Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Publikationen

Die Übertragung der romanischen Wandmalereien
der Kapelle St. Jakob in Söles

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

Im Auftrag der Denkmalpflege planten und leiteten wir die Konservierung und Übertragung der bei archäologischen Grabungen geborgenen Malereien des frühen 13. Jahrhunderts. Die Ausführung erfolgte in Zusammenarbeit mit Dr. Giovanna Fusi, Restauratorin für archäologische Bodenfunde, Günter Niederwanger, Grabungstechniker, Hubert Mair, Restaurator und Mitarbeiter und die projektleitenden Restauratoren Oskar und Rufino Emmenegger.

Probleme der Übertragung

Viele Wandmalereien, die in Museen oder Kirchen ausgestellt sind, zeigen schwere Schäden, die durch Ablösen und Übertragen entstanden sind. Vorallem die Trägersysteme, die noch bis in die Siebzigerjahre angewendet wurden, bedeuten eine Gefahr. Mit Kalkkasein oder Dispersion aufgeklebte Gewebe ziehen sich bei Feuchtigkeitsaufnahme zusammen und dehnen sich bei Feuchtigkeitsabgabe. Diesen Bewegungen folgt der originale Verputz als Bildträger einer Abnahme nicht und wird mit der Zeit abgestossen. Ein weiterer Schadensfaktor bilden hölzerne Spannrahmen für das Trägergewebe. Entlang dem Spannrahmen wird der Verputz vom Gewebe abgestossen. Bei einer Strappo-Abnahme wirkt sich die Reaktion des aufgeklebten Trägergewebes direkt auf die Malschicht aus; sie zerreisst und die entstandenen Farbinseln werden schüsselförmig deformiert. Dazu kommt, dass die Malerei den Alterungsprozess der verwendeten Klebstoffe mitmacht, vorallem organische Bindemittel quellen und schrumpfen je nach Klimawechsel und trennen sich abrollend vom Trägergewebe. Diese unaufhaltbaren Schadensprozesse führen zu grossen Malereiverlusten.

Ein weiteres Problem sind die Festigungs- und Fixiermittel wie Kasein, Leim, Cellulose, Gummi arabicum, Wasserglas, Dispersion oder in Lösemittel gelöste Acrylharze, mit denen sandende Putze und wischende Malschichten gefestig wurden. Sie verändern die rein mineralischen Putz- und Malsysteme der Fresko- oder Kalkmalerei, verdichten die Oberfläche, bilden teilweise Verkrustungen und lose Farbschollen. Die organischen, hygroskopischen Bindemittel verursachen Oberflächenspannungen.

Dadurch sind Schäden wie Salzausblühungen durch Wasserglas, Schalenbildungen mit nachfolgenden Putzblasen und losen Farbschollen, abrollende und splitterig sich abhebende Malschichten vorprogrammiert.

Malereien mit solchen Schäden zu konservieren, entstanden durch massive und unkritische Anwendung artfremder Klebstoffe, machen leider einen Grossteil der Restauratorenarbeit aus. Aufgrund dieser Situation versuchten wir neue, dem Kalk angepasstere Binde- und Festigungsmittel zu testen und die entsprechende Arbeitsmethode zu entwickeln.

Eine Alternative ist der Kieselsäureester, den wir vor über 30 Jahren getestet und für die Restaurierung von Wandmalereien in der Denkmalpflege eingeführt haben. Beim Abbindevorgang des Kieselsäureesters bilden sich aus Siliciumdioxidgel SiO2-Kristalle, die die Festigung der geschädigten Putz- und Malschicht bewirken.

Die jüngste Methode, mit deren Entwicklung wir in den Siebzigerjahren begonnen haben, ist die Festigung geschädigter oder zu schwach gebundener Kalkputze, Fresko- und Kalkmalereien durch Kohlendioxidbegasung. Es ist im Prinzip die Abbindung eines Kalkmörtels, wie sie in der Natur geschieht. Nur entsteht durch dieses Verfahren eine beschleunigte Festigung, wie sie auf natürliche Weise erst nach Jahrhunderten erreicht wird.

Ein Kalkmörtel, bestehend aus Calciumhydroxid Ca (OH)2 und Sand, bindet ab durch die Aufnahme von Kohlendioxid CO2. Dabei entsteht aus dem Calciumhydroxid Calciumcarbonat Ca CO3. Die Bindung und die Härte des Verputzes entsteht durch die Calciumkarbonatkristalle, die den Sand umhüllen und verbinden. In gleicher Weise erfolgt die Bindung der Fresko- und Kalkmalerei.

Festigung der Malereifragmente von Söles

Die in Freskotechnik gemalten Fragmente und den neuen Trägermörtel haben wir durch CO2-Begasung gefestigt. Dazu benutzten wir flüssiges CO2 aus der Flasche. Diese Methode wurde bevorzugt auf Grund der vielen untersuchten negativen Beispiele und der beobachteten Folgeschäden an Objekten, die mit organischen Werkstoffen behandelt worden sind. Ferner gibt es Objekte, wo wir diese Konservierungs- und Festigungsmethode bereits mit Erfolg angewendet haben (1).

