Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator, Stöcklistrasse, CH-7205 Zizers, Telefon 081-3072201, Telefax 081-3072251 Oskar Emmenegger & Söhne AG, Restaurator
 

Publikationen

Probleme der Stuckrestaurierung
Stuck-Technik, Anwendungsbereiche, Möglichkeiten

Autor: Prof. Oskar Emmenegger

Wenn von Stuck die Rede ist, so denkt man zuerst an Arbeiten des 16./17. und 18. Jahrhunderts und an die berühmten Stukkateure dieser Zeit wie Carlone, Guliano, Zucchalli, Feuchtmayer oder die Wessobrunner und so weiter.

Doch Dekorationen aus Stuck sind nicht eine Tradition der Neuzeit, also des 16., 17., 18. und 19. Jahrhunderts. Stuck gibt es bereits seit dem Altertum. Der dazu verwendete Werkstoff war nicht nur Gips oder ein Gemisch aus Gips, Kalk und Sand, sondern es wurden auch Mörtel aus Kalk und Sand zum Stuckieren verarbeitet. In römischer Zeit stand zum Beispiel der Begriff Stuck allgemein für das, was wir heute als Verputz bezeichnen, mit dem man unter anderem auch plastische Dekorationen geführt hat.

Im Altertum und während der Antike fand im Nahen Osten und Nordafrika vorwiegend Gips Verwendung. Im Abendland wurde für Stuckarbeiten Kalkmörtel bevorzugt. Im Antikenmuseum von Ankara ist Gipsstuck aus einem Tempel von Çatal Hüyük ausgestellt, der um 6500 vor Christus geschaffen wurde. Im Nationalmuseum Kairo sind zwei Blöcke ausgestellt, aus der Zeit um 2400 vor Christus, deren Figuren mit eingefärbtem Gipsputz in Pastigliatechnik ausgeführt sind. Für den Meremptahtempel in Luxor hat man reliefierte Steinblöcke wieder verwendet, die Götterdarstellungen aus der Zeit Amenophis III, der 18. Dynastie zeigen. Diese wurden teilweise von Echnaton und Tutanchamun getilgt und durch neue Götter ersetzt wurden. Hier zu wurden die Neunennungen, allerding nicht mit Gips sondern mit Kalksteinmehl und Nilschlamm aufmodeliert. Der heute Qasr el Bint Firaun genannte Bau aus der Zeitwende in Pertra, Jordanien, zeigte ursprünglich keine kahlen Steinwände. Die Nabatäer bekleideten die Wände mit feinen Architekturgliederungen aus Gips­stuck.

Während die Ägypter in allen dynastischen Zeiten fast ausschliesslich Gips als Stuckmaterial benutzten, entwickelten die minoer auf Kreta, eine ganz andere Richtung. Sie verarbeiteten bereits im 16. Jahrhundert vor Christus Kalkmörtel zu Reliefs und als Intonaco für Wandmalereien in Freskotechnik. Der Stand der Technik im Umgang mit Kalk als Bindemittel war bereits so fortgeschritten, dass die Anfänge weit zurück, wahrscheinlich im Einflussgebiet Mesopotamiens, zu suchen sind. Diese Technik wurde von den Mykenern, wie dies ausgestellte Objekte im Nationalmuseum in Athen belegen, und später auch von den Hellenen übernommen und weiter entwickelt.

Die Erben dieser Technik waren die Römer. Sie haben diese Kunst über den gesamten Mittelmeerraum und tief in den Norden des Abendlandes vermittelt. Gearbeitet wurde in dieser Art und Weise bis zum Untergang des römischen Reiches. Nur im oströmischen Reich und dem nachfolgenden Byzanz und in dessen Einflussgebieten wird der Kalkmörtel für Stuck auch weiterhin verarbeitet. Dies schon deshalb, weil dort die Kunst der Freskomalerei weiter gepflegt wird. Wiederum dank den Byzantinern gewann der Kalkstuck in Mitteleuropa an Boden, wenn auch spärlich als Bestand von Wandmalereien. Vorerst für aufmodellierte Nimben, wie dies die Beispiele in Brescia, San Salvatore, 8. Jahrhundert, und St. Angelo in Formis, 11. Jahrhundert, sowie Werke von Giotto Duccio und so weiter im 13./14. Jahrhundert belegen. Später folgen Gewandsäume und andere Appliken wie Aufmodellierungen von Gestühlen, Betpulten, Sternen, Kronen usw. So die Beispiele in der Kirche von Eilsum in Deutschland und Taufers, St. Johann im Südtirol, beide frühes 13. Jahrhundert, und San Abondio in Como um 1370.

