Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Vorträge

Biologischer Schädlingsbefall
Wie vertragen sich Objekte und Massnahmen ?

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

Dem biologischen Schädlingsbefall eines Kunstwerks und den dadurch entstandenen Schäden wird in der Regel zuwenig Rechnung getragen, denn die Schäden und Verluste entstehen im Mikrobereich und werden daher unterschätzt, wenn nicht gar heruntergespielt. Der Abbau eines Bindemittels lässt sich schwer nachweisen; wenn Farben und Grundierungen wischen, sucht man daher die Schadensursachen bei naheliegenderen Möglichkeiten. Auf Holzschädlinge wie Anobien oder Hausbock reagiert man dagegen viel schneller, denn die durch diese Insekten verursachten Schäden sind spektakulär. Häufig werden dann unverhältnismässige bis unverantwortbre Massnahmen getroffen.

Man beschränkt sich in der Schädlingsbekämpfung immer noch zu sehr darauf, irgend ein wirksames Gift gegen einen Schadensverursacher einzusetzen. Zeigt eine Malerei oder die Fassung einer Plastik biologischen Befall, zum Beispiel durch Insekten, Bakterien oder Schimmelpilze, ist es nicht ratsam, im nächsten Spezialgeschäft ein Insektizid oder Fungizid zu kaufen und es anzuwenden. Es ist auch falsch, ein Bekämpfungsmittel einzusetzen, nur weil es sich an dem einen oder anderen Objekt schon bewährt haben soll oder von Verkäufern besonders empfohlen wird. Durch ein solches Vorgehen können nicht nur die Umwelt, der Verbraucher und die Raumbenutzer geschädigt werden, sondern auch das zu konservierende Kunstwerk. Das Bekämpfungsmittel und die darin enthaltenen Lösemittel fügen dem Kunstwerk unter Umständen mehr Schäden zu als die Organismen, die man damit vernichten will.

Vor dem Einsatz eines Bekämpfungsmittels muss sich der Anwender nicht nur über den Nutzen, sondern auch über die möglichen Risiken im klaren sein:

  1. Eine Reihe erprobter Wirkstoffe kann bedenkenlos eingesetzt werden. Doch ist zu bedenken, dass ein Teil dieser Wirkstoffe nur kurzfristig wirksam, und ein Neubefall sich jederzeit wiederholen kann. Oft ist sogar eine Doppelwirkung angesagt und danach eine Behandlung mit starker aber kurzer Wirkung.
  2. Es gibt keine Patentrezepte, denn jedes Kunstwerk hat seine besonderen Voraussetzungen, und die Organismen reagieren je nach Art unterschiedlich auf Biozide und Lösemittel.
  3. Wird die Schadensursache nicht erfasst und behoben, führt eine Fungizidbehandlung auch langfristig kaum zum Ziel.
  4. Es ist zu überprüfen, ob Wirkstoffe, Löse- und Verteilungsmittel für Pigmente und Bindemittel verträglich sind.
  5. Die beteiligten Experten sind darüber zu orientieren, welches Löse- oder Verteilungsmittel das zu behandelnde Objekt verträgt. Auf diese Vorgabe hin kann der Biologe dann Auskunft geben, welche Verteilungsmittel zusammen mit den Wirkstoffen die beste Wirkung mit dem minimalsten Gifteinsatz erzeugen. Viele Biozide reagieren besser in wässrigem Milieu, andere in organischen Lösemitteln oder Alkohol.
  6. Ein Fertigprodukt beinhaltet heute unter Umständen nicht mehr dieselben Wirkstoffe wie noch vor ein paar Jahren. Firmen modifizieren die Zusammensetzung ihrer Produkte oft, ohne den Produktenamen zu ändern.
  7. Beim Kauf von Bioziden und Insektiziden ist dringend anzuraten, sich nicht nur vom Verkäufer beraten zu lassen, sondern den technischen Kundendienst zu verlangen und Merkblätter anzufordern.

Jeder restauratorischen Behandlung sollte eine Untersuchung vorausgehen um zu klären, welche Umstände zu einem Befall durch schädigende Organismen führen könnten. Eine der wichtigsten Aufgaben des Denkmalpflegers, Restaurators und Architekten ist es, Bedingungen zu schaffen, unter denen sich keine schädlichen Organismen entwickeln können. Dies ist auch deshalb wichtig, weil Pilze, Sporen und eine Reihe von Bakterien im Überdauerungsstadium langfristig kaum abzutöten sind, ohne Menschen, Umwelt und Objekte zu gefährden.

