragen zu klären:
- Lässt sich die Festigung verbessern, wenn anstelle
von Wasser die zu festigenden Fragmente mit Kalkwasser,
das 1 bis 2 % Calciumhydroxid enthält, vorgenetzt werden
?
- Lassen sich an der Rückseite von Altputzen mit reinem
Sumpfkalkmörtel einwandfrei haftende Verstärkungen
anbringen, wenn sie mit CO2 begast werden ?
- Entsteht eine restlose Verklebung mit an der
Rückseite offen liegenden Wandmalereibereichen, die
abgelöst wurden und zu übertragen sind ? Die Lösung der
letzten Frage war besonders wichtig, denn in vielen
Depots liegen Wandmalereien aufbewahrt, die mit der Strappotechnik abgelöst worden sind. In dieser Technik
abgelöste Wandmalereien zeigen in der Regel die blanke
Malschichtrückseite. Ein reiner Sumpfkalkmörtel vermag
diese Malschichten aber kurzfristig nicht an sich zu
binden. Zusätze von Zement oder Primal, was aus
restauratorischer Sicht nicht erwünscht ist, führte nur
zu geringen Verbesserungen. Man behalf sich bisher zu
oft mit Kasein, Dispersionen und anderen Kustharzen für
die Verklebung der Malschicht mit dem neuen Träger, die
im nachhinein sehr oft Sekundärschäden verursachten
(4).
Für diese Versuchsreihe wurden die Putzfragmente mit
einem 1 cm starken Sumpfkalkmörtel beschichtet und in
unterschiedlichen zeitlichen Abständen jeweils 1 Stunde,
bzw. andere 3 und 5 Stunden und einige 1 Tag danach, vor
der Begasung mit Wasser und Kalkwasser durchfeuchtet.
Die Begasung erfolgt jeweils mit 4 bis 5 kg festem oder
1,5 bis 2 kg flüssigen CO2 mit einer Wirkungszeit von
zirka 6 Stunden.
Ergebnisse
Durch die Begasung entstand ein einwandfreier
Haftverbund zwischen Alt- und Neuputz, wenn die
Durchfeuchtung der Fragmente (egal ob nur mit Wasser
oder Kalkwasser) 1 bis 3 Stunden vor der Begasung
stattgefunden hat. Wurde erst 5 Stunden danach begast,
ergab sich keine genügende Festigung und Verklebung
aber, im Vergleich zu den unbegasten Fragmenten eine
deutliche Verbesserung. Kein befriedigendes Resultat
ergab sich, wenn die mit Sumpfkalkmörtel beschichteten
Fragmente 1 Tag zuvor durchfeuchtet worden sind. Eine
Verbesserung der Festigung konnte nur im Nahbereich der
Oberfläche erzeugt werden, wie dies die Vergleiche mit
unbehandelten Fragmenten zeigen. Die verbesserte
Verklebung hingegen, wurde nicht erreicht. Für die
Verklebung von Sumpfkalkmörtel mit offenliegenden
Malschichten waren Begasungszeiten von bis zu 6 Stunden
notwendig und dies unabhängig von flüssigem oder festem
CO2. Einen grossen Unterschied zwischen 6 oder 12
stündiger Begasung konnten wir bei diesen
Verklebungsversuchen und Festigungen nicht feststellen.
Wie die Versuche ergaben, ist der Erfolg einer
Konservierung durch CO2 Begasung von Kalkputzen, Fresko-
und Kalkmalereien von folgenden Kriterien abhängig:
- Die Absorbierungsfähigkeit der Putz- oder
Malereioberfläche muss gewährleistet sein, damit das CO2
eine gute Carbonatisierung auch in der Tiefe erreicht.