Ab dem 8. Jahrhundert und vermehrt im 9. Jahrhundert finden wir am Alpensüdfuss in Cividale bei Udine, im südtirolischen Mals St. Benedikt, in St. Peter in Gratsch, aber erstaunlicherweise auch in Corvey, Münster Westfalen, figürlichen und dekorativen Stuck aus Gips in einer hochentwickelten Technik. Die fragmentarischen Reliefs im Dom von Hildesheim schliessen sich hier an. Es liegt fast auf der Hand, dass wir den Omajjaden, die in Spanien Fuss fassten und 756 Cordoba zu ihrem neuen Hauptsitz machten, die Verbreitung des Gipsstucks in Europa verdanken. Anderseits ist der direkte Weg über Byzanz nach Italien schwer in Abrede zu stellen. Ab dieser Zeit finden wir vorwiegend in Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich und in der Schweiz Stuckarbeiten aus Gips - eine Tradition, die sich durchgehend bis in das 16. Jahrhundert verfolgen lässt.

Eine Ausnahme stellt der Stuck des 8. Jahrhunderts dar, der im Kloster Disentis im Kanton Graubünden bei Ausgrabungen geborgen wurde. Er ist noch in antiker Manier mit Kalkmörtel modelliert, durch Schnitzen geformt und in Freskotechnik bemalt worden. Es stellt sich hier die Frage: Ist das Beispiel Disentis eine verbliebene Insel antiker Tradition oder lässt sich hier fränkischer Einfluss erkennen ? Eine Ähnlichkeit mit dem Stuck von Poitier ist jedenfalls gegeben.

Bis zum frühen 16. Jahrhundert finden wir in Europa vereinzelt noch Gips. Doch in Italien und den Südtälern der Schweiz finden wir plötzlich wieder für Stuckarbeiten den konstanten Gebrauch von Mörtel aus Kalk und Sand, ohne jede Zugabe von Gips. Für die Verbreitung und den erneuten Einsatz dieses Stuckmaterials in Deutschland, Österreich und anderen Gebiete sorgten die Comasken, Tessiner und Bündner Baumeister und Stukkateure.

Dem Mörtelmaterial und der Mörtelmischung musste die Art der Arbeitstechnik angepasst werden, was sich wiederum in der Formgebung der Dekoration ausdrückt. Man kann mit einem Kalkmörtel nicht genaus gleich gestalten wie mit einem Gips oder Gipskalkmörtel. Je nach verwendetem Material entstehen daher andere handwerkliche und fassungstechnische Voraus­setzungen und künstlerische Ausdrucksformen.

Die Putzart bestimmt also die Formgebung und die Oberflächenbehandlung einer Stukkierung, es sei denn, der Ausführende vergisst die Ausführungsregeln und nimmt dadurch baldige Schäden und ein kurzfristiges Bestehen seines Werkes in Kauf.

Für die Verarbeitung von Gips wurden im Mittelalter zwei Gipsarten verwendet:

  1. Das sogenannte Halbhydrat, das durch Brennen des natürlich vorkommenden Gipses bei 120 bis 190 Grad Celsius gewonnen wird. Mit Wasser angesetzt erhärtet es innerhalb von 20 bis 30 Minuten. Als erhärtete Masse zeigt sich diese nahezu weiss, ist relativ weich und lässt sich leicht abschaben. Seine Abbindezeit lässt sich verzögern durch Zugabe von Kalk, wodurch sich länger und schöner und länger mit der Masse modellieren lässt. Weitere Abbindeverzögerer sind etwa die Salze Alaun und Borax, sowie Glutinleim; sie verleihen dem Gips zugleich eine grössere Härte und machen ihn polierfähig. An historischem Stuck konnte bis jetzt, soweit mir bekannt, der Nachweis von Alaun oder Borax nicht erbracht werden. Hingegen ist bekannt, und auch heute noch üblich, dass für die Herstellung von Stuckmarmor dem Anmachwasser Glutinleim beigefügt wird. Nur schon ein bis drei Prozent von diesem Leim genügt bereits, um mit der Gipsmasse zwei bis sechs Stunden arbeiten zu können. Bei pigmentierten Stuckmassen kann sich die Abbindezeit verkürzen, bei gleicher Leimung, je nach Farbe, verkürzen oder verlängern. Gelber und roter Ocker benötigen zum Beispiel weniger Leim, für die grüne Umbra und Schwarz muss der prozentuale Anteil erhöht werden. Zudem erhält der Stuckmarmor durch den Leim seine typische und aussergewöhnliche Härte. Für den mittelalterlichen Stuck scheinen diese Zugaben nicht von Bedeutung gewesen zu sein.
  2. Der Estrichgips entsteht durch Brennen des Naturgipses bei Temperaturen zwischen 800 bis 1100 Grad Celsius und mehr. Durch die hohen Temperaturen bildet sich ein wasserfreies Produkt aus Calciumoxid und Calciumsulfat. Der mit Wasser angesetzte Estrichgips hat eine lange Abbindezeit; je nach Eigenschaft des Ausgangsmateriales zehn bis zwanzig Stunden. Nach erfolgtem Abbinden schreitet die Erhärtung derart langsam voran, dass eine Bearbeitung des Stuckes, je nach der Höhe der Brenntemperatur, noch nach Wochen möglich ist. Der Estrichgips erreicht eine aussergewöhnliche Härte und nimmt, abhängig von der Art des Rohmaterials, eine rötliche, bläuliche oder gräuliche Färbung an. Die rötliche Farbe des Stuckes, der in San Pietro al Monte in Civate verwendet worden ist, entstand nicht durch Einfärben der Stuckmasse, sondern durch eisenschüssiges Material. Aus dem gleichen Grund entstand die typische rötliche Farbe, die vielen Stuckarbeiten des 15. und 16. Jahrhunderts im Kanton Wallis eigen sind. Es sind reich verzierte Fenstergewände, Türstürze und Wandbrüstungen; die Ausführungen befinden sich alle im Freien, womit belegt ist, dass der hochgebrannte Gips auch wetterbeständig ist.

Dr. Friedrich Berndt untersuchte in den dreissiger Jahren in acht Kirchen von Sachsen mittelalterlichen Stuck. Auf Grund der Analysen belegt er, dass in dieser Region vorwiegend mit hochgebranntem Gips gearbeitet worden ist. Zudem stellt er fest, dass das Mittelalter in dieser Region offenbar den sogenannten Stuckgips für figürlichen Schmuck nicht benutzte, sondern den etwas höher gebrannten Baugips, welcher sich besonders für gegossene Grundformen eignet.

Dass der Estrichgips im Mittelalter bevorzugt wurde überrascht nicht. Die Eigenschaften, dass er erstens langsam abbindet und daher lange modellierfähig bleibt, und zweitens dass er erst nach Wochen erhärtet und somit ein der Bildschnitzerei ähnliches Arbeiten ermöglicht, sind die idealsten Voraussetzungen für eine bildhauerisches Vorgehen. Die vielen von uns untersuchten Objekte zeigen, was Werkspuren auf der Bildoberfläche belegen, ein kombiniertes Vorgehen. So war die Auftragstechnik und Modellierung, wie sie der Stukkateur heute noch pflegt bereits eine normale praktische Angelegenheit und die Schnitztechnik entspricht der Tradition des Bildhauers. Profile wurden hergestellt, indem durch Ziehen mit einer Schablone eine Grundform geschaffen wurde, aus der dann abschliessend Blattformen oder Perlstäbe etc. herausgeschnitten wurden. Gesichert ist die Feststellung, dass die Oberflächenbearbeitung stets vor der völligen Erhärtung des Materials abgeschlossen war. Dies ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass wir bis jetzt weder an dekorativem noch an figürlichem Schmuck Werkspuren des Steinmetz gefunden haben. Die spätgotischen Dienste und Gewölberippen in der Regula Kirche in Chur hingegen und die Masswerke und Fenstersprossen im Chor der Kirche in Waltensburg, beide im Kanton Graubünden gelegen, sind Ausnahmen. Sie bestehen aus hochgebranntem Gips und zeigen deutliche Spuren von Steinmetzwerkzeugen.

Die Stuckarbeiten waren nicht selten reich und farbig gefasst. Regeln oder regionale Gegebenheiten lassen sich leider nicht mehr eindeutig erfassen.