Vorgehen

Stellt man biologischen Befall fest, so ist es falsch, die Naturwissenschaft sofort auf die Baustelle zu bitten oder gar gleich ein Bekämpfungsmittel einzusetzen. Man benötigt vorerst von der Denkmalpflege, dem Restaurator und vom Architekten diverse Angaben. So möchten die Biologen der EMPA St. Gallen zuerst folgende Fragen geklärt wissen: Kommen die Organismen am Äusseren oder im Inneren des Gebäudes vor ? Wo befindet sich das Ausstattungsobjekt ? Welche Funktion kommt ihm zu? Wie ist das Klima im Umfeld des Objektes ? Ist die Umgebung feucht und wenn ja, woher kommt die Feuchtigkeit ? Ist mangelnder Bauunterhalt zu beobachten, oder ist das Kunstwerk stark verschmutzt ? Wachsen die Schimmelpilze oder Bakterien auf dem Original, den Übermalungen oder Fixierungen ? In welcher Technik wurde die Malerei oder die Fassung ausgeführt, und welche Bindemittel wurden verwendet ? Finden sich Fixier-, Festigungs- und Bindemittel für Retuschen von früheren Restaurierungen ?

Nebst all diesen Angaben braucht die EMPA St. Gallen auch Proben der beobachteten Organismen und eventuell Fotos. Man will vorerst die Pilze bestimmen und deren Lebensbedingungen erfassen. Erst aufgrund dieser Unterlagen und nach einem eventuellen Augenschein vor Ort kann der Biologe gezielt Massnahmen anbieten. Seine Vorschläge sind im Dialog mit dem Restaurator und der Denkmalpflege zu einer endgültigen Lösung weiterzuentwickeln.

Die Mitverantwortung der Denkmalpflege und des Architekten ist unerlässlich, wenn z.B. ein Dachstuhl, Deckenbalken, Holzböden, Holzbauten oder Täfelungen konserviert werden müssen. In solchen Fällen wird in der Regel eine Spezialfirma beauftragt. Bestenfalls wird ein Restaurator als Berater beigezogen. Die Spezialfirma ist sicher kompetent, was die Wirkungsweise ihres Produktes gegen Insekten und Schimmelpilze angeht. Dagegen kümmern sich solche Firmen in der Regel nicht um die Frage, ob die Anwendung ihres Produkts nachteilige Auswirkungen auf umliegende Bauteile oder Kunstwerke haben könnte. So wollte eine Firma die Ausstattung einer Kirche unbedingt begasen, lehnte aber zugleich jede Verantwortung ab, falls Schäden an Kunstgegenständen entstehen sollten.

Ein Beispiel für mögliche Schäden an Kunstwerken beim Einsatz von Bekämpfungsmitteln: In der Kapelle Kirchbühl bei Sempach sind die Deckenbalken, die Mauerpfetten und der Dachstuhl unterschiedlich stark von Anobien und Hausbock befallen. An den Wänden befinden sich wertvolle Wandmalereien des frühen 14. Jahrhunderts, die bis an die zu behandelnden Balken anschliessen. Eine Spezialfirma will die Schädlinge mit einem Wirkstoff auf "Ölbasis" abtöten. Das Mittel soll aufgespritzt und injiziert werden. Durch die Injektion gelangt sicher Konservierungsmittel in das Mauerwerk und somit auch in die Bereiche der Wandmalereien. Direkte Schäden an den Wandmalereien sind dadurch kaum zu erwarten, sicher aber Farbveränderungen und Fleckenbildungen bei unvorsichtigem Verarbeiten, weil das Produkt auf Ölbasis hergestellt sein soll. In der Regel enthalten solche Schutzmittel Wachs oder Paraffin.

Auch ist zu beachten, dass Lösemitteldämpfe explosiv sind. Beim Imprägnieren des Dachstuhles einer Kirche im Kanton Aargau fing dieser Feuer und brannte völlig aus.

Betrachten wir aufgrund der Tabelle von Dr. Graf die gebräuchlichsten Wirkstoffe etwas näher. Die Wirkstoffgruppe "Gase" darf, ausser Formaldehyd, grundsätzlich nur von Spezialfirmen verarbeitet werden, die über entsprechende Einrichtungen verfügen und denen die Schutzmassnahmen geläufig sind. Alle diese Bekämpfungsstoffe vernichten vorhandene Insekten und Pilze gründlich, bieten aber keinen Langzeitschutz. Die mit solchen Wirkstoffen behandelten Altarretabel, Figuren, Tafelbilder und Wandmalereien können jederzeit erneut von Insekten und Pilzen befallen werden.