Dies wird stark vermindert, wenn der Verputz bei der
Begasung zu frisch, respektive zu nass ist; oder wenn
durch starkes Glätten Feinstanteile des Sandes und
Bindemittel an die Oberfläche gepresst werden und sie
dadurch verdichtet. Zu schnelles und intensives Begasen
ergeben einen stark carbonatisierten Mantel, der das
Eindringen von CO2 in die tieferen Putzbereiche
erschwert.
- Für ein gutes Carbonatisierungsverhalten sind
Porenwerte erforderlich, die eine Verzahnung der bei
der CO2 Begasung entstehenden Calciumcarbonatkristalle
ermöglichen.
- Die Begasung der unterschiedlich feuchten und vedichteten Prüfkörper, zeigten deutlich, dass ausser
einer guten Mörtelmischung die richtige Verarbeitung des
Mörtels mitentscheidend ist, damit eine gute
Carbonatisierung stattfinden kann.
Praktische Anwendung
Aufgrund der positiven Versuchsergebnisse haben wir
dieses Verfahren für die Konservierung von bemalten
Putzfragmenten (archäologische Bodenfunde), bei der
Übertragung abgelöster und bei Wandmalereien in situ
angewendet.
Beispiele:
Müstair, Kanton Graubünden, Kloster St. Johann
Teile eingestürzter romanischer Mauerreste, die von
Archäologen freigelegt wurden, sollten zwecks
wissenschaftlicher Bearbeitung geborgen und in einem
Depot aufbewahrt werden. Doch der Zustand dieser
wichtigen Funde, die bis zu einem Viertel noch im Boden
steckten, liess dies ohne vorherige Konservierung nicht
zu. Der Fugenmörtel und der Verputz sandeten stark,
waren zerrissen und drohten während des Trocknens
auseinanderzufallen. Für eine Festigung mit
Kieselsäureester war der Putz zu feucht, vor allem in
den bodennahen Bereichen. Daher entschlossen wir uns,
den morbiden Verputz und Fugenmörtel der Fragmente vor
der Bergung in situ mit CO2 Begasung vorzufestigen.
Um die Fragmente bauten wir, im Abstand von zirka 15 cm,
eine Arbeitshülle aus PVC-Folie. Bereits 16 Stunden vor
der Begasung behandelten wir die relativ feuchten Teile
mit Kalkwasser. Die Begasung mit festem CO2 (Trockeneis)
dauerte zirka 7 Stunden. Am Tag danach stellten wir ein
gutes Resultat fest, jedoch nicht wie erwartet, in den
sehr feuchten bodennahen Bereichen, denn solange diese
Funde im Boden stecken blieben, konnte keine
Tiefenfestigung erzielt werden. Sie mussten geborgen
werden. Damit die labilen Bereiche keine Verluste
erlitten, wurde ein Stützbett angebracht aus
Polyurethanschaum mit einer PVC-Folie als Trennschicht.
Nach der Bergung wurden auch diese Teile in trockenem
Zustand mit Erfolg begast. Nach 2 Wochen erfolgte eine
zusätzliche Festigung mit Kieselsäureester.
Glurns, Südtirol, Kapelle St. Jakob in Söles
Bei der Ausgrabung dieser Kapelle fanden die
Archaeologen im Boden einen grossen Bestand äusserst qualitätvoller Malereifragmente des frühen 13.
Jahrhunderts. Diese stilistisch byzantinische Malerei
ist in reiner Freskotechnik ausgeführt. Die jeweils zu
grösseren Teilstücken zusammengefügten und verklebten
Fragmente ergaben 3 Darstellungen: "Kreuzabnahme",
"Beweinung Christi" und "Arbeitender Kain".
Die Fragmente wurden, nachdem die Rückseite mit
Kalkmörtelschichten stabilisiert und mit flüssigem CO2
begast wurde, konnte nicht nur die Carbonatisierung
dieser vielen Mörtelschichtungen beschleunigt, sondern
auch das Intonaco mit ihr einwandfrei verbunden werden.