Probleme der Stuckrestaurierung

Noch bis vor kurzem wurde die Restaurierung - vor allem von renaissancen und barocken Stuckaturen - zu oft mit unzulänglichen Methoden durchgeführt. Es wurde korrekt nach handwerklicher Tradition des Stukkateurs gearbeitet. Der Stukkateur verstand unter Restaurierung, so wie es in der Ausbildung seit Jahrhunderten gelehrt wurde: was gut ist bleibt, das andere wird ersetzt oder ergänzt. Seine Arbeiten waren Ausbauen loser Stuckteile und das Zurückfixieren mit Gips oder Zurückschrauben, das Entfernen der Übertünchungen und der Farbfassung mit Spachteln und Lanzetten. Stuck aus Gips- / Kalkgemisch (1) oder Kalkmörtel ist sehr leicht verletzbar und wurde mit dieser Methode zerkratzt. Die dadurch verlorene Form der Oberfläche und nicht mehr ins Niveau gebrachte eingesetzte Teile wurden nachgeschnitten und neue Aufmodellierungen angepasst. Damit ging oft der originale künstlerische Formenausdruck einer Stuckatur verloren. Dieses Vorgehen entsprach auch dem ehemaligen Bauhüttenprinzip des Steinbildhauers. Unverzeihlich sind die Verluste an Farbfassungen. Noch in den 70er Jahren war die Meinung vieler Stukkateure und oft auch der Architekten: "Stuck ist weiß". Die grossen Verluste an Stuckpolychromie sind daher nicht nur dem labilen Stuckmaterial zuzuschreiben, sondern vorallem der unkritischen Auffassung, über die Farben von Stuckaturen. Noch existiert der Einwand, Stuckfarbigkeit sei eine Angelegenheit nördlich der Alpen. Aber wie die jüngsten Forschungsergebnisse zeigen, gibt es im Misox eine Reihe von Beispielen des 17. Jahrhunderts mit Wand- und Deckenstuck sowie Stuckaltären mit erhaltener originaler Polychromie.

Nachteilig erwies sich oft eine abschätzige Auffassung gegenüber der Stuckdekoration. Sie wurde nicht mit dem gleichen Stellenwert wie Architekur, Malerei und Skulptur behandelt. Dementsprechend nachlässig war der Umgang mit diesem "sekundären Kunsthandwerk". Die Erkenntnis, dass eine Architektur mit Stuck, Malerei und Skulptur ein Gesamtkunstwerk ausmacht, ist relativ jung. Deshalb wundert es nicht, dass oft auf Kosten der Arbeitsqualität bei der Stuckrestaurierung gespart wurde.

Dieses Vorgehen entspricht allerdings nicht ganz der Berufsauffassung des Restaurators. Sein Grundsatz ist, wichtige historische Substanz zu erhalten und zu konservieren, störende Übermalungen eventuell zu entfernen und Fehlstellen innerhalb einer Farbgebung zu retuschieren, um neben der historischen Dimension auch den überlieferten ästhetischen Wert zu sichern. Sicher ist sein Ziel auch die Freilegungsmethode zu verfeinern und zu verbessern. Eine solche Verbesserung war, die Kalkübertünchungen mit aufgestrichenem Heissleim, der beim Trocknen Oberflächenspannungen erzeugt, zu entfernen. Dies kann eine hervorragende und rationelle Arbeitsmethode sein, eine Methode die allerdings nur in einem von 10 bis 15 Fällen Erfolg verspricht. Vorgegossene und aufgeklebte Stuckteile können mit diesem Vorgehen vom Untergrund weggerissen werden. Werden Fehlstellen innerhalb der zu entfernenden Übertünchungen übersehen, und der Leim an der Stelle auf die originale Oberfläche gestrichen, wird diese vom Leim sicher abgerissen. Zudem gibt es kein Allgemeinrezept über die zu verwendende Leimkonzentration. Es muss von Fall zu Fall neu erarbeitet werden, was viel Erfahrung verlangt. Ferner empfiehlt sich bei weiss gefasstem Stuck, wenn er mehrfach ebenso übertüncht worden ist, nicht auf die erste Fassung freizulegen. Auch die zweite Fassung vermag oft die Qualität des Stucks ausreichend zur Geltung zu bringen.