Um die nur 3 bis 6 mm starken Malereifragmente anfassen und zu grösseren Einheiten verkleben zu können, ohne dass sie zerbrachen, musste man die Rückseite mit Kalkmörtelschichten verstärken. Da die natürliche Abbindung eines Kalkmörtels mehrere Monate oder gar Jahre dauern kann, haben wir durch CO2-Begasung nachgeholfen. Dadurch wurde der Abbindungsprozess des neuen Trägermörtels auf 8 bis 12 Std. verkürzt. Mit der Begasung wurden gleich 3 Ziele erreicht:

  1. Die Umsetzung von Ca (OH)2 des Trägermörtels zu Calciumcarbonat Ca CO3 wurde verkürzt, so das in nützlicher Frist weiter gearbeitet werden konnte.
  2. Das im Originalputz vorhandene Calciumcarbonat ist durch Rekristallisieren am Konservierungsprozess mitbeteiligt. (2)
  3. Der Haftverbund der beiden Putzschichten ist gewährleistet durch die Rekristallisation des Calciumcarbonats im Originalputz und dem gleichzeitigen Carbonatisieren des Calciumhydroxids im neuen Mörtel.

Zur Begasung der kleinen Bildeinheiten benutzten wir eine tiefe aber ungedeckte Plastikwanne, denn die überschüssige Feuchtigkeit muss entweichen können. Zudem ist während dem Begasen der Pegel des spezifisch schweren CO2-Gases zu kontrollieren, so dass man bei Bedarf neues CO2 in den Bereich des Objektes zufliessen lassen kann.

Anschliessend wurden die grösseren stabilisierten Fragmenteinheiten direkt in frischen, noch modellierbaren Kalkmörtel gebettet und nach dem Antrocknen durch CO2-Begasung endgültig miteinander verbunden.

Beim Zusammensetzen der Fragmente auf Sand, stellte man fest, dass die Bildoberfläche von ungewöhnlich starken - bis zu 25 cm hohen, Wellenbewegungen geprägt war. Um diese massiven Höhenunterschiede auszugleichen, waren Aufmodellierungen mit Kalkmörtel erforderlich, die ebenfalls begast wurden. Damit das Gewicht der bis zu 4m2 grossen Bildflächen nicht allzu schwer wird, hat man grosse Holzkohlenstücke in den Setzmörtel eingebettet. Zusätzlich waren Vorformungen mit bis zu 6 cm starken Airexplatten notwendig. Den eigentlichen Bildträger bilden 30 mm starke Aluwabenelemente, die beidseitig mit Araldit gebundenen Glasfaserlaminat beschichtet sind (3). Die Beschichtung mit dem Glasfaserlaminat wurden in unserer Werkstatt angefertigt. Die Verklebung erfolgte unter Vakuum mit einem Druck von zirka 7'000 kg/m2 sowie bei einer Temperatur von 40 bis 50 Celsius.

Auf Aralditbeschichtungen und Airexplatten entsteht mit einem Kalkputz kein Haftverbund. Deshalb haben wir das Airex und die Laminate zur Bildfläche hin mit dem Grundierharz Araldit 410 versehen und sofort vor dem Polymerisieren gesandelt. Auf diese Sandschicht konnte nun der Kalkmörtel problemlos appliziert werden. Damit zwischen den Trägerplatten und der Putzschicht keine Trennung durch Spannungen entstehen kann haben wir, von der Rückseite her tief in den Trägerteil aus Putz, Verankerungen mit Inoxstahlstiften als zusätzliche Sicherheit eingeklebt (Kleber Hilti HIT C-156).

Zusammenfassung

Mit der Entwicklung dieses Festigungsverfahrens begannen wir bereits in den Siebzigerjahren. Jedoch brauchten wir viel Zeit um die vorerst an Prüfkörpern erzielten Erfolge in die Praxis umzusetzen. Der grosse Zeitaufwand für die Versuche hat sich gelohnt, lassen sich doch Fresko- und Kalkmalereien mit dem gleichen Abbindesystem konservieren. Vorallem lässt sich die Verwendung artfremder Werkstoffe weitgehend einschränken. Dadurch wird ein grosser Schadensfaktor beseitigt. Die CO2-Begasung - für die Konservierung von Wandmalereien neue und noch nicht bekannte Methode, verlangt viel Erfahrung und ein gut eingespieltes Team. Es sind während der Ausführung viele Details zu beachten, um gute Resultate garantieren zu können.

Anmerkungen:

  1. Einige Beispiele: - Gotische Dekorationsmalerei des frühen 16. Jahrhunderts im alten Gymnasium in Luzern. - Geborgene Malereifragmente des 12. Jahrhunderts der St. Michaelskirche in Hildesheim. - Übertragenes Wandbild des 19. Jahrhunderts von Moritz Schwind auf der Wartburg in Eisenach. - Oberkörper einer monumentalen Christopherusdarstellung des Waltensburgermeisters um 1340, Zillis GR.
  2. Dr. Goretzki: Untersuchungen und naturwissenschaftliche Begleitung zum Projekt: Abnahme des Schwind-Freskos, "Ankunft der heiligen Elisabeth auf der Wartburg".
  3. Weimar 1992, MS Wartburgstiftung.
  4. Verwendet wurde Araldit HY554, dem als Verschnitt Kreide beigemischt wurde.

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