Bioseminar

  1. Propylenoxid tötet Insekten und Pilze wirksam ab, bietet aber keinen Langzeitschutz. Schäden an Objekten sind nicht bekannt.
  2. Ethylenoxid tötet Insekten und Pilze wirksam ab, bietet aber keinen Langzeitschutz. Gefahr: Eisenoxydpigmente können verändert werden, wenn sie von Bindemitteln oder Firnissen nicht umhüllt sind. Ethylenoxid greift Eisen an. Es löst Öle und Harze.
  3. Formaldehyd tötet Pilze wirksam ab, bietet aber keinen Langzeitschutz. Gefahr: Eiweisse (Proteine) werden unlöslich, was bei Übermalungen, Retuschen und Fixierungen, die reversibel bleiben sollten, nicht erwünscht ist. Farblacke, vor allem Krapp, sind gefährdet. Weil Formaldehyd in Wasser angesetzt wird, sind Seccopartien mit wässrigen Bindemittelsystemen an Wandmalereien mit Vorsicht zu behandeln. Formaldehyd bleicht zudem unbeschichtete Hölzer.
  4. Blausäure wirkt gründlich gegen Insekten, bietet aber keinen Langzeitschutz. Gefahr: Die Substanz greift Metallauflagen an, zum Beispiel Gold und Silber wenn sich kein Schutzüberzug darüber befindet. Ansonsten ist Blausäure anscheinend gefahrlos für das zu behandelnde Objekt. Problematisch sind die Schutzvorkehrungen, wenn zum Beispiel Ausstattungen in Kirchenräumen begast werden.
  5. Tributylzinnverbindungen eignen sich für Pilzbekämpfungen und zeigen auch in sehr niedriger Dosierung Langzeitwirkung. Nicht gefahrlos sind die Kohlenwasserstoffe oder Alkohol, die dem Wirkstoff als Verteilungsmittel zugefügt werden. Bei unsachgemässem Vorgehen können diese Stoffe Bindemittel wie Harze und Öle, aber auch Firnisse anlösen. Besonders gefährdet sind Asphalt enthaltende Farben und Lacklüsterungen.
  6. Triazole und Carbonate sind neue Wirkstoffe, die holzzerstörende Pilze töten. Die Löseeigenschaften für Harze, Öle oder Eiweiss sind von den Verteilungsmitteln abhängig.
  7. Dito 6.
  8. Borax, Borsäure und Oktoborate töten holzzerstörende Pilze und Insekten. Es sind Bautenschutzmittel. Gefahr: Borate sind in Wasser gelöste Salze, die vor allem als Bautenschutzmittel eingesetzt werden. Sie gefährden Wandmalereien und ihre Träger. Ebenso gefährlich ist ein Bekämpfungsmittel, das gegen den Hausschwamm in das Mauerwerk injiziert wird und Natriumbicarbonat enthält. Letzteres wird als Sperrmantel verwendet, das im Mauerwerk noch vorhandene, lebensfähige Mycele abtötet.
  9. Quaternäre Ammoniumverbindungen haben Langzeitwirkung. Der Wirkstoff ist mit Wasser angesetzt. Ist ein Mauerwerk oder ein Putz mit Salzen belastet, besteht deshalb die Gefahr, dass diese Salze aktiviert werden können. Raschle macht aufmerksam, dass mit quaternären Ammoniumverbindungen behandelte Wände, respektive Wandmalereien vor der Weiterarbeit absolut trocken sein müssen, sonst haften Bindemittel nicht.
  10. Phenole dunkeln nach, damit behandelte Wandmalereien wurden gelbbraun verfärbt. Na2-Phenylphenolate sind in Wasser angesetzt und deshalb für wasserempfindliche Malereien ungeeignet.

Zusammenfassung

Der Einsatz von  Bekämpfungsmitteln darf nicht unüberlegt erfolgen. Vielmehr müssen Überlegungen vorausgehen wie: Kann man das Umfeld des befallenen Bereichs beeinflussen, zum Beispiel durch geeignete Klimaregelungen und Bausanierungen, um dadurch eventuell auf den Einsatz von Gift verzichten zu können ?

Durch Klimaregelungen ist es möglich, die Lebensbedingungen verschiedener Mikroorganismen einzuschränken. Der Nachteil dieser Massnahme kann sein, dass dadurch ein trockeneres Klima geschaffen wird, bei dem in Lösung sich befindende Salze kristallisieren.

Begasungen sind eine Aufgabe für Spezialfirmen. Auf den vorgeschlagenen Einsatz von Wirkstoffen muss der Restaurator Einfluss nehmen können und zwar wenn möglich in Zusammenarbeit mit einem Biologen, der mit Kunstgütern vertraut ist. Dieser Grundsatz gilt auch für andere Bekämpfungsmittel, die eine Firma einsetzen will. Der Restaurator kennt das ihm anvertraute Objekt und dessen Umfeld am besten. Dementsprechend muss er reagieren, wenn gefährliche Wirkstoffe und Lösemittel zum Einsatz kommen können.

Die Denkmalpflege, der Restaurator und der Architekt sind auf die Beratung der Biologen angewiesen. Die Zusammensetzung von Wirkstoffen ist kompliziert und oft vielseitig präparierbar, je nach Bedingungsvorgaben. Diese kann aber nur der mit Kunstgut vertraute Biologe zusammenstellen.

Es wäre sehr sinnvoll, wenn sich die Denkmalpflege, Restauratoren und Biologen vermehrt zum gemeinsamen Gespräch zusammenfinden könnten, um sich gegenseitig für ihre Anliegen zu sensibilisieren und gemeinsam die optimale, dem Kunstwerk angepasste Lösung zu erarbeiten.

Wandmalereien in öffentlichen Gebäuden sind besonders gefährdet durch Schimmelpilze und Bakterien. Klima, intensive Nutzung und erschwerte Kontrollen weil die Positionen ohne Gerüst oft nicht zu erreichen sind, begünstigen einen Befall.

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