Mit einem Pulverstrahlgerät Übertünchungen zu entfernen, führt von Ungeübten ausgeführt, zu grossen Verlusten an der Stuckoberfläche. Der Einsatz des Gerätes ist für die Stuckfreilegung nur selten verantwortbar. Sicher wird der Restaurator keine grossflächigen Stuckausbesserungen oder Ergänzungen durchführen, dazu ist nur der in diesem Kunsthandwerk geübte Stukkateur zuständig. Konkreter ausgedrückt; er gibt Gemälde-, Wandmalerei-, Stein-, Papier-, Textil- und Metallrestauratoren und so weiter, jedoch keine Ausbildung, die sich im Speziellen eingehend mit der Stuckrestaurierung befasst. Aus einem Gipser lässt sich nicht einfach ein Stukkateur und aus einem Stukkateur ein Restaurator machen. Oder der Restaurator kann nicht zugleich Stukkateur sein.

Anders liegen die Probleme beim Stuck des Mittelalters. Dem Alter und den oft figürlichen Motiven dieser Dekorationen wird heute offensichtlich mehr Respekt entgegengebracht. Denn bei notwendigen Massnahmen wird die Konservierung nicht mehr wie früher dem Stukkateur, sondern dem Restaurator anvertraut.

Viele dieser Objekte sind Bodenfunde, die oft seit Jahrzehnten in Kisten lagern und dort unkontrolliert in Kellern aufgestapelt sind. Nicht selten müssen sie im nachhinein Objekten weichen, die den Verantwortlichen wichtiger erscheinen. Verluste und mechanische Schäden sind die Folge, besonders wenn die Fragmente aus dem leicht verletzbaren Stuckgips bestehen. Meistens haben sie im Boden enthaltene Salze aufgenommen und wurden während dem Trocknungsprozess durch Salzsprengungen geschädigt. Selbst die mit widerstandsfähigerem, hochgebranntem Gips oder Kalkputz geschaffenen Dekorationen werden unter solchen Lagerungsbedingungen schwer geschädigt. Besonders gefährdet dabei sind die wertvollen Farbfassungen, die am mittelalterlichen Stuck unterschiedlich reich vorkommen.

Erfahrungen von in situ Restaurierungen mittelalterlicher oder älterer Stuckarbeiten beschränken sich auf Länder und Regionen, wo solche Objekte erhalten sind. So zum Beispiel in Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz und Spanien. Die restauratorischen Ausführungen zeigen, ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zirka 1970, eine ähnliche Vorgehensweise wie die an jüngerern Stuckarbeiten. Die durch Entfernen von Übermalungen und Farbfassungen zerkratzten Stuckoberflächen sind, mit wenigen Ausnahmen, das übliche Bild. Deshalb lassen sich an den Stuckreliefs des 11. und 12. Jahrhunderts in der Klosterkirche von Müstair nur noch Farbreste nachweisen. Gleiches gilt auch für die Figuren und Ornamente am Lettner in der Michaelskirche in Hildesheim (frühes 13. Jahrhundert). In dieser Hinsicht liessen sich noch einige Objekte auflisten (2). Grosszügig ging man auch mit dem Anbringen von Ergänzungen um. Nicht selten wurde Originalsubstanz abgearbeitet um für Ergänzungen oder Ersatz einen guten Haftverbund zu schaffen.

Dass die Farbfassungen der Chorschrankenfiguren der Liebfrauenkirche in Halberstadt (Deutschland), die der Ciborien in den Kirchen San Ambrogio, Milano und San Pietro al Monte, Civate noch grossflächig erhalten sind, grenzt an ein Wunder.

Die jüngeren Restaurierungsbeispiele an mittelalterlichem Stuck sind positiv zu werten. Es wurde durchwegs konserviert und die Ausführung dokumentiert: historisch bedeutende Farbfassungen wurden freigelegt, baustatische Schäden behoben und wo nötig morbider Stuck oder wischende Farben gefestigt. An mittelalterlichem Stuck wurde selten ergänzt.

Empfehlungen für die Konservierung

Bevor am Stuck gearbeitet wird, hat der Restaurator etliche Untersuchungen durchzuführen. Dies gilt grundsätzlich für Arbeiten aller Epochen.