Danach wurden diese Teilstücke in grösseren Einheiten
direkt in frischem Kalkmörtel gebettet. Für eine
einwandfreie Carbonatisierung des Mörtelbettes und der
guten Haftung der Fragmente sorgte wiederum die CO2
Begasung. Die 3 grösseren Bildflächen erhielten als
zusätzlichen Träger Aluwabenelemente, die mit Laminate
aus Epoxydharz beschichtet sind (5). Unter der Leitung
von Rufino und Oskar Emmenegger haben Frau Dr. Gianna
Fusi, Keramikrestauratorin und Herr Günther
Niederwanger, Grabungstechniker, die Fragmente
zusammengesetzt und verklebt. Rufino Emmenegger hat
unter Mithilfe des Restaurators Hubert Maier, Südtirol,
die CO2 Begasung durchgeführt und das Trägersystem für
diesen Fall entwickelt. Die Ausführungen standen unter
der persönlichen Aufsicht von Dr. Helmut Stampfer,
Denkmalpfleger des Südtirols.
Zillis, Kt. Graubünden, Kirche St. Martin
Am Äusseren der Westwand befindet sich eine monumentale
Christophorusdarstellung des Waltensburger Meisters um
1340. Das oberste Viertel des Bildes ist relativ gut
erhalten, weiter nach unten wird der Bestand immer
fragmentarischer. Das Intonaco ist jedoch innerhalb der
Bildfläche weitgehend erhalten und zeigt noch Reste
gelber Sinopien. Um 1956 wurden die in Freskotechnik
ausgeführten Malereien und der Verputz vorallem im
fragmentarisch erhaltenen Bereich mit Wasserglas
fixiert und gefestigt. Hier sind Schalenbildungen zu
finden und dahinter sandet der einschichtig applizierte
Verputz (Intonaco) stark. Auch wies das Intonaco im
oberen Drittel des Bildes grossflächige Hohlräume auf
und im Bereich der Schalenbildungen hatte sich die
Malschicht mitsamt der Intonaco-Oberfläche abgehoben.
Im unteren Drittel des Wandbildes kam zudem ein stark
hygroskopisches Salzgemisch vor (6). Die Hohlräume im
oberen Bildviertel wurden mit Schlämme aus Kalk und
feinem Quarz hinterfüllt. Damit der sandende Verputz
sich stabilisiert und mit der hinterfüllten Schlämme
verbindet, wurde dieser Bereich mit Kalkwasser
vorbehandelt und 3 Stunden danach mit flüssigem CO2
begast. Dazu montierten wir vor dem betreffenden
Bildteil einen mit PVC-Folien verschlossenen Verschlag,
der unten wie seitlich mit weichen Schaumstoffmatten
abgedichtet wurde.
Von der Umhüllung zur Bildfläche genügte ein Abstand von
5 cm um die Zuleitungsschläuche für das flüssige CO2 an
den Wirkungsbereich zu bringen. Ebenfalls reichte es, um
eine brennende Kerze im Zwischenraum herunterzulassen.
Aufgrund dieser Kontrolle konnten wir feststellen, dass
der Wirkungsbereich eine Höhe von 40 bis 50 cm umfasste.
Darüber nahm der Gehalt von CO2 rapide ab. Um die
gesamte Fläche wie gewünscht behandeln zu können, musste
der Verschlag zweimal nach oben verschoben werden.
Trotz der erstaunlich guten Resultate haben wir hier aus
folgenden Gründen jedoch keine weiteren Bildbereiche mit
CO2 behandelt. Durch die verkrusteten
Wasserglasfestigungen war die Bildoberfläche nicht
genügend absorbtionsfähig. Ob dadurch trotzdem eine
zufriedenstellende Festigung entstanden wäre, war
ungewiss. Durch die Vorbehandlung mit Kalkwasser würden
in einigen besonders belasteten Bereichen die Salze
aktiviert werden.
Eisenach, Wartburg, Elisabethengalerie
Für die Übertragung des abgelösten Schwindfreskos
"Ankunft der vierjährigen Elisabeth auf der Wartburg"
waren die mehrjährigen Erfahrungen an anderen Objekten
und die Ergebnisse der Prüfkörper der CO2 Begasung
äusserst dienlich.
Nach der Abnahme des Wandbildes wurde auf der Rückseite
die Schichtenhaftung des zweilagigen Intonacos
überprüft. Lose Teile der unteren Schichten wurden
entfernt, die ganze Fläche mit Kalkwasser gut befeuchtet
damit sich die folgenden Ergänzungen aus Sumpfkalkmörtel
bei Rissen und Fehlstellen gut mit dem Grund abbinden.
Dazu erfolgte während dem Carbonatisieren der
Putzergänzungen die Begasung mit festem CO2.
Innerhalb des Schwindprojektes war es erstmals möglich
dieses Konservierungsverfahren von Naturwissenschaftlern
begleiten und überprüfen zu lassen. Die Untersuchungen
führte vor der Übertragung des Schwindfreskos Dr.
Goretzki, von der Hochschule für Architektur und
Bauwesen an der Universität Weimar durch. Er untersuchte
den Einfluss von PVA-Lösungen, Dispersionen und
Kieselsäureester bei nachträglicher CO2 Begasung. Dazu
benutzte er dem Original entsprechend hergestellte zweischichtige
Prüfkörper und originales Probenmaterial. Die
PVA-Lösungen und Dispersionen waren Werkstoffe bei
früheren Restaurierungen. 1992 kam dann
Kieselsäureester zur Verwendung.
Aufgrund der elektronenmikroskopischen Untersuchungen
kam Goretzki zu folgenden Ergebnissen:
Die Begasung mit CO2 erhöht den Haftverbund der
Mörtelschichten zueinander gegenüber den unbehandelten
Prüfkörper um das zirka 3,5-fache. Die
elektronenmikroskopischen Gefügeanalysen des
Kalkbindemittels eines begasten Prüfkörpers zeigt gut
ausgebildete Calcitkristalle mit einer Grösse von 0,5
bis 1,0 cm. Hingegen kleine und schlecht ausgebildete
Calcitkristalle weist die nicht begaste Probe auf.
- Wird die erste Mörtellage zuvor einmal gefestigt, -
egal mit welcher Art Festiger - und danach begast,
erhöht sich der Haftverbund der beiden Schichten
zueinander um das 3 bis 4-fache. Mehrfache Behandlungen
mit Festigungsmittel führten zu einer Verringerung des
Haftverbundes. Dies bedeutet, dass bei einer einmaligen
Behandlung mit einem entsprechend verdünnten
Festigungsmittel eine Reaktion des CO2 noch möglich ist.
Wurden mehrere Festigungen vorgenommen, entstand im
Kontaktbereich der beiden Schichten eine filmbildende
Zone, die das CO2 nicht zu durchdringen vermag.
- Kalkwasserbehandlungen führten, zusammen mit einer CO2
Begasung, zu einer Erhöhung des Calciumcarbonatanteils.
Zudem ergab die Verwendung von festem CO2 in der Regel
bessere Werte als die mit flüssigem CO2.
- "Durch Rekristallisieren des Calcites im Mörtelgefüge
kommt es zu einer deutlichen Konsolidierung und damit
Festigung" - Untersuchungsbericht Dr. Goretzkis
(1).
Dieses Ergebnis ist besonders interessant. Es belegt,
dass im Originalmörtel bestehendes Calciumkarbonat
durch Rekristallisieren am Konservierungsprozess von
Verputzen mitbeteiligt ist.