Zu Untersuchen sind folgende Punkte:

  • Wie ist der technische Aufbau und welche Werkstoffe wurden verarbeitet ?
  • Gibt es Farbfassungen, welche Farben und Bindemittel wurden verwendet ?
  • Wie ist der Bestand und Zustand des Stuckes und der Farbfassung ?
  • Finden sich Salzschäden, was häufig bei Bodenfunden der Fall ist ?
  • Ist der Stuck übertüncht, übermalt, überarbeitet, verkratzt, zerrissen oder lose usw. ?
  • Gibt es ältere Restaurierungen und wie sind diese zu beurteilen ?
  • Bei in situ erhaltenem Stuck sind zusätzliche Abklärungen notwendig betreffend Statik, Klimaverhältnisse oder schädigenden Umgebungssituationen.
  • Wie ist die Nutzung des stukkierten Raumes oder wird der Stuck (Bodenfunde) museal aufbewahrt und welche Sicherheiten sind für den Erhalt des Objektes gewährleistet ?

In der Regel ist die Beihilfe der Naturwissenschaft unumgänglich. Sind Probenentnahmen für naturwissenschaftliche Untersuchungen erforderlich, müssen die Entnahmestellen dokumentiert und beschrieben werden. Bei komplexen Situationen empfiehlt sich, dass bei Probenentnahmen der Naturwissenschafter dabei ist. Auch er muss sich ein Bild von der örtlichen Situation machen können. Dies umso mehr, weil dadurch unnötige Probenentnahmen vermieden werden können, denn jede Entnahme bedeutet auch Verlust an Originalsubstanz. Sind solche Fragen geklärt, müsste eigentlich das künftige Konservierungskonzept für das Objekt zu bestimmen sein. Deutlich sei hier vermerkt, dass Untersuchungen und Konservierungsarbeiten nur in engster Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege, dem Besitzer und dem Restaurator ausgeführt werden sollten. Um effiziente Konservierungs- und Restaurierungsergebnisse nach heutigem denkmalpflegerischen Massstab zu erreichen, muss künftig die Zusammenarbeit des Stukkateurs mit dem Restaurator gefördert werden (3). Zudem muss die Möglichkeit der Weiterentwicklung der Stuckkonservierung und Restaurierung im Sinne der Denkmalpflege geschaffen werden; dies in Bezug auf Objekte in situ, im speziellen auf die Besonderheiten mittelalterlicher Kunstwerke und die besonderen Probleme für Bodenfunde.

Zusammenfassung

Seit dem Altertum bis zum 19. Jahrhundert waren Stuckdekorationen ein beliebtes Kunsthandwerk. Als Werkstoff diente ein Mörtel aus Gips, dem Gemisch Gips, Kalk und Sand oder einer Kalksandmischung. Im Mittelalter wurde neben dem normalen Stuckgips (Halbhydrat) der hochgebrannte Estrichgips verarbeitet. Stuckarbeiten der vorgriechischen Kulturen der Ägäis und der Antike bestehen wie jene der Renaissance und des Barock südlich der Alpen vorwiegend aus Kalk und Sand (ohne Gipszusatz). Diese Materialzusammensetzung wurde nördlich der Alpen nur von den Stukkateuren aus Oberitalien, dem Misox und Tessin verwendet. Stuck ist ein relativ weiches Material und durch unsachgemässe Behandlung sehr gefährdet. So fielen zahlreiche farbige Bemalungen der Ansicht zum Opfer, Stuck hätte weiss zu sein. Um künftig weiteren Schäden vorzubeugen, ist die Zusammenarbeit von Stukkateur und Restaurator zu intensivieren und die Weiterentwicklung der Stuckkonservierung nach heutigen denkmalpflegerischen Prinzipien zu fördern.

Anmerkung:

  1. Gemeint ist der bei 120° bis 190° Celsius gebrannte Stuckgips (Halbhydrat)
  2. Im Gegensatz zu den in Situobjekten, die wiederholt aus modischen Gründen farbig verändert worden sind, finden wir am Stuck von Bodenfunden häufiger erhaltene Farbfassungen.
  3. Es gibt in einigen Ländern Europas Weiterbildungskurse für Stukkateure. Dies vorallem im Bereich der verschiedenen Stucktechnologien, der Material- und Stilkunde. Stukkateure, die solche Kurse besucht haben, sind danach qualifizierte Fachleute. Sie sollten in der Lage sein, hervorragende Ergänzungen durchzuführen. Doch wurde das denkmalpflegerische Prinzip "Erhalten der Originalsubstanz" sie vernachlässigt. Dies, weil zu oft qualitativ ersetzbar geworden ist.
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