An zwei Modellkörpern, die in einem Zelt begast wurden,
kam er zu erstaunlichen Festigungswerten. Die eine
Probe, die näher bei der Eintrittsöffnung für das CO2
lag, zeigte bei der Auswertung einen 95,15%
carbonatisierten Anteil gegenüber 4,85% nicht
carbonatisierten Anteil. Die zweite Probe befand sich
beim Zeltausgang und zeigte Werte von 74,9%
carbonatisiert und 25,1% nicht carbonatisiert.
Diese unterschiedlichen, aber sehr hohen Werte machen
deutlich, dass im Zelt der Bereich nahe der
Eintrittsöffnung begünstigt ist und dass der CO2 Gehalt
mit der Entfernung abnimmt. Fazit, die Verwendung einer
offenen, tiefen Wanne hätte noch zu gleichmässigeren
Ergebnissen geführt.
Zusammenfassung
Die Versuche an den Prüfkörpern, an den beschriebenen
Beispielen und die naturwissenschaftlichen
Untersuchungen von Dr. Goretzki hinsichtlich der
CO2-Begasung von Kalkmörteln zeigen erfreuliche
Resultate.
Dieses Verfahren ist eine echte, dem Objekt
entsprechende Alternative bei der Konservierung von
Bodenfunden, bemalter oder unbemalter Kalkputze, zur
Festigung von Putzergänzungen und Stabilisierung der
Putzschichten bei abgelösten Wandmalereien. Aufgrund
unserem heutigen Erfahrungsstand wissen wir, dass für
die Behandlung von Malereifragmenten (Bodenfunde) und
die Putzfestigung abgelöster Wandmalereien die Begasung
in einer Wanne zu besseren Ergebnissen führt; ein Zelt
hingegen ist nicht geeignet. Die Wanne muss nur tief
genug gebaut sein, um einen möglichst hohen Pegel an CO2
gewährleisten zu können. Zudem bietet die Wanne den
Vorteil, dass überschüssige Feuchtigkeit besser
entweichen kann, was bei einem Zelt nicht der Fall ist.
Während den ersten 2 Stunden der Begasung entstand
durchschnittlich eine Temperatur von bis zu 32° Celsius.
Eine Temperatursteigerung entstand jeweils, wenn im
selben Raum mehrere Objekte zugleich begast wurden. Das
heisst, je grösser die zu behandelnden Putzoberflächen,
umso höher die Temperatur, die je nach Menge bis auf 40°
Celsius steigt.
Auch bei Wandmalereien in situ ist die CO2 Begasung im
gegebenen Fall eine Lösung. Die praktische Anwendung bei
monumentaler Fresko- oder Kalkmalerei ist aber noch zu
verbessern. Die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen
Untersuchungen sind positiv zu werten. An den
technologischen Vorgehensweisen müssen noch
Verbesserungen vorgenommen werden, um noch effizientere
Konservierungsergebnisse zu erreichen, die bei
mineralischen Verputzen und Wandmalereien den Einsatz
artfremder Werkstoffe einschränken oder überflüssig
machen.
Anmerkungen
- Einen Versuch den wir in der Kapelle Sta. Maria in
Pontresina durchgeführt haben verdeutlicht dies. Auf
einem 1-jährigen von uns applizierten Verputz, bestehend
aus 3 RT Sand von 0 bis 6 mm und 1 RT Sumpfkalk, haben
wir in Wasser eingesumpften roten und gelben Ocker und
grüne Erde ohne Bindemittelzusätze dünn lasierend als
auch deckend aufgetragen. Es galt zu klären, wie lange
es dauert bis diese Anstriche wisch- und waschfest, mit
dem ein Jahr alten Verputz carbonatisiert sind. Der
Versuch fand im Innern der Kapelle an der Südwand
des Turmes, 70 cm über dem Boden statt. Schon nach
einem Jahr war der lasierend aufgetragene gelbe und
rote Ocker wischfest abgebunden, nicht aber die
grüne Erde. Erst nach drei Jahren waren die gleichen
Ergebnisse am
deckend gemalten gelben und roten Ocker festzustellen;
die deckend aufgetragene grüne Erde wischte an der
Oberfläche nur noch wenig, doch bei starkem Abreiben
ging alles weg. Gut wisch- und waschfest war nur die
lasierend gemalte grüne Erde. Nach 7 Jahren waren die
deckend gemalten Ockerfarben absolut waschfest mit dem
Sumpfkalkputz verbunden und durchcarbonatisiert. Der
deckende Auftrag der grünen Erde war inzwischen nahezu
wischfest, zeigte aber Fehlstellen durch
Ausblühungssalze. Aufgrund dieses Versuches wird
deutlich, wie lange es braucht, bis Pigmente ohne
Bindemittelzugabe durch langanhaltende Carbonatisierung
eines nicht mehr frischen Verputzes miteingebunden
werden.
- An den Fassaden des Schlosses Altenklingen (Kanton
St. Gallen) finden sich gemalte Architekturdekorationen
des 16. Jahrhunderts in der Technik der Kalkmalerei, die
1982 bis 83 mit der Mischung Kalkwasser/Trockeneis
gefestigt wurden. An den übrigen Wandflächen wurde der
bestehende und teilweise abgewitterte Kalkanstrich mit
Kalk/Trockeneis 2 bis 3 mal dünn lasiert. Die Festigung
der Malerei wie die des Kalkanstriches war gut. Die
zufriedenstellenden Ergebnisse ermutigten uns, diese Art
von Festigungsmöglichkeit intensiver zu verfolgen, um
das Vorgehen und den Umgang mit Kohlendioxid in die
Praxis umsetzen zu können.
- Benutzt wurde Wolhuser Grubensand (CH) und
Altmannsteiner Sumpfkalk (D). Sabine Reinisch,
Diplomarbeit an der staatlichen Akademie der bildenden
Künste in Wien. Im praktischen Teil hat Frau Reinisch
eine Reihe von Versuchen durchgeführt, Kombinationen
mit Kalkhydrat - Zement und Zusätzen von Primal, Kaseïn
und so weiter.
- Unter der Leitung von Rufino und Prof. Oskar Emmenegger haben Frau Dr. Gianna Fusi,
Keramikrestauratorin und Herr Günther Niederwanger,
Grabungstechniker, die Fragmente zusammengesetzt und
verklebt. Rufino Emmenegger hat unter Mithilfe des
Restaurators Hubert Maier, Südtirol, die CO2
Begasung durchgeführt und das Trägersystem für diesen Fall
entwickelt. Die Ausführungen standen unter der
persönlichen Aufsicht von Dr. Helmut Stampfer,
Denkmalpfleger des Südtirols.
- Dr. K. Zehnder, Zillis, Kirche St. Martin, Wandbild
Christopherus: Schadensuntersuchung Okt. 1993. Zürich
1994, MS. Denkmalpflege Graubünden.
- Dr. Goretzkis Untersuchungen und
naturwissenschaftliche Begleitung zum Projekt:
Abnahme des Schwindfreskos "Ankunft der heiligen
Elisabeth auf der Wartburg", Eisenach, Weimar 1992. MS
Wartburgstiftung. Nebst weiteren Belegsbeispielen von
uns hat auch Restaurator Federer von Steckborn ein
weiteres Objekt mit dieser Methode konserviert. Es
handelt sich um eingelagerte, abgelöste Kalkmalereien
des Städtischen Museum Basel. Mit der CO2 Begasung ist
es ihm gelungen, auf der Rückseite einen Sumpfkalkmörtel
als neuen Träger anzubringen, der einwandfrei an den
Malereien haftet. Herr Federer hat bei einer Vorlesung
von mir an der Fachhochschule Bern "Bereich
Konservierung" dieses Thema übernommen und erfolgreich
angewendet.
Copyright © 1997 Prof. Oskar Emmenegger and Oskar Emmenegger & Söhne AG. All rights reserved